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Melkor/Morgoth - der Papa des Bösen


ellladan

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Nein, aber Tolkien hat ihre Aufgaben einmal so definiert. Und es findet sich auch nichts, wo er das wieder revidiert.

Dann könnte Melkor mit der meisten Macht ausgestattet gewesen sein, weil eventuell das Beginnen von Dingen/Werken mehr Macht erfordert als das Beenden derselben?

Ich habe die Stellen im Sil so verstanden, dass die Ainur zwar Ea erschaffen haben, aber das, was sie erschaffen haben, entstand unter Erus Anleitung.

Hier wäre die Frage zu stellen, ob Eru von Anfang an wußte, daß seine Ainur eine neue Welt erschaffen würden. Es hätte ja auch etwas anderes sein können. Er sagt ihnen nur, daß sie ihre Kunst und ihre Kräfte einsetzen sollen, um sein Thema nach ihrem Belieben auszuführen. Wußte Eru da bereits, wohin sein Thema führen würde?

Fällt jemand heraus, wie Melkor das getan hat, so duldet Eru dies zwar, weil wie ich ja schon genannt habe, glaube ich, dass das von Eru sogar gewollt war, aber irgendwann, wenn es zu sehr von seinem Grundgedanken abweicht und er merkt, dass nur Schlechtes dabei herum kommt, unterbricht er das neu entstandene Thema, um auf sein Thema wieder überzulenken.

Das klingt für mich wie ein Experiment von Eru. Als wenn er aus Neugier heraus abwarten wollte, was aus seinem "abweichenden Gedanken" Melkor wird und wie dieser sich entwickelt. Als dieser sich dann zu sehr von Erus Vorstellungen entfernt, ruft er ihn zur Ordnung. Kann man das so sehen, daß Melkor anfangs für Eru vielleicht tatsächlich nur eine Art Experiment war?

Melkor wurde erst später durch seinen Machthunger zu etwas Bösem und vielleicht hat er sich selbst nie so gesehen.

Warum kam es überhaupt zu diesem Machthunger? Nur aus dem simplen Grund, daß Melkor der mächtigste aller Ainur war? Warum fehlte es aber dann z. B. Manwe, der fast ebenso mächtig wie Melkor war, an einer solchen Veranlagung (okay, Manwe hat so einige Schwächen, z. B. das absolute Unverständnis des Bösen...)?

Trotzdem glaube ich nicht, dass Melkor anfangs böse war. Doch er wurde ständig abgelehnt und konnte sich nicht in die Entstehung Eas einbringen. Also ist er seine eigenen Wege gegangen und dabei wurde er mehr und mehr von der bösen Seite eingenommen.

Wie groß wären die Chancen gewesen, daß Melkor einen anderen Weg eingeschlagen hätte, wenn er nicht von allen ständig abgelehnt worden wäre und sich in die Entstehung Ardas hätte einbringen können? Hätte Akzeptanz ein Umkehrpunkt für ihn sein können?

Wie hätten die anderen Ainur an seiner Stelle reagiert, hätten sie sein Bestreben gehabt?

Aber auch so: Eru hätte mit Melkor sich selber vernichtet.

Wie meinst du das?

Wenn der Mythos einmal so erzählt ist, dass ein Gedanke selbständig wird und sich gegen seinen Urheber stellt, dann kann die Vereinigung erst wieder stattfinden, wenn beide Parteien lernen.

"Wenn beide Parteien lernen" könnte heißen, daß sich Eru und Melkor nach all dem, was passiert war, womöglich mal hätten aussprechen sollen? Daß beide hätten einsehen und verstehen sollen, daß sie sich falsch verhalten haben?

Wie groß wäre die Chance gewesen, daß Melkor, nachdem er in die Äußere Leere verbannt wurde, von Eru in Gnaden wieder aufgenommen wird?

Den Gedanken mit dem Licht finde ich nicht schlecht. Dass Melkor ausgerechnet Varda liebte, zeigt, wie sehr er sich nach der Vereinigung mit dem Licht sehnte. Aber das hat nicht einmal Eru begriffen. Darum halte ich Melkor für eine tragische Figur.

Hat Varda ihn zurückgewiesen, weil sie erkannt hat, daß Melkor so anders war als sie selbst (was ihr vielleicht Angst gemacht hat) und konnte sie ihn deswegen nicht verstehen? Oder wollte sie die ihr gegebene Gabe nicht teilen? Vielleicht hätte sich Melkor anders entwickelt, hätte Varda ihn nicht abgewiesen.

Mal eine andere Frage:

Wie kann man sich Melkors Verbannung in die Äußere Leere vorstellen? Betraf diese nur seinen Geist oder auch seinen Körper? Irgendwo habe ich mal gelesen, daß Melkor zuvor "exekutiert" wurde.

Stimmt das?

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Ich habe die Stellen im Sil so verstanden, dass die Ainur zwar Ea erschaffen haben, aber das, was sie erschaffen haben, entstand unter Erus Anleitung.

JA so hab ich das auch verstanden, ich hab da auch zwei passende Zitate gefunden.

" Und du Melkor, sollst sehen, kein Thema kann gespielt werden, dass nicht in mir seinen tiefsten Grund hätte, noch kann das Lied einer ändern, mir zum Trotz. Denn wer dies unternimmt, nur als mein Werkzeug wird er sich erweisen, um Herrlicheres zu schaffen von dem er selbst nichts geahnt."

Für mich hört sich das so an als wäre, Melkor das Prinzip von Chaos und Zerstörung, das die Welt und alle Lebewesen darin mitprägt.

Es wird ja gesagt, dass überall wo die Valar etwas schufen, Melkor die Arbeit wieder zunichte machte, die Erde aber in diesem Prozess trotzdem Gestalt annahm. Für mich heißt das, dass Eru von Anfang an wusste was Melkor machen würde, und es bewusst als Teil seines Plans hat geschehen lassen.

" Sehet nun eure Musik! Dies ist euer Gesang, und ein jeder von euch soll hier eingeschlossen finden, in dem Plan, den ich euch vor Augen führe, wovon immer ihn dünken mag, er selbst habe es ersonnen oder hinzugetan. Und du, Melkor, wirst all die heimlichen Gedanken deines Geistes, entdecken, und wirst erkennen, nur ein Teil des Ganzen sind sie und ihm untertan."

Auch hier lässt Eru durchschimmern, dass selbst die Gedanken, die Melkor noch entwickeln wird Teil des Masterplans sind.

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Ich finde, das mit dem freien Willen ist so eine Sache. Okay, die Valar konnten eigenständig denken und handeln, sie konnten auch Entscheidungen treffen, aber immer wieder kommt da diese Aussage, daß alles, was sie taten (und auch die Elben und Menschen) letztendlich nur Eru zur Ehre gereichte und sein Werk vergrößerte und vollkommener machte. Freier Wille, der letzten Endes aber doch nur Puzzleteile in ein Puzzle einfügt, bis es komplett ist, so wie es vorgesehen war.

Ich habe versucht meine Meinung in dem nachfolgenden Satz auszudrücken, aber es ist etwas schwierig.

Für mich ist es kein "Puzzleteil dass sich in ein Puzzle einfügt bis es komplett ist, genauso wie es vorgesehen war". Es ist ein Puzzlestück, ja, und es fügt sich in ein Puzzle ein, aber das Puzzlebild war nicht die "Ursprungsversion". Nichtsdestotrotz ist es ein schönes, vollkommenes Puzzlebild.

Melkors Mißklänge in der Aiulindale waren nicht geplant, die Musik war ohne sie perfekt, aber trotzdem werden sie, wie es im Sil steht "mitgetragen und in den schönsten Stellen mit eingebaut".

Etwas klarer, was ich meinte?

Ja, die Valar besaßen keinen. Eru selbst kam erst auf den Gedanken der Freiheit durch Melkor. Darum hat er ja seinen ursprünglichen Plan erweitert und die Menschen geschaffen, die als erste Wesen frei sein sollten. Selbst die Elben waren es noch nicht.

Hast du da zufällig ein Zitat? Das ist ja ein interessanter Gedanke!

Das alles erfahren wir ja auch nicht. Wir sehen nur, dass er sich aus dem Geschäft gezogen hat, sozusgen.

Wenn Eru nach Melkor das Freiheitsprinzip eingeführt hat, kann er ja auch gar nicht anders. In die geschichte inzugreifen heißt ja sie zu verändern, manipulieren und "einzuschränken".

Ansonsten können wir die Diskussionen hier ja gleich vergessen, jeder hat seinen Standpunkt und basta.

Was meinst Du damit?

Wenn wir, wie du es für dich sagst, Tolkiens Sicht nicht "akzeptieren" wird es ja schwierig mit dem "Lösungfinden". Alle Nicht-Prosatexte (die Briefe, Aufsätze etc.) gelten ja dann nicht als "Beweis", also kann man andere auch nicht von seinem Standpunkt oder gedankengang überzeugen (außer mit gut ausgeführten Spekulationen :rolleyes: ).

Ich hoffe ich konnte mich verständlich machen. :-)

Hat Melkor überhaupt jemals eine Chance gehabt? Hat er jemals den Wunsch oder Willen gehabt, sich vom Bösen wieder abzuwenden, z. B. während seiner Gefangenschaft in Mandos´ Kerker? Wäre das überhaupt möglich gewesen, selbst wenn er es gewollt hätte? Hätte er aus freiem Willen vom Bösen ablassen können, oder hätte auch da Eru wieder dazwischengestanden und Melkor weiterhin die Rolle, die er offenbar zu spielen hatte, aufgezwungen?

Das Eru "dazwischengegangen" wäre, wiederspricht ja deiner "Freiheitstheorie".

Aber ich frage mich auch, ob Melkor eine Chance hatte. Nachdem er die Disakkorde in der Musik gesungen hatte, kontte er sie da überháupt noch "rückgängig" machen, oder war durch die Musik schon alles predestiniert?

Vielleicht erklärt die Ainulindale Iluvatars Aussage zu Melkor, dass er nur teil eines Ganzen ist. Die Musik hat alles schon vorherbestimmt, auch Melkor kann sie nicht mehr verändern...

Demzufolge glaube ich, dass Ea sehr wohl vorbestimmt war durch Eru, nur nicht komplett. Er war sich in mancher Hinsicht noch unsicher über die Form von Ea.

So sehe ich das auch. Iluvatar hat die Melodie gestiftet, aber die Ainur dürfen sie singen und ausschmücken - natürlich in den gegebenen Grenzen.

Vielleicht wäre das alles nicht passiert, wenn Eru Melkor seinen Willen gelassen hätte. Also sind die Fehler eher bei Eru zu suchen, nicht bei Melkor.

So, wie Tolkien diese Figur geschaffen hat: ja.

Aber in gewisser Weise hat Eru ihm ja seinen Willen gelassen. Ich glaube, dass es trotzdem nicht anders gekommen wäre, Melkor hätte seine Vorstellungen nur leichter ausleben können.

Und unterdrücktes Schaffen kann zu Machtwahn führen.
Nur wenn auch schon die Motive für die Schaffung falsch waren. Wenn ich erschaffe um etwas "mein eigen" nennen zu können: ja. Bearbeitet von Alatariel
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Dann könnte Melkor mit der meisten Macht ausgestattet gewesen sein, weil eventuell das Beginnen von Dingen/Werken mehr Macht erfordert als das Beenden derselben?

Hier:

Vielleicht hatte Melkor jedoch die größere Macht, da es mehr Kraft braucht, etwas zu beginnen, als etwas weiterzuführen oder zu vollenden.

>Wie kann man sich Melkors Verbannung in die Äußere Leere vorstellen? Betraf diese nur seinen Geist oder auch seinen Körper? Irgendwo habe ich mal gelesen, daß Melkor zuvor "exekutiert" wurde.

Und hier:

Es heißt, er sei auch exekutiert worden. Dazu findet man etwas in Morgoths Ring: "The war was sucessful, and ruin was limited to the small (if beautiful) region of Beleriand. Morgoth was thus actualley made captive in in physical form [...] He was jugded, and eventually taken out of the Blessed Realm and executed: that is killed like one of the Incarnates."

Es betraf wohl Körper und Geist, sonst wäre e sja unsinnig gewesen ihn überhaupt aus Arda zu "entfernen".

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Ich denke, dass Melkor von Anfang an von Eru geplant war. Jedes Mal, wenn Melkor etwas zerstören will, entsteht daraus etwas, das besser ist als es ursprünglich geplant war. Mir fällt grade der genaue Wortlaut nicht ein, aber als Eru den Ainur Ea gezeigt hat, sagt er beispielsweise zu Ulmo, dass durch Melkors Hitze aus den Ulmos Ozeanen Wolken und Regen entstanden sind...

Und wie früher schon erwähnt wurde, wird erst durch Melkors "Ungehorsam" der freie Wille der Menschen möglich. (Dazu: Ich weiß nicht mehr, wo es steht, aber Tolkien schreibt, dass die Sterblichkeit das Geschenk an die Menschen ist, die genau das ermöglicht).

Zum Thema "darf der Dichter die Deutung diktieren?": Ich denke, es kommt darauf an, woran man wirklich interessiert ist. Will man wissen, wie die Welt aussieht, die Tolkien sich gedacht hat, ist es sehr wohl plausibel auch auf Sekundärliteratur vom Autor selbst zurückzugreifen. Will man sich sein eigenes Bild machen, ist das wohl eher kontraproduktiv.

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Dann könnte Melkor mit der meisten Macht ausgestattet gewesen sein, weil eventuell das Beginnen von Dingen/Werken mehr Macht erfordert als das Beenden derselben?

Hier wäre die Frage zu stellen, ob Eru von Anfang an wußte, daß seine Ainur eine neue Welt erschaffen würden. Es hätte ja auch etwas anderes sein können. Er sagt ihnen nur, daß sie ihre Kunst und ihre Kräfte einsetzen sollen, um sein Thema nach ihrem Belieben auszuführen. Wußte Eru da bereits, wohin sein Thema führen würde?

Das klingt für mich wie ein Experiment von Eru. Als wenn er aus Neugier heraus abwarten wollte, was aus seinem "abweichenden Gedanken" Melkor wird und wie dieser sich entwickelt. Als dieser sich dann zu sehr von Erus Vorstellungen entfernt, ruft er ihn zur Ordnung. Kann man das so sehen, daß Melkor anfangs für Eru vielleicht tatsächlich nur eine Art Experiment war?

Es kommt darauf an, aus welcher Perspektive Du das betrachten willst. Wenn Du die Perspektive der Erzähler verfolgst, dann siehst Du, dass Eru litt. Denn so ist er dargestellt. Er weint ja sogar. Das heißt, die Erzähler haben die Verzweiflung von Eru herausgestellt. Und er ist ja alles andere als ruhig und ausgeglichen im Gefühl. Er wird ja als geradezu jähzornig dargestellt. Kein kühler Experimentator.

Wenn Du aber die Perspektive der Elben verlassen willst, dann musst Du trotzdem aufzeigen, dass der Text Signale für Deine Deutung gibt. Ich sehe, ehrlich gesagt, nicht die geringsten. Ich sehe aber Textsignale darin, dass Eru so emotional und ungerecht dargestellt wird. DAS können wir Leser als "ein Manko" erkennen.

Warum kam es überhaupt zu diesem Machthunger? Nur aus dem simplen Grund, daß Melkor der mächtigste aller Ainur war? Warum fehlte es aber dann z. B. Manwe, der fast ebenso mächtig wie Melkor war, an einer solchen Veranlagung (okay, Manwe hat so einige Schwächen, z. B. das absolute Unverständnis des Bösen...)?

Die Frage verstehe ich jetzt nicht. Jeder der Ainur verkörperte doch einen anderen Gedanken, einen anderen Aspekt von Eru.

Wie groß wären die Chancen gewesen, daß Melkor einen anderen Weg eingeschlagen hätte, wenn er nicht von allen ständig abgelehnt worden wäre und sich in die Entstehung Ardas hätte einbringen können? Hätte Akzeptanz ein Umkehrpunkt für ihn sein können?

Da hier ja, wie schon oft betont, ein Mythos vorliegt, der lediglich die reale menschliche Situtation beschreibt, ist die Frage ja fast hinfällig. Du fragst ja letztlich, wie die Welt geworden wäre, wenn alles gutgegangen wäre. Die Melkor-Figur zeigt, warum es so kommen musste, wie es gekommen ist (in den Augen von Tolkien).

Wie aber die Melkor-Figur zu deuten ist, darüber diskutieren wir ja. Ich könnte Dir jetzt folgendermaßen antworten - verlasse aber damit den konkreten Text (das tust Du mit Deiner Frage allerdings auch):

Die Rebellion ist IMMER notwendig, damit Bewegung in die Historie kommt. Ohne Gegenstätze läuft gar nichts, es wäre der reinste Stillstand. Wir können ja nicht einmal ein Ding denken, das nicht sein Gegenteil beinhaltet. Ein Tisch ist nur dann wahrnehmbar, wenn wir auch wissen, was Nicht-Tisch ist. Sonst wäre alles eine ununterscheidbare Soße. Diese ununterscheidbare Soße war da, bevor Eru "schuf". Was er schuf, waren Gegensätze. Damit kam Dynamik in die Sache. Damit war bereits die Möglichkeit geschaffen, das zwei Ainur um Varda warben und nur einer gewählt werden konnte. Der andere musste notgedrungen verletzt von dannen ziehen.

Also, um Deine Frage konkreter zu beantworten. Diese Harmonie, die theoretisch Melkor hätte von Anfang an einbinden können, war grundsätzlich nicht möglich, wenn man von unserer Welt ausgeht. Wir Menschen sind so veranlagt, dass der Zwist IMMER ausbricht - wenn er nicht irgendwann durch reife Einsicht überwunden wird. Aber der Zwist ist der Grundbaustein unserer Welt. Wenn Du Dir eine virtuelle, völlig von unserer Welt verschiedene Welt denken kannst, dann ist vielleicht eine möglich, die ohne diesen Zwist auskommt. Aber dann hätte Tolkien nicht über UNS geschrieben. Das aber hat er.

ZITAT(Wando)Aber auch so: Eru hätte mit Melkor sich selber vernichtet.

Wie meinst du das?

Weil Melkor eben ein Stück von ihm war, sein Schatten. Willst Du jemanden den Schatten nehmen, musst Du ihn umbringen, anders geht's nicht. Die beiden sind ja aneinander gebundene Gegensätze. Nimm den NIcht-Tisch weg, und es gibt keinen Tisch mehr.

"Wenn beide Parteien lernen" könnte heißen, daß sich Eru und Melkor nach all dem, was passiert war, womöglich mal hätten aussprechen sollen? Daß beide hätten einsehen und verstehen sollen, daß sie sich falsch verhalten haben?

Tolkien hat das ja nicht gestaltet, er hat das nur als "Zukunftsmusik" angedeutet. Ich finde "aussprechen" zu vermenschlicht. Es geht ja eigentlich um Grundprinzipien des Seins.

Die Geschichte, so wie Tolkien sie erzählt, ist eigentlich verfahren. Will man sich aber ein Happyend ausmalen, irgendwie, dann müsste ein Total-Neuanfang gesetzt werden. Nicht umsonst spricht man im Christentum in diesem Zusammenhang von einer "Neuschöpfung". Der Mythos müsste also so erzählt werden, dass die verfeindeten Parteien nach elendlangem Scheitern wieder zueinander finden. Aber wie? Es geht ja nicht um eine Ehekittung, sondern um das grundsätzliche Problem von Gut und Böse. Aus dem Handgelenk zu beantworten ist das nicht.

Hat Varda ihn zurückgewiesen, weil sie erkannt hat, daß Melkor so anders war als sie selbst (was ihr vielleicht Angst gemacht hat) und konnte sie ihn deswegen nicht verstehen? Oder wollte sie die ihr gegebene Gabe nicht teilen? Vielleicht hätte sich Melkor anders entwickelt, hätte Varda ihn nicht abgewiesen.

Varda hat offenbar wie alle anderen Ainur Melkor für etwas Verwerfliches gehalten. Natürlich wäre es anders gekommen, wenn Varda ihn nicht abgelehnt hätte. Aber ob Melkor dadurch weniger aufsässig und machthungrig geworden wäre, wage ich zu bezweifeln. Sein Problem war tiefgreifender und hätte durch eine Ehe mit der Sternenbeherrscherin nicht aus den Angeln gehoben werden können.

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ZITAT(Wando)Ja, die Valar besaßen keinen. Eru selbst kam erst auf den Gedanken der Freiheit durch Melkor. Darum hat er ja seinen ursprünglichen Plan erweitert und die Menschen geschaffen, die als erste Wesen frei sein sollten. Selbst die Elben waren es noch nicht.

Hast du da zufällig ein Zitat? Das ist ja ein interessanter Gedanke!

Wie leider sehr oft, weiß ich nicht mehr, wo ich das gelesen oder woraus ich das geschlossen habe. Ich denke aber, es ist in einer der Fassungen der Ainulindale, eventuell sogar im Silmarillion. Es geht da um den "neuen Gedanken", den Eru bekommt.

Früher gab's so viele, die sofort immer alle Zitate nennen konnten - die sind irgendwie alle ausgestorben. Ich bin kein Zitatemerker. Ich bin auf die Zitatemerker angewiesen. :L

Was meinst Du damit?

Wenn wir, wie du es für dich sagst, Tolkiens Sicht nicht "akzeptieren" wird es ja schwierig mit dem "Lösungfinden". Alle Nicht-Prosatexte (die Briefe, Aufsätze etc.) gelten ja dann nicht als "Beweis", also kann man andere auch nicht von seinem Standpunkt oder gedankengang überzeugen (außer mit gut ausgeführten Spekulationen :rolleyes: ).

Ich hoffe ich konnte mich verständlich machen. :-)

Ja, jetzt habe ich verstanden. Ich stehe auf folgendem Standpunkt:

Was ein Dichter nicht als Dichtung in die Dichtung eingearbeitet hat, gilt nicht zur Interpretation. Da kann ein theoretisches Nachbessern nichts helfen. Er hätte dann schon die Dichtung verändern müssen.

Hinzu kommt, dass die Briefe ja immer bestimmte Adressanten hatten, denen er sich angepasst hat. Auch waren diese Briefe von ihm keineswegs als offizielle Deutungen autorisiert. Es waren private Äußerungen mit einer bestimmten Absicht. Diese als offizielle Deutungen zu missbrauchen, ist für mich unredlich, nicht akzeptabel. Zumal diese ja oft auch Jahrzehnte später niedergeschrieben wurden.

Was aber nicht heißt, dass ein Privatmensch sich nicht etwas davon zu eigen machen kann. Selbstverständlich kann er das.

Ich unterscheide nur strikt zwischen der Werkintention und der Autorintention. Letztere ist eine Frage der Psychologie. Da untersucht man, wie Tolkien selber sich im Laufe seines Lebens entwickelt hat, wie seine Gedanken waren und sich verändert haben. Dann sind Werke und Briefe letztlich nur Dokumente für die Psychologie der Person Tolkien. Aber selbst da muss man historisch sehr präzise vorgehen und nicht alle Jahrzehnte durcheinander wirbeln. Der junge Tolkien hatte selbstverständlich eine ganz andere Deknweise als der siebzigjährige. Und mit 70 hatte er einen anderen Blickwinkel auf den Hobbit, den er mit 38 Jahren begonnen hat. Daraus kann man keinen Brei machen (hast Du auch nicht gemacht, ich sag's nur).

Aber wenn ich die Werkintention untersuche, dann nehme ich Tolkien nicht als Privatperson, sondern als Dichter, dem im Prozess des Schreibens noch andere Quellen zur Verfügung standen als die seiner persönlichen Psyche. Diese Quellen schlagen sich im Werk nieder, sind aber keineswegs unbedingt dem Dichter selber bekannt. Das ist ja nun mal das Phänomen von Kunstwerken. Und darum kann ich da nicht die Person Tolkien befragen, sondern muss das Kunstwerk selber untersuchen. Welche Weltsicht dem zugrunde liegt usw.

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Für mich ist es kein "Puzzleteil dass sich in ein Puzzle einfügt bis es komplett ist, genauso wie es vorgesehen war". Es ist ein Puzzlestück, ja, und es fügt sich in ein Puzzle ein, aber das Puzzlebild war nicht die "Ursprungsversion.... Etwas klarer, was ich meinte?

Ja, ich denke schon. Die Ainur sind die Teile des Puzzles, die sich durch die Musik zu einem Ganzen zusammenfügen sollen, aber durch ein Puzzlestück, das nicht paßt, wird das Puzzle am Schluß nicht zu dem, was es sein sollte, sondern sieht anders aus. Meinst du das?

Aber ich frage mich auch, ob Melkor eine Chance hatte. Nachdem er die Disakkorde in der Musik gesungen hatte, kontte er sie da überhaupt noch "rückgängig" machen, oder war durch die Musik schon alles predestiniert?

Ich denke nicht, daß Melkor die Disakkorde rückgängig machen konnte, selbst wenn er es gewollt hätte. Das hätte wahrscheinlich nur Eru selber gekonnt. Andererseits, Melkor hatte es von sich aus geschafft, diese Disharmonien einzubringen...

Die Frage ist, hätte Eru es zugelassen, daß Melkor seine Taten ungeschehen macht, wo sie doch offensichtlich einen wichtigen – wenn auch unvorhergesehenen – Teil zu Erus Schöpfung beigetragen haben?

Es kommt darauf an, aus welcher Perspektive Du das betrachten willst. Wenn Du die Perspektive der Erzähler verfolgst, dann siehst Du, dass Eru litt. Denn so ist er dargestellt. Er weint ja sogar. Das heißt, die Erzähler haben die Verzweiflung von Eru herausgestellt. Und er ist ja alles andere als ruhig und ausgeglichen im Gefühl. Er wird ja als geradezu jähzornig dargestellt. Kein kühler Experimentator.

Okay, unter diesem Gesichtspunkt war es dann kein Experiment. Allerdings sehe ich Eru nicht als so jähzornig an, denn wenn er jähzornig gewesen wäre, hätte er Melkor doch gleich vernichten können, als der die Musik gestört hat, und hätte seine Ainur neu beginnen lassen können. Daß er das nicht getan hat, heißt für mich, daß er entweder neugierig war, was aus Melkors Disharmonien entstehen würde (wenn er es in Wirklichkeit nicht schon wußte), oder aber, daß Melkor ein wichtiger Teil seines Plans war (und Teil von Eru selbst) und somit seine Rolle zu spielen hatte.

Ich finde, man kann es drehen und wenden, wie man will, es läuft darauf hinaus, daß Melkor nur Erus Werkzeug war, wie alle Ainur, und daß alles, was er – auch aus freiem Willen heraus – tat, letzten Endes nur Erus Werk vervollkommnete. Melkor war die Rolle des Bösen zugedacht, aus der er nicht entkommen konnte.

Andererseits: was wäre gewesen, wenn Melkor sich doch plötzlich geändert hätte? Sich vom Bösen abgewandt hätte? Hätte das dann nicht Erus Plan zunichte gemacht? Oder hätte er das von sich aus überhaupt gar nicht gekonnt?

Inwieweit kann Melkor überhaupt für das, was er tat, verantwortlich gemacht werden?

Jeder der Ainur verkörperte doch einen anderen Gedanken, einen anderen Aspekt von Eru.

Manchmal bin ich mir da nicht so sicher. Wenn es Machtwahn war, der Melkor so werden ließ, war dieser dann nicht auch ein Aspekt von Eru? War dann nicht auch Eru selber machtbesessen und gab diesen Aspekt seiner Persönlichkeit an Melkor weiter? War das der Grund, warum Eru die Unverlöschliche Flamme für sich allein haben wollte? Mußte er nicht ahnen, daß durch die Weitergabe dieses Teils seiner Persönlichkeit sozusagen Konkurrenz für ihn entstehen würde?

Wenn jeder Ainu einen anderen Aspekt von Eru verkörperte, warum verstand dann Manwe das Böse nicht? Würde das nicht heißen, daß auch Eru das Böse nicht verstand und diesen Teil seiner selbst an Manwe weitergegeben hatte? Wenn das aber so gewesen wäre und Eru das Böse nicht verstand, wie konnte dann jemand wie Melkor seinen Gedanken entspringen?

Diese Harmonie, die theoretisch Melkor hätte von Anfang an einbinden können, war grundsätzlich nicht möglich, wenn man von unserer Welt ausgeht. Wir Menschen sind so veranlagt, dass der Zwist IMMER ausbricht - wenn er nicht irgendwann durch reife Einsicht überwunden wird. Aber der Zwist ist der Grundbaustein unserer Welt.

Dann waren die Ainur den Menschen von Anfang an ähnlicher, als man annehmen würde, schon vor und während der Musik, noch bevor sie Arda betraten.

Weil Melkor eben ein Stück von ihm war, sein Schatten. Willst Du jemanden den Schatten nehmen, musst Du ihn umbringen, anders geht's nicht. Die beiden sind ja aneinander gebundene Gegensätze.

Dann kann man das als Grund dafür sehen, daß Eru Melkor nicht einfach vernichtet hat, da er damit sich selber geschadet hätte? Das paßt zu der Überlegung weiter oben.

Varda hat offenbar wie alle anderen Ainur Melkor für etwas Verwerfliches gehalten. Natürlich wäre es anders gekommen, wenn Varda ihn nicht abgelehnt hätte. Aber ob Melkor dadurch weniger aufsässig und machthungrig geworden wäre, wage ich zu bezweifeln. Sein Problem war tiefgreifender und hätte durch eine Ehe mit der Sternenbeherrscherin nicht aus den Angeln gehoben werden können.

Auf jeden Fall hätte Varda eine beruhigende Wirkung auf ihn ausüben können ;-). Und er hätte mit ihr jemanden zum Reden gehabt. Vielleicht hätte das schon was geändert. Aber das ist nur rein hypothetisch... oder ist das zu "menschlich" gedacht?

Wenn wir schon bei der Rolle sind, die Melkor gemäß Eru zu spielen hatte, wie kommt es dann eigentlich, daß Melkor während der Zeit, die er in der Äußeren Leere verbrachte, seine Macht und Kräfte nach und nach wiedererlangte? Konnte er sich von sich aus regenerieren?

Warum ließ Eru das überhaupt zu?

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Ja, jetzt habe ich verstanden. Ich stehe auf folgendem Standpunkt:

Was ein Dichter nicht als Dichtung in die Dichtung eingearbeitet hat, gilt nicht zur Interpretation. Da kann ein theoretisches Nachbessern nichts helfen. Er hätte dann schon die Dichtung verändern müssen.

[...]Was aber nicht heißt, dass ein Privatmensch sich nicht etwas davon zu eigen machen kann. Selbstverständlich kann er das.

Ok, jetzt weiß ich was du meinst. :-)

Ja, ich denke schon. Die Ainur sind die Teile des Puzzles, die sich durch die Musik zu einem Ganzen zusammenfügen sollen, aber durch ein Puzzlestück, das nicht paßt, wird das Puzzle am Schluß nicht zu dem, was es sein sollte, sondern sieht anders aus. Meinst du das?

Genau, ich verstehe diese Stelle eben NICHT so, dass Eru Melkors Handeln manipuliert um sein Puzzle so zu vollenden, wie er es geplant hatte, aber es zum Schluss trotzdem gut so war.

Ich denke nicht, daß Melkor die Disakkorde rückgängig machen konnte, selbst wenn er es gewollt hätte. Das hätte wahrscheinlich nur Eru selber gekonnt. Andererseits, Melkor hatte es von sich aus geschafft, diese Disharmonien einzubringen...

Ja, die Frage ist ja (Erus mögliches Eingreifen mal ausgenommen), ob Melkor trotz der Ainulindale hätte anders handeln können.

Das wäre ja eigentliche in interessanter Aspekt: Nicht Eru bestimmt die zukünftigen Handlungen der Valar, sondern sie selbst, indem sie ihren Part in der Ainulindale gesungen haben. Das haben wir bis jetzt immer außen vor gelassen.

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Hallo Melkor!

In meinen Augen siehst Du Eru und Melkor zu sehr als Privatpersonen an, die sich mal richtig hätten aussprechen sollen, und dann hätte das alles besser gefluppt.

Aber in einem Mythos drücken die Personen Prinzipien aus. Es ist ja nicht so, dass in Wirklichkeit erst die beiden da waren, dann die Menschen. Tolkien schließlich ist ein Mensch, hat diese Welt vorgefunden, ist durch ihre Unredlichkeit etc. wahrscheinlich tief erschüttert gewesen, und nun versucht er, per Geschichtenerzählen herauszufinden, was der Grund des Übels sein könne. Da er klug ist, legt er diese Überlegungen in die Köpfe von fiktiven Elben.

Es macht also keinen Sinn, sich zu überlegen, was gewesen wäre, wenn Eru anders gehandelt hätte, weil die beiden ja gar nicht historisch vor unserer Zeit existierten, sondern hier und heute vorhanden sind. Tolkien hat die beiden abgeleitet aus der Beobachtung seiner eigenen Zeit. Er hat den "Mythos" aus der heutigen Zeit herausgefiltert sozusagen. Melkor steht für all das, was wir verantwortlich machen wollen für die Misere unserer Zeit, Eru steht für all die, die ratlos sind und mit der Misere nicht mehr klarkommen (sich aber nicht verantwortlich dafür fühlen wollen).

Tolkien hat, bewusst oder unbewusst, in seinen Text hieneingeschrieben, dass Eru einen Fehler gemacht hat. Damit hat er - bewusst oder unbewusst - den eintscheidenden Fehler markiert, der heute noch immer läuft. Und Tolkien konnte nicht mehr erzählen, wie die heile Welt geschaffen werden kann - weil er es selber nicht wusste. Er beschrieb nur die Symptome, und er deutete - vielleicht aus Versehen - die Lösung gleich mit an, indem er seinen Eru nicht perfekt gestaltete, sondern fehlerhaft.

Da die Geschichte ja nicht wirklich abgelaufen ist, sondern lediglich in Bildern unsere heutige Bewusstseinshaltung beschreibt, könen wir in dieser Geschichte wie in einem Spiegel uns selbst betrachten. Wir können erkennen - wenn wir wollen -, was die Lösung wäre (für die Zukunft). Das ist Tolkiens Genie, das er diese Lösung gefunden hat und die - so bin ich überzeugt - ihn sein ganzes Leben lang angetrieben hat, darüber zu schreiben. Aber - so denke ich -, er hat nicht gewusst, dass er die Lösung gefunden hat. Sie steht in seinen Texten, aber er selbst hat's - vermutlich - nicht gemerkt. Denn hätte er es gemerkt, hätte er sein Werk nicht unvollendet gelassen.

Grüße,

Wando

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Und was wäre dann deiner Meinung nach die Lösung, sofern sie sich in Worte fassen lässt?

Eigentlich versuche ich das in jedem meiner posts hier auszudrücken. Deutlicher kriege ich das nicht hin.

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Das wäre ja eigentliche in interessanter Aspekt: Nicht Eru bestimmt die zukünftigen Handlungen der Valar, sondern sie selbst, indem sie ihren Part in der Ainulindale gesungen haben. Das haben wir bis jetzt immer außen vor gelassen.

Sie bestimmen zwar ihre zukünftigen Handlungen selber durch ihren jeweiligen Gesang, aber trotzdem ist dieser doch von Eru vorgegeben? Zumindest die Grundlage?

Höchstens haben die Ainur während des Gesanges ihre Vorlieben und zukünftigen "Aufgabengebiete" festgelegt. Das schien eine freie Wahl gewesen zu sein.

In meinen Augen siehst Du Eru und Melkor zu sehr als Privatpersonen an, die sich mal richtig hätten aussprechen sollen, und dann hätte das alles besser gefluppt.

So deutlich habe ich das auch wieder nicht gemeint :rolleyes:.

Als was soll ich Melkor, Manwe und die anderen Valar ansehen, wenn nicht als Personen (Privatpersonen ist vielleicht ein bissel unpassend)? Ich finde, hier sollte differenziert werden: vor und während der Ainulindale fällt es schwer, die Ainur als "Personen" anzusehen, da sie da tatsächlich wie ätherische, göttliche Wesen rüberkommen.

Als sie dann aber in Ea eingetreten sind und körperliche Gestalt angenommen haben, erscheinen sie sozusagen bodenständiger; also mehr wie "Personen". Auf Arda haben die Valar dann nicht nur eine wiedererkennbare Gestalt, sondern auch menschliche Sorgen, Probleme und Gefühle (Freude, Wut, Beziehungen untereinander, Interaktion mit den Elben). Hier erscheinen sie mir durchaus als Personen, und warum sollte dann ein Gespräch zwischen Manwe und Melkor – die immerhin Brüder waren – nicht möglich gewesen sein? Wie siehst du das?

Also, auch mit dem Wissen im Hinterkopf, was die Valar tatsächlich sind, finde ich so einen Gedanken nicht vollkommen abwegig.

Er hat den Mythos aus der heutigen Zeit herausgefiltert sozusagen. Melkor steht für all das, was wir verantwortlich machen wollen für die Misere unserer Zeit, Eru steht für all die, die ratlos sind und mit der Misere nicht mehr klarkommen (sich aber nicht verantwortlich dafür fühlen wollen).

Zusammenfassend kann man also sagen, daß dieser Teil des Silmarillion mit seinen Charakteren eine Allegorie mit Bezug zu unserer eigenen Zeit und Welt ist?

Tolkien hat, bewusst oder unbewusst, in seinen Text hieneingeschrieben, dass Eru einen Fehler gemacht hat.

Wenn also Eru einen Fehler gemacht hat, und dieser Fehler Melkor war, würde ich diesem dann nicht unbedingt alle Schuld zuschieben, da er so geschaffen wurde. Man kann ihm höchstens die Schuld dafür geben, was er selber aus sich gemacht und wieviel Zerstörung und Leid er über die Welt gebracht hat.

Und Tolkien konnte nicht mehr erzählen, wie die heile Welt geschaffen werden kann - weil er es selber nicht wusste.

Stichwort heile Welt: Wird Arda nicht schlußendlich nach der Dagor Dagorath "geheilt"?

Da die Geschichte ja nicht wirklich abgelaufen ist, sondern lediglich in Bildern unsere heutige Bewusstseinshaltung beschreibt, könen wir in dieser Geschichte wie in einem Spiegel uns selbst betrachten.

Jup, paßt zu oben!

Wie konnte es sein, daß Melkor während der Zeit, die er in der Äußeren Leere verbrachte, seine Macht und Kräfte nach und nach wiedererlangte? Konnte er sich von sich aus regenerieren?

Die Frage interessiert mich nach wie vor.

Hat dazu niemand eine Idee oder Vermutung, oder steht dazu irgendwo was geschrieben?

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>Stichwort heile Welt: Wird Arda nicht schlußendlich nach der Dagor Dagorath "geheilt"?

Zumindest nach elbischer Vorstellung: "Arda Marred" wird zu "Arda Healed".

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Als was soll ich Melkor, Manwe und die anderen Valar ansehen, wenn nicht als Personen (Privatpersonen ist vielleicht ein bissel unpassend)? Ich finde, hier sollte differenziert werden: vor und während der Ainulindale fällt es schwer, die Ainur als "Personen" anzusehen, da sie da tatsächlich wie ätherische, göttliche Wesen rüberkommen.

Als sie dann aber in Ea eingetreten sind und körperliche Gestalt angenommen haben, erscheinen sie sozusagen bodenständiger; also mehr wie "Personen". Auf Arda haben die Valar dann nicht nur eine wiedererkennbare Gestalt, sondern auch menschliche Sorgen, Probleme und Gefühle (Freude, Wut, Beziehungen untereinander, Interaktion mit den Elben). Hier erscheinen sie mir durchaus als Personen, und warum sollte dann ein Gespräch zwischen Manwe und Melkor – die immerhin Brüder waren – nicht möglich gewesen sein? Wie siehst du das?

Ich verstehe vermutlich Deine Art des Denkens nicht. Für mich ist das ein Mythos, für Dich - glaube ich - eine Geschichte über reale Menschen.

Für mich wäre ein Gespräch zwischen Manwe und Melkor darum nicht möglich gewesen, weil dann Tolkien eben nie geschrieben hätte. Nie hätte schreiben können. Er ist doch von einem realen Konflikt ausgegangen - den zwischen gut und böse, den wir heute vorfinden. Der wird durch Eru und Melkor, oder durch Manwe und Melkor, beschrieben.

Wenn dieser Konflikt heute nicht da wäre, hätte Tolkien ihn doch seinen Figuren nicht gegeben. Verstehst Du?

Zusammenfassend kann man also sagen, daß dieser Teil des Silmarillion mit seinen Charakteren eine Allegorie mit Bezug zu unserer eigenen Zeit und Welt ist?

Nein. Aber wie fasst Du denn einen Mythos auf? Was ist denn für Dich der Unterschied zwischen mythischen Erzählungen und Geschichten über reale Menschen?

Für mich ist Mythos archetypische Beschreibung dessen, was real abläuft. Allegorie ist ganz etwas anderes.

Wenn also Eru einen Fehler gemacht hat, und dieser Fehler Melkor war, würde ich diesem dann nicht unbedingt alle Schuld zuschieben, da er so geschaffen wurde. Man kann ihm höchstens die Schuld dafür geben, was er selber aus sich gemacht und wieviel Zerstörung und Leid er über die Welt gebracht hat.

Das Thema der Schuld bringst aber immer nur Du hier rein. Wieso glaubst Du denn, dass hier überhaupt von Schuld die Rede ist? Und wie sollte Melkor denn ein Fehler sein? Das verstehe ich nicht.

Stichwort heile Welt: Wird Arda nicht schlußendlich nach der Dagor Dagorath "geheilt"?

Tolkien hat nichts dergleichen ausgeführt. Ein Happyend behaupten kann jeder Laie. Aber Tolkien hat keine Erzählung, keinen Roman über eine Heilung der Welt geschrieben, schreiben können. Er hat nur über die Heillosigkeit geschrieben. Mit Ansatz von Lichtblicken.

Grüße,

Wando

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Ich verstehe vermutlich Deine Art des Denkens nicht. Für mich ist das ein Mythos, für Dich - glaube ich - eine Geschichte über reale Menschen.

Ja, wir scheinen in der Tat unterschiedliche Denkweisen zu haben, aber daran soll diese Diskussion nicht scheitern. Außerdem, wenn wir alle gleich denken würden und immer einer Meinung wären, würde es gar keine Diskussionen geben ;-).

Für mich ist das ein Mythos, für Dich - glaube ich - eine Geschichte über reale Menschen.

Wie meinst du das jetzt? Reale Menschen im Sinne von "real existierende Menschen"? Das sind die Valar für mich mit Sicherheit nicht. Natürlich ist das nur eine Geschichte (nur ein Mythos). Oder meinst du damit, daß ich die Valar zu sehr als "Menschen" betrachte und nicht als mythische Gestalten?

Auf jeden Fall muß ich mir die Valar innerhalb der Erzählung ja irgendwie vorstellen, und da stelle ich sie mir halt wie "reale" Personen vor, die miteinander reden usw. Wie stellst du dir die Valar beim Lesen vor?

Das meine ich mit "real". Innerhalb dieser Geschichte sind die Valar ab dem Zeitpunkt für mich "real", als sie in die Sphären von Ea eintreten und physische Form annehmen, als sie untereinander und dann später mit den Elben interagieren.

Ich hoffe, das ist jetzt ein bißchen verständlicher.

Wenn dieser Konflikt heute nicht da wäre, hätte Tolkien ihn doch seinen Figuren nicht gegeben. Verstehst Du?

Ja, ich denke schon. Wäre heute hier in unserer Welt kein Konflikt zwischen Gut und Böse oder gäbe es vielleicht sogar das Böse nicht, hätte Tolkien einen solchen Konflikt nicht in seine Geschichten eingebracht – weil er dann keine reale Vorlage gehabt hätte und damit auch keine Veranlassung, so etwas zu schreiben. Geht das in die Richtung, die du meinst?

Aber wie fasst Du denn einen Mythos auf? Was ist denn für Dich der Unterschied zwischen mythischen Erzählungen und Geschichten über reale Menschen?

Mythen sind für mich überlieferte, sagenhafte Erzählungen über z. B. Götter, Helden oder Menschen, nichts Reales. Quasi unsere Welt und unser Handeln in eine Sagenwelt übertragen.

Das Thema der Schuld bringst aber immer nur Du hier rein. Wieso glaubst Du denn, dass hier überhaupt von Schuld die Rede ist?

Vielleicht bin ich mit dem Begriff "Schuld" etwas voreilig, aber soweit ich mich erinnere, ist Melkor für die Elben der Ursprung alles Bösen, von daher könnte man sagen, daß er die Schuld trägt an all dem Unheil, das über Arda gekommen ist. Es ist nicht so, daß ich unbedingt einen Schuldigen suche.

Und wie sollte Melkor denn ein Fehler sein?

Darauf hatte mich dieses Zitat von dir gebracht:

Tolkien hat, bewusst oder unbewusst, in seinen Text hieneingeschrieben, dass Eru einen Fehler gemacht hat

Das habe ich auf Melkor bezogen. Ist nur eine Überlegung. Aber irgendwie war doch mal die Rede davon, daß auch Eru nicht frei von Fehlern war; daß entweder die Erschaffung Melkors aus seinen Gedanken bewußt geschah oder aber ein Versehen war. Eru hat dann erleben müssen, daß dieser Melkor-Gedanke sich selbständig gemacht und gegen ihn rebelliert hat, und da er zunächst Zorn gezeigt hat, könnte man das so auslegen, daß er mit Melkor nicht einverstanden war und ihn – vielleicht – in diesem Moment als Fehler angesehen hat. Ein Fehler, den er aber nicht ausgemerzt hat, sondern dem er eine Chance gegeben hat.

Wie gesagt, ich interpretiere nur und mache mir meine eigenen Gedanken.

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Moin, Melkor

Außerdem, wenn wir alle gleich denken würden und immer einer Meinung wären, würde es gar keine Diskussionen geben ;-) .

Ja und nein viellelicht. Wenn zwei Menschen die gleiche gedankliche Ausgangsbasis haben, können sie zusammen das ganze Werk Tolkiens durchgehen und gemeinsam alles zu klären versuchen. Das wäre schon durchaus Stoff für viele Jahre. Wenn man aber schon im Vorfeld unterschiedliche Herangehensweisen hat, kommt man niemals voran und erschöpft sich in der Diskussion dieser Unterschiede. In der Regel kommt dann nicht ein einziges Ergebnis zustande.

Das ist meines Erachtens auch der Grund, weshalb die Tolkienforen alle tot sind und die, die wirklich bei Tolkien weiterkommen wollen, inzwischen ganz allein zu Hause arbeiten und die Foren (für diesen Zweck) meiden.

Aber immerhin - wir beide haben noch so viel Gemeinsamkeit offenbar, dass wir noch miteinander reden können. ;-)

Wie meinst du das jetzt? Reale Menschen im Sinne von "real existierende Menschen"? Das sind die Valar für mich mit Sicherheit nicht. Natürlich ist das nur eine Geschichte (nur ein Mythos). Oder meinst du damit, daß ich die Valar zu sehr als "Menschen" betrachte und nicht als mythische Gestalten?

Ich meinte letzteres.

Auf jeden Fall muß ich mir die Valar innerhalb der Erzählung ja irgendwie vorstellen, und da stelle ich sie mir halt wie "reale" Personen vor, die miteinander reden usw. Wie stellst du dir die Valar beim Lesen vor?

Ich stelle sie mir nicht vor. Lesen ist für mich ein rein geistiger Akt. Und die Valar sind für mich - im Gegensatz zu Frodo oder Sam - eben immer von Haus aus göttliche Wesen, deren Konflikte keine menschlichen sind, sondern eher kosmische.

ZITAT(Wando)Wenn dieser Konflikt heute nicht da wäre, hätte Tolkien ihn doch seinen Figuren nicht gegeben. Verstehst Du?
Ja, ich denke schon. Wäre heute hier in unserer Welt kein Konflikt zwischen Gut und Böse oder gäbe es vielleicht sogar das Böse nicht, hätte Tolkien einen solchen Konflikt nicht in seine Geschichten eingebracht – weil er dann keine reale Vorlage gehabt hätte und damit auch keine Veranlassung, so etwas zu schreiben. Geht das in die Richtung, die du meinst?

Ganz genau. Und darum kann man nicht sagen: Eru und Melkor hätten sich einfach mal aussprechen sollen, und dann wäre der Konflikt gelöst gewesen. Das wäre, als wenn man sagt: Bush und Saddam, Hitler und Roosevelt, Jesus und Satan - die hätten mal 'nen Bier miteinander trinken sollen, dann hätten sie sich schon versöhnt.

Das ist dann eben eine unzulässige Verharmlosung der Grundproblematik unserer Welt, die so festgefahren, so hartnäckig, vielleicht so angeboren ist, dass in vielen tausend Jahren keine Lösung gefunden werden konnte. Und deren Nicht-Lösung vielleicht die Erde einmal wird explodieren lassen.

Ich denke, Tolkien war sich dieser fatalen Grundproblematik bewusst und hat die Grundstruktur dieser Problematik zu erfassen gesucht.

Vielleicht bin ich mit dem Begriff "Schuld" etwas voreilig, aber soweit ich mich erinnere, ist Melkor für die Elben der Ursprung alles Bösen, von daher könnte man sagen, daß er die Schuld trägt an all dem Unheil, das über Arda gekommen ist. Es ist nicht so, daß ich unbedingt einen Schuldigen suche.

Aber wir sind keine Elben. Die Elben mögen das so deuten, aber werden sie von Tolkien allwissend dargestellt? Nein. Niemand wird von Tolkien allwissend dargestellt. Also müssen wir uns selber einen Kopf machen. Tolkien hat die Geschichten geschrieben, nicht die Elben. Und er hat viel Material zusammengestellt, damit wir aus all dem unsere Schlüsse ziehen können. Blind die Sicht der Elben übernehmen, ist nicht Sinn von Literatur. Hier liegt keine Religion vor, keine Heilige Schrift, die man wortwörtlich zu glauben hat. Der kritische Mensch ist immer gefragt (auch bei sogenannten Heiligen Schriften übrigens).

ZITAT(Wando)Und wie sollte Melkor denn ein Fehler sein?

Darauf hatte mich dieses Zitat von dir gebracht:

ZITAT(Wando)Tolkien hat, bewusst oder unbewusst, in seinen Text hieneingeschrieben, dass Eru einen Fehler gemacht hat

Das habe ich auf Melkor bezogen.

Dieser Satz von mir meinte, dass Eru einen Fehler gemacht hat, als er Melkor nicht als seinen eigenen Gedanken erkannte und Melkor für das bestrafte, was aus ihm, Eru, sleber kam.

Ist nur eine Überlegung. Aber irgendwie war doch mal die Rede davon, daß auch Eru nicht frei von Fehlern war; daß entweder die Erschaffung Melkors aus seinen Gedanken bewußt geschah oder aber ein Versehen war. Eru hat dann erleben müssen, daß dieser Melkor-Gedanke sich selbständig gemacht und gegen ihn rebelliert hat, und da er zunächst Zorn gezeigt hat, könnte man das so auslegen, daß er mit Melkor nicht einverstanden war und ihn – vielleicht – in diesem Moment als Fehler angesehen hat. Ein Fehler, den er aber nicht ausgemerzt hat, sondern dem er eine Chance gegeben hat.

Wie gesagt, ich interpretiere nur und mache mir meine eigenen Gedanken.

Das sollst Du ja auch - aber irgendwie kommt mir das, was Du da geschrieben hast, wie ein Mix aus den unterschiedlichsten Ansichten, die hier formuliert wurden, vor. Mir fehlt dabei Deine eigene Sicht, Dein Konzept, wie Du das alles für Dich integrierst.

Oder ich kann's nicht erkennen - ist auch möglich. ;-)

Liebe Grüße

Wando

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Ja und nein viellelicht. Wenn zwei Menschen die gleiche gedankliche Ausgangsbasis haben, können sie zusammen das ganze Werk Tolkiens durchgehen und gemeinsam alles zu klären versuchen. Das wäre schon durchaus Stoff für viele Jahre. Wenn man aber schon im Vorfeld unterschiedliche Herangehensweisen hat, kommt man niemals voran und erschöpft sich in der Diskussion dieser Unterschiede. In der Regel kommt dann nicht ein einziges Ergebnis zustande.

Da magst du Recht haben. Vielleicht sollten wir mal klären, ob wir zu Melkor überhaupt übereinstimmende Ideen und Überlegungen haben?

Aber immerhin - wir beide haben noch so viel Gemeinsamkeit offenbar, dass wir noch miteinander reden können. ;-)

Das ist doch was ;-)! Wär ja schade, wenn diese interessante Diskussion jetzt scheitern würde.

Wie meinst du das jetzt? Reale Menschen im Sinne von "real existierende Menschen"? Das sind die Valar für mich mit Sicherheit nicht. Natürlich ist das nur eine Geschichte (nur ein Mythos). Oder meinst du damit, daß ich die Valar zu sehr als "Menschen" betrachte und nicht als mythische Gestalten?
Ich meinte letzteres.

Dann habe ich das Problem, daß ich mir die Valar nur aufgrund dessen vorstellen kann, wie sie im Sil beschrieben bzw. dargestellt werden. Auch unter dem Gesichtspunkt, daß es ja "göttliche" Wesen sind, die mit nichts zu vergleichen sind, kommen sie im Sil aber dennoch bisweilen relativ "menschlich" rüber – von ihren Verhaltensweisen, ihren Gefühlen, ihrem Umgang mit den Elben.

Ich stelle sie mir nicht vor. Lesen ist für mich ein rein geistiger Akt.

Hm, hast du beim Lesen denn keine Bilder von den betreffenden Personen im Kopf? Ich hatte nach dem zweiten Lesen des Sil eine recht klare Vorstellung, zumindest von einigen der Valar, inklusive Melkor. Der stand mir nach dem zweiten Lesen so deutlich vor Augen, daß ich ihn gezeichnet habe. Jeder hat doch eigentlich beim Lesen des Buchs eine andere Vorstellung der Charaktere. Hast du da überhaupt keine?

Und die Valar sind für mich - im Gegensatz zu Frodo oder Sam - eben immer von Haus aus göttliche Wesen, deren Konflikte keine menschlichen sind, sondern eher kosmische.

Kosmische Probleme z. B. in bezug auf den Umgang mit Melkor und die Ausarbeitung der Welt, menschliche Probleme im Umgang mit den Elben. Von beidem etwas, finde ich.

Ganz genau. Und darum kann man nicht sagen: Eru und Melkor hätten sich einfach mal aussprechen sollen, und dann wäre der Konflikt gelöst gewesen.

Naja, so direkt habe ich das auch nicht gemeint, abgesehen davon, daß ich eh nicht glaube, daß sie das getan hätten. Mir ging es darum, daß die Valar Melkor von Anfang an links liegengelassen und ausgestoßen haben, daß sie von Anbeginn an Angst vor ihm hatten und ihn nicht verstanden haben. Keiner der Valar hat jemals versucht, herauszufinden, warum Melkor so geworden ist, sogar sein eigener Bruder nicht. Da gab es nur Ignoranz und Ablehnung.

Dieser Satz von mir meinte, dass Eru einen Fehler gemacht hat, als er Melkor nicht als seinen eigenen Gedanken erkannte und Melkor für das bestrafte, was aus ihm, Eru, sleber kam.

Alles klar. Dann war Melkor sozusagen Erus Sündenbock für dessen eigene Unzulänglichkeiten.

Mir fehlt dabei Deine eigene Sicht, Dein Konzept, wie Du das alles für Dich integrierst.

Sorry, wenn meine Gedankengänge etwas verwirrend waren; ich versuche, sie jetzt mal zu ordnen ;-).

Zusammengefaßt sieht meine Überlegung so aus:

Eru hat Melkor bewußt anders erschaffen. Er war kein fehlgegangener Gedanke von ihm. Eru wußte um das Prinzip von Gut und Böse und er wußte auch, daß es das eine nicht ohne das andere geben kann und daß die Schöpfung ohne Kontraste und Gegensätze (und ohne das Böse) nicht vollkommen sein würde. Er wählte einen seiner Ainur aus, diesen Gegensatz zu repräsentieren, und dieser eine war Melkor. Ob das der Grund war, warum er Melkor die größte Macht verlieh, sei dahingestellt. Eru wußte aber vielleicht nicht genau, wie Melkor diese "Andersartigkeit" ausdrücken würde und war deshalb während der Ainulindale zunächst erbost darüber, was Melkor tat. Doch dann wurde ihm klar, daß genau diese Form der Andersartigkeit seine Schöpfung bereichern würde, und deshalb erlaubte er Melkor, nach Arda hinabzusteigen.

Melkor wiederum fühlte sich durch Eru sozusagen gegängelt und daran gehindert, seine Macht tatsächlich zu erproben und auszuleben. Aus dieser Unzufriedenheit wuchs allmählich Unmut und dann Zorn. Er hatte vielleicht begriffen, daß er im Grunde nur Erus Marionette ist, sein "Werkzeug", wie Eru ja selber sagte. Durch die große Macht und den Wunsch, selbst Dinge zu erschaffen und über andere zu herrschen – und vielleicht auch, weil er einen Teil der dunklen Seite von Erus Persönlichkeit abbekommen hatte – wurde Melkor zu dem, was er war.

Das ist meine Grundüberlegung, auf der ich – oder wir – aufbauen können.

Wie siehst du das ganze?

Diese Frage geht natürlich auch an alle anderen Interessierten :-)!

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  • 5 Monate später...

Er hatte vielleicht begriffen, daß er im Grunde nur Erus Marionette ist, sein "Werkzeug", wie Eru ja selber sagte. Durch die große Macht und den Wunsch, selbst Dinge zu erschaffen und über andere zu herrschen – und vielleicht auch, weil er einen Teil der dunklen Seite von Erus Persönlichkeit abbekommen hatte – wurde Melkor zu dem, was er war.

Wie siehst du das ganze?

Diese Frage geht natürlich auch an alle anderen Interessierten :-)!

Ich klinke mich mal bei eurer Diskussion einXD

Da Melkor der am meisten beschenkte der Ainur war, vermute ich, dass er erkannt hat, das Eru theoretisch über alles bestimmte, und deshalb durch seine Taten versucht hat dem irgendwie zu entgehen. Schließlich hat er es ja bereits bei dem Gesang geschafft etwas unvorhergesehenes zu tun.^^

Er ist meiner Meinung nach auch nicht das rein böse, genauso wenig, wie Manwe das rein gute ist. Sie sind nur anfälliger von verschiedenen Aspekten. (Manwe z.B kan auch schon seine unfreiheit erkannt gehabt haben, und sich genau deswegen Eru 'ergeben'. Somit hat er genau das Gegenteil von Melkor getan)

Melkor ist eine sehr interessante person, Sein reich soll ja, bevor die Valar ihn gestürzt haben auf seine Weise schön gewesen sein, hätten die Valar ihn gelassen, wer wei was dann passiert wäre....

Es ist ja verständlich, dass Melkor die elben hasst, wenn er wegen ihnen gestürzt wird...

Für mich sind die Valar im allgemeinen etwas unbestimmbares, unergründbares, was trozdem irgendwie durchsichtig und leicht zu durchschauen ist.... Nicht das ich jetzt verstehe, warum sie was tun, aber irgendwie sind sie für mich Facettenlos, und in einer gewissen Hinsicht aragotn und willenlos....Andererseits faszinieren sie mich, durch ihre menschliche und doch genau gegensätzliche Art, Also bilden sie für mich einen Mischmasch aus Mythos und sehr Menschlichen eingenarten....

ich hoffe, dass ich jetzt nicht zu durcheinander geschrieben habe><

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Melkor ist eine sehr interessante Figur in Tolkiens Mythologie und ich habe beim Lesen von Morgoth's Ring (HoME X) besonders darauf geachtet.

Es geht darum:

But as the theme progressed, it came into the heart of Melkor to interweave matters of his own imagining that were not in accord with the theme of Ilúvatar; for he sought therein to increase the power and glory of the part assigned to himself. To Melkor among the Ainur had been given the greatest gifts of power and knowledge, and he had a share in all the gifts of his brethren; and he had gone often alone into the void places seeking the Imperishable Flame. For desire grew hot within him to bring into Being things of his own, and it seemed to him that Ilúvatar took no thought for the Void, and he was impatient of its emptiness. Yet he found not the Fire, for it is with Ilúvatar. But being alone he had begun to conceive thoughts of his own unlike those of his brethren.

Melkor wird hier beschrieben als der Ainur, dem von Ilúvatar die größten Gaben verliehen worden ist und der auch Anteil an den Gaben der anderen hat. Melkor wird hier charakterisiert als jemand, der auch gerne einmal seine eigenen Wege geht, der sich öfter von den anderen trennt. Seine Motivation war hier nicht schlecht und nicht böse, nein, er wollte nur die Kraft und Herrlichkeit des ihm zugewiesenen Anteils erhöhen und eigene Dinge hervorbringen, eigene Dinge in einem Bereich, den Ilúvatar nicht zu berücksichtigen schien. Und weil er oft alleine war, hatte er halt auch eigene Gedanken. Soweit ist das nicht ungewöhnlich und auch nicht böse.

Das scheint grundsätzlich in Ordnung zu sein, denn schließlich lesen wir:

Then said Ilúvatar: ‘Of the theme that I have declared to you, I will now that ye make in harmony together a Great Music. And since I have kindled you with the Flame Imperishable, ye shall show forth your powers in adorning this theme, each with his own thoughts and devices, if he will. But I will sit and hearken and be glad that through you great beauty has been wakened into song.’

Wir lesen hier Ilúvatars Worte ‘ye shall show forth your powers in adorning this theme, each with his own thoughts and devices, if he will’. Das klingt nun gar nicht so, als ob Melkors eigene Wege grundsätzlich von Ilúvatar verboten worden wären. Doch dann lesen wir:

Then Ilúvatar spoke, and he said: ‘Mighty are the Ainur, and mightiest among them is Melkor; but that he may know, and all the Ainur, that I am Ilúvatar, those things that ye have sung and played, lo! I will show them forth, that ye may see what ye have done. And thou, Melkor, shalt see that no theme may be played that has not its uttermost source in me, nor can any alter the music in my despite. For he that attempteth this shall be but mine instrument in the devising of things more wonderful, which he himself hath not imagined.’

Hier wird Melkor von Ilúvatar jede eigene Kreativität abgesprochen. Ilúvatars Worte verfehlen ihre Wirkung nicht:

Then the Ainur were afraid, and they did not yet comprehend the words that were said to them; and Melkor was filled with shame, of which came secret anger. But Ilúvatar arose in splendour, and he went forth from the fair regions that he had made for the Ainur; and the Ainur followed him.

Hier wird schon der Keim gelegt für den Hass, der Melkors nachher getrieben hat. Ilúvatar setzt dann dem bereits Gesagten noch die Krone auf:

Ilúvatar said again: ‘Behold your Music! This is your minstrelsy; and each of you that had part in it shall find contained there, within the design that I set before you, all those things which it may seem that he himself devised or added. And thou, Melkor, wilt discover all the secret thoughts of thy mind, and wilt perceive that they are but a part of the whole and tributary to its glory.’

Die Geschichte geht weiter... Die anderen bauen schließlich die Welt auf und Melkor sieht die Welt und wird eifersüchtig. Die Schönheit der Erde in ihrem Frühling füllte ihn noch mehr mit Hass.

Schöne Grüße,

viator

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Wir lesen hier Ilúvatars Worte ‘ye shall show forth your powers in adorning this theme, each with his own thoughts and devices, if he will’. Das klingt nun gar nicht so, als ob Melkors eigene Wege grundsätzlich von Ilúvatar verboten worden wären.

Doch, genau danach klingt es. Als Beleg benötigt man nur die Zitate, die du bereits angeführt hast (Wieso zitierst du eigentlich aus "Morgoth's Ring" und nicht aus dem Silmarillion? Der Text ist doch der gleiche. :kratz: ):

Then said Ilúvatar: ‘Of the theme that I have declared to you, I will now that ye make in harmony together a Great Music. And since I have kindled you with the Flame Imperishable, ye shall show forth your powers in adorning this theme, each with his own thoughts and devices, if he will. But I will sit and hearken and be glad that through you great beauty has been wakened into song.’

Kapellmeister Ilúvatar bestimmt die Akkordstruktur, auf der sich die Jam-Session-Musiker nach Lust und Laune austoben können ("ye shall show forth your powers in adorning this theme, each with his own thoughts and devices"). (Übrigens liebe ich Jam Sessions, aber das gehört nicht hierher. 8-) ) Da dabei Musik (sogar "a Great Music") entstehen soll und kein Lärm, müssen sich die Session-Musiker nicht nur in der vorgegebenen Akkordstruktur bewegen, sondern auch ein Ohr für einander haben: auf einander hören, sich in Sachen "Groove, Melodieführung, Tempo und Feeling" aufeinander abstimmen: "I will now that ye make in harmony together a Great Music".

All' das (Ilúvatars "theme", "harmony", "together") ignoriert Melkor, weil seine eigenen Black-Metal-Riffs die ganze übrige Band mitsamt Kapellmeister übertönen sollen ("it came into the heart of Melkor to interweave matters of his own imagining that were not in accord with the theme of Ilúvatar; for he sought therein to increase the power and glory of the part assigned to himself.") Es ist nun nicht nur so, dass die Freiheit des einen dort aufhört, wo sie die Freiheit der anderen einschränkt, es ist in den Proberäumen Ardas auch an der Tagesordnung, dass selbstverliebte Pinsel aus der Jam Session rausgeschmissen werden und nach Hause gehen dürfen. Musik ist Teamwork, in South London genauso wie in Erus Hallen. Doch der Egoist hat die Grundprinzipien des Musizierens nicht begriffen.

Die Ironie in solchen mythologischen Schöpfungsmusiken ist: Wer absichtlich falsch spielt, wird dennoch von der vorgegebenen Akkordstruktur dirigiert, denn das Falschspiel setzt eine Orientierung an der Harmonie voraus: in Form des absichtlichen Abweichens von den Akkorden, die immer im Auge behalten werden müssen, damit die Kakophonie eine Kakophonie bleibt.

Eigentlich ganz einfach. :kratz:

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Die Melkor-Figur ist aus der Perspektive der Elben geschildert, und damit zu einem großen Teil aus der Perspektive derjenigen Valar, die Melkor nicht verstehen können. Der Leser muss diese Perspektive nicht übernehmen - Tolkien hat dies nicht zwingend erforderlich gemacht. Ganz im Gegenteil. Gerade dadurch, dass er ausdrücklich die Elbenperspektive gewählt hat, ist die Wahl einer anderen Perspektive ermöglicht worden. Tolkien als Dichter hat Möglichkeiten hineinkomponiert, andere Perspektiven aufzudecken. Es kommt immer darauf an, welche der Leser wählen will, welche ihn überzeugt. Darum gibt es verschiedene Deutungsmöglichkeiten, nicht nur eine.

Melkor ist eine sehr interessante Figur in Tolkiens Mythologie und ich habe beim Lesen von Morgoth's Ring (HoME X) besonders darauf geachtet.

Es geht darum:

But as the theme progressed, it came into the heart of Melkor to interweave matters of his own imagining that were not in accord with the theme of Ilúvatar; for he sought therein to increase the power and glory of the part assigned to himself. To Melkor among the Ainur had been given the greatest gifts of power and knowledge, and he had a share in all the gifts of his brethren; and he had gone often alone into the void places seeking the Imperishable Flame. For desire grew hot within him to bring into Being things of his own, and it seemed to him that Ilúvatar took no thought for the Void, and he was impatient of its emptiness. Yet he found not the Fire, for it is with Ilúvatar. But being alone he had begun to conceive thoughts of his own unlike those of his brethren.

Melkor wird hier beschrieben als der Ainur, dem von Ilúvatar die größten Gaben verliehen worden ist und der auch Anteil an den Gaben der anderen hat. Melkor wird hier charakterisiert als jemand, der auch gerne einmal seine eigenen Wege geht, der sich öfter von den anderen trennt. Seine Motivation war hier nicht schlecht und nicht böse, nein, er wollte nur die Kraft und Herrlichkeit des ihm zugewiesenen Anteils erhöhen und eigene Dinge hervorbringen, eigene Dinge in einem Bereich, den Ilúvatar nicht zu berücksichtigen schien. Und weil er oft alleine war, hatte er halt auch eigene Gedanken. Soweit ist das nicht ungewöhnlich und auch nicht böse.

Das scheint grundsätzlich in Ordnung zu sein, denn schließlich lesen wir:

Then said Ilúvatar: 'Of the theme that I have declared to you, I will now that ye make in harmony together a Great Music. And since I have kindled you with the Flame Imperishable, ye shall show forth your powers in adorning this theme, each with his own thoughts and devices, if he will. But I will sit and hearken and be glad that through you great beauty has been wakened into song.'

Wir lesen hier Ilúvatars Worte 'ye shall show forth your powers in adorning this theme, each with his own thoughts and devices, if he will'. Das klingt nun gar nicht so, als ob Melkors eigene Wege grundsätzlich von Ilúvatar verboten worden wären. Doch dann lesen wir:

Then Ilúvatar spoke, and he said: 'Mighty are the Ainur, and mightiest among them is Melkor; but that he may know, and all the Ainur, that I am Ilúvatar, those things that ye have sung and played, lo! I will show them forth, that ye may see what ye have done. And thou, Melkor, shalt see that no theme may be played that has not its uttermost source in me, nor can any alter the music in my despite. For he that attempteth this shall be but mine instrument in the devising of things more wonderful, which he himself hath not imagined.'

Hier wird Melkor von Ilúvatar jede eigene Kreativität abgesprochen. Ilúvatars Worte verfehlen ihre Wirkung nicht:

Then the Ainur were afraid, and they did not yet comprehend the words that were said to them; and Melkor was filled with shame, of which came secret anger. But Ilúvatar arose in splendour, and he went forth from the fair regions that he had made for the Ainur; and the Ainur followed him.

Hier wird schon der Keim gelegt für den Hass, der Melkors nachher getrieben hat. Ilúvatar setzt dann dem bereits Gesagten noch die Krone auf:

Ilúvatar said again: 'Behold your Music! This is your minstrelsy; and each of you that had part in it shall find contained there, within the design that I set before you, all those things which it may seem that he himself devised or added. And thou, Melkor, wilt discover all the secret thoughts of thy mind, and wilt perceive that they are but a part of the whole and tributary to its glory.'

Die Geschichte geht weiter... Die anderen bauen schließlich die Welt auf und Melkor sieht die Welt und wird eifersüchtig. Die Schönheit der Erde in ihrem Frühling füllte ihn noch mehr mit Hass.

Schöne Grüße,

viator

Dieser Sicht stimme ich von der Grundausrichtung zu. Tolkien hat hier eine grundsätzliche Problematik veranschaulicht: die zwischen Entwicklung kreativer Gaben und Unterordnung. Das ist der Grundkonflikt unserer gesamten Kultur. Vielleicht auch des Menschen selbst. Einerseits spürt er den Drang nach Neuem, andererseits gehorcht er gerne und gibt seine eigenen Ziele auf. Der zu Gehorsam angeleitete Mensch bedeutet letztendlich immer eine Gefahr, weil da an sein Herdeninstinkt appelliert wird. Falls mal eine Diktatur entsteht, rebelliert dieser Mensch nicht.

Rebellen werden in allen Diktaturen kriminalisiert. Da sie Gesetze brechen, die von den Diktatoren aufgestellt wurden, kann man sie unschädlich machen, indem man sie für kriminell erklärt.

Melkor symbolisiert das. Ähnlich wie Prometheus, der den Göttern zuwiderhandelte, die den Menschen das Feuer vorenthalten wollten und der dafür grausam bestraft wurde, ist Melkor der Urrebell, der sich die Ausübung seiner Kreativität nicht verbieten lassen möchte.

In dem Schicksal von Melkor wird - in meinen Augen - das Schicksal unserer Kultur nachgezeichnet. Weil bestimmte Freiheiten verboten und kriminalisiert wurden, wurde die so unterdrückte Seite quasi in den Untergrund getrieben und übt nun nur noch Rache aus. Das ursprünglich Kreative und Konstruktive hat sich ins Destruktive verwandelt.

Hier scheiden sich die Geister. Die einen sind der Meinung, die Harmonie der Ainur sei das Ideal, und wer sich nicht anpasst, muss bestraft oder zur Anpassung gezwungen werden -

andere sind der Meinung, dass Melkor von Anfang an ein sehr wertvolles Element der Kulturbildung in sich getragen hat, dass die anderen aus Gehorsamstrieb nicht dulden wollten und so in das Gegenlager getrieben haben. Und dadurch das Übel der Welt entstanden sei, wie wir es bis heute beobachten können. Der Ruf nach dem starken Mann oder nach dem allmächtigen Gott, der darauf pocht, dass seine Gesetze blind eingehalten werden, ansonsten grauenvolle Strafe drohe, ist lebendiger denn je.

Deshalb kann das Studium der Melkorfigur und der Eru-Figur durchaus Erkenntnisse vermitteln, was in unserer Kultur schiefgelaufen ist.

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Melkor verhält sich nicht konstruktiv, sondern destruktiv. Er setzt seine Kreativität (eine positive Eigenschaft) auf egoistische Weise ein und verhindert damit, dass sich alle anderen entfalten und verwirklichen können. Dieser Egoismus zeichnet eigentlich alle tolkienschen Bösewichte aus.

Die Melodien Manwes, Aules, Yavannas etc. können noch so schön und durchdacht sein - sie werden durch Melkors Falschspiel zerstört, da der Gesamtklang der Musik dissonant und so chaotisch wird, dass bald niemand mehr weiss, was er spielen soll. Ordnung wird zu Chaos, die Musiker haben keine Orientierungspunkte mehr, allen wird die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung genommen, nur weil ein einzelner nicht begreift, dass man sich in der Musik nur verwirklichen kann, wenn man mit seinen Mitmusikern zusammenarbeitet, nicht gegen sie.

Bezeichnend ist übrigens, dass Tolkien "Ordnungsliebe" als eine der wenigen anfänglichen positiven Eigenschaften Saurons anführt:

"Sauron had never reached this stage of nihilistic madness. ['this stage of nihilistic madness' meint hier Melkors späteren Wunsch, die Schöpfung in reines Chaos zu verwandeln] He did not object to the existence of the world, so long as he could do what he liked with it. He still had the relics of positive purposes, that descended from the good of the nature in which he began: it had been his virtue (and therefore also the cause of his fall, and of his relapse) that he loved order and coordination, and disliked all confusion and wasteful friction. (It was the apparent will and power of Melkor to effect his designs quickly and masterfully that had first attracted Sauron to him.)"

(The History of Middle-earth X, Morgoth's Ring, Myths Transformed)

Somit fand selbst Sauron Melkors musikalischen Egotrip unmöglich, grausam.

Desweiteren meint Tolkien: Böse Dinge in Arda (sicher Geister, Monstren und dergleichen) entstanden aus der Dissonanz, dem Auseinanderklingen der Töne von Erus und Melkors jeweiligen "Themen". Diese bösen Dinge hatte Melkor nicht einmal geplant, sind aber dennoch aus der erzeugten Dissonanz hervorgegangen, als sei es ein Naturgesetz im beschriebenen Kosmos, dass Dissonanz und aggressiver Konflikt nur immer wieder neue negative Folgen haben können, böse Dinge, die sogar Melkor hassen:

"Out of the discords of the Music - sc. not directly out of either of the themes, Eru's or Melkor's, but of their dissonance with regard one to another — evil things appeared in Arda, which did not descend from any direct plan or vision of Melkor: they were not 'his children'; and therefore, since all evil hates, hated him too."

(The History of Middle-earth X, Morgoth's Ring, Myths Transformed)

Daran kann man sehen, dass auch Tolkien Melkors Egotrip nicht befürwortet.

Ilúvatar andererseits meint: "Na gut, so sei es denn. Ich habe dich, Melkor, deutlich ermahnt, aber es hilft nichts. Ich werde alle deine (fragwürdigen) Beiträge akzeptieren und in die Schöpfung aufnehmen." Natürlich muss es so sein, denn die Mythologie beschreibt die Ursprünge der Welt, in der nun einmal nicht immer eitel Sonnenschein herrscht.

Wer Melkors Egotrip als Rebellion gegen Eru Ilúvatars totalitäres Nazi-Regime interpretiert, versteht das von Tolkien gewählte literarische Motiv der Musik überhaupt nicht. In einer Jam Session hat jeder Musiker alle Freiheiten der Welt. Er kann nach Herzenslust solieren, er kann kleine melodische Ornamente und Vignetten einflechten, zu denen er ganz allein inspiriert wurde, er kann durch seine Musik oder durch Gesten die anderen sogar dazu inspirieren, Tempo, Dynamik, Klangfülle und Stilrichtung zu wechseln. Er muss lediglich Rücksicht auf die anderen nehmen und ein offenes Ohr haben, damit er die Werke der anderen nicht zerstört. Um die Selbstverwirklichung jedes einzelnen zu gewährleisten, brauchen alle Musiker eine gemeinsame musikalische Basis, damit sie eine Orientierung haben und sich tonal und rhythmisch nicht gegenseitig vernichten: Ilúvatars "theme", Grundmelodie, Grundmotiv. Das Motiv hat die Funktion, die Selbstverwirklichung jedes einzelnen Musikers zu ermöglichen, denn es gibt keine Selbstverwirklichung für alle ohne ein Miteinander, und es gibt kein Miteinander ohne einen gemeinsamen Nenner.

So ist es in der Musik. Und so ist es natürlich auch in der Gesellschaft. Zum Glück wird man keine Gesellschaften finden, in denen das Töten des Nachbarn befürwortet wird. Antisoziale, Nihilisten und Psychopathen mögen das bedauern, aber ich bin recht froh, dass Tolkien auf dem Teppich bleibt und keinen antisozialen Egoismus propagiert.

Bearbeitet von Rübezahl
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