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Was ist canon in Tolkiens Werken?


Artanis

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Akzeptiert ihr z.B. die unfinished tales oder zumindest Teile davon als canon? Z.B. Galadriel, wenn man mal ihre separate Abreise außer Acht lässt, akzeptiert ihr alles andere, was Tolkien in den UT über sie berichtete als canon. Ich meine hiermit ihr steigender Status und ihre Ebenbürtigkeit mit Feanor und die Stelle wo Tolkien behauptet sie sei mit Feanor zusammen die größten der Noldor.

Galadriel was the greatest of the Noldor, except Fëanor maybe, though she was wiser than he, and her wisdom increased with the long years.

These two kinsfolk, the greatest of the Eldar of Valinor, were unfriends for ever.

Jetzt müsste man erst mal klarstellen was great in diesen Fall bedeutet. Für mich umfasst es Ansehen, Einfluss und "inherent power".

In diesen Punkten wär sie dann auch Fingolfin, Feanors Söhnen und Fingolfins Söhnen überlegen.

...In this he (Tolkien) emphasized the commanding stature of Galadriel already in Valinor, the equal if unlike endowments of Fëanor; and it is said here that so far from joining in Fëanor's revolt she was in every way opposed to him.

Viele sehen das nicht als die "Wahrheit" an, weil die Geschichten aus den UT sich mit veröffentlichten Werken widersprechen. Nun sehe ich die Unstimmigkeiten bei Galadriel nicht, (außer die separate Abreise) da sie schon in anderen Weken als "great" beschriben wird.

Sie wird in den unfinished tales als Feanor ebenbürtig beschrieben, ist das für euch mit Tolkiens anderen Schriften vereinbar? Feanor wurde immer als ganz besonderer Elb bezeichnet und dann kommt da als späterer Gedanke Galadriel hinzu.

Viele argumentieren das Tolkien ihre Größe in gewissen Situation hätte zeigen müssen (was sie für mich in einen gewissen Grad auch tut) ich denke aber, da es Tolkeins Welt ist, kann er behaupten was er will ohne unbedingt die nötigen Beweise dazu zu bringen, es wäre natürlich schön wenn er das tut.

Bearbeitet von Artanis
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Ich glaube, Artanis, du gehst von völlig falschen Voraussetzungen aus.

Wenn wir vom "Mittelerde-Universum" sprechen ist außer dem Hobbit und dem HdR nichts zu Lebzeiten des Professors veröffentlicht worden. Im Grunde dürften also auch nur diese beiden als Kanon gelten, da der Professor sie so und nicht anders zur Veröffentlichung freigegeben oder später (für die Neuauflagen) noch selbst bearbeitet hat.

All die anderen Werke, wie z.B. das Silmarillion oder die Unfinished Tales sind erst posthum von seinem Sohn Christopher aus unterschiedlichen, nichtveröffentlichen Texten aus dem Nachlass des Professors zusammengestellt (teilweise sogar angepasst, damit sich halbwegs kohärente Geschichten ergeben haben) und veröffentlicht worden. Wir wissen nicht, ob diese Zusammenstellung letztlich oder überhaupt die Billigung seines Vaters für eine Veröffentlichung gefunden hätten.

Später hat dann Christopher beschlossen, dass er eigentlich die vielen weiteren Texte und Fragmente, die sein Vater im Laufe seines Lebens zu diesem Thema verfasst hatte, der Leserschaft auch zugänglich machen möchte, damit eine bessere literaturgeschichtliche Einordnung und auch Würdigung des Werks des Professors möglich werden sollte.

Also hat er fast alles zusammengestellt und teilweise mit Kommentaren versehen, was da noch so (kistenweise!) an Entwürfen, Varianten und Versuchen vorhanden war und daraus wurde dann die "History of Middle-Earth" in zwölf Bänden.

In der HoME ist im Wesentlichen der Schaffensprozess Tolkiens über die vielen Jahre seines Lebens zusammengefasst, was Mittelerde angeht. Also all die unterschiedlichen Varianten, die er z.B. zu unterschiedlichen Themen oder Figuren entworfen hat, verworfene und manchmal wiederaufgegriffene Ideen, Entwürfe, mehrfach neugeschriebene und immer wieder im Detail veränderte Handlungsstränge etc.

All das ist im Grunde auch Kanon, da es (mehr oder minder direkt) aus der Feder des Professors stammt.

Es ist aber auch nicht mehr oder weniger Kanon als das, was Christopher im Silmarillion oder den Unfinished Tales zusammengestellt hat, denn auch da handelt es sich ja um Fragmente, die er willlkürlich dem gesamten Nachlass seines Vaters entnommen hat. Er hat dafür lediglich solche Textstücke gewählt, die von ihrer Struktur her eine halbwegs brauchbare Geschichte ergaben. Und wo die Details nicht ganz gepasst haben, hat er Teile davon weggelassen oder sogar geringfügig verändert.

Die Handlung oder die Personen, die du aus dem Silmarillion kennst, sind also nicht authentischer als das, was in den UTs (oder sonstwo in der HoME) steht. Beide Seiten sind jeweils nur immer ein Stadium von vielen möglichen Stadien bzw. Varianten, die der Professor im Lauf seines Lebens immer wieder neu erfunden und umgeschrieben hat.

Edit: Nach Caddys Einwurf korrigiert.

Bearbeitet von Avor
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Die Unfinished Tales 1 und 2 sind nur die ersten beiden Bände davon und auch die einzigen, die ins Deutsche übersetzt wurden.

[…]

Die Handlung oder die Personen, die du aus dem Silmarillion kennst, sind also nicht authentischer als das, was in den UTs 1 und 2 steht.

Die Unfinished Tales können zwar durchaus als "Band 0" der HoMe gelten, die ersten beiden Bänden sind dann aber doch die Lost Tales ;-)

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Gast Dunderklumpen

Ich glaube, Artanis, du gehst von völlig falschen Voraussetzungen aus.

Wenn wir vom "Mittelerde-Universum" sprechen ist außer dem Hobbit und dem HdR nichts zu Lebzeiten des Professors veröffentlicht worden. Im Grunde dürften also auch nur diese beiden als Kanon gelten [...]

In der HoME ist im Wesentlichen der Schaffensprozess Tolkiens über die vielen Jahre seines Lebens zusammengefasst, was Mittelerde angeht. [...]

All das ist im Grunde auch Kanon, da es (mehr oder minder direkt) aus der Feder des Professors stammt.

Das sehe ich ganz ähnlich, Avor. Gerade diese beiden Seiten sind zusammen wahr: auf der einen Seite ist das von Tolkien Autorisierte das, was er der Öffentilchkeit selber zur Verfügung gestellt hat, alles anderer hat er selber als öffentlichkeitsfähig nicht akzeptiert.

Und auf der anderen Seite ist das Endprodukt Resultat eines Schaffensprozesses (die Fettung dieses Wortes oben stammt von mir), der das Veröffentlichte wiederum verflüssigt und viele Schichten aufzeigt, die in dem Veröffentlichten dann mitschwingen, wenn man sie kennt.

Eine Begründung dafür, dass Christopher es für wichtig hielt, diese Vorstufen zu veröffentlichen, das jeweilige Datum der jeweiligen Niederschrift unter oft großen Mühen herauszufinden zu suchen und damit den Schaffensprozess zu dokuemntieren, hast Du hier geliefert ->

Später hat dann Christopher beschlossen, dass er eigentlich die vielen weiteren Texte und Fragmente, die sein Vater im Laufe seines Lebens zu diesem Thema verfasst hatte, der Leserschaft auch zugänglich machen möchte, damit eine bessere literaturgeschichtliche Einordnung und auch Würdigung des Werks des Professors möglich werden sollte.

Das, was ich gefettet habe, halte ich ebenfalls für wichtig. Die literatugeschichtliche - ich würde fast sagen, die kulturgeschichtliche - Einordnung und damit auch die Würdigung Tolkiens als Kulturschaffender ist überhaupt erst möglich, seit man den prozesshaften Charakter des Gesamtwerkes studieren kann. Eine Kanonisierung wäre hier das Allerfalscheste. Denn damit würde man sich der Möglichkeit berauben, herauszufinden zu suchen, um was das Werk Tolkiens die ganze Zeit kreist.

In der HoME ist im Wesentlichen der Schaffensprozess Tolkiens über die vielen Jahre seines Lebens zusammengefasst, was Mittelerde angeht.

Hier möchte ich noch einen Aspekt ausdrücklich hervorheben und damit den Mittelerde-Begriff erweitern:

In der HoMe sind auch die Romanfragmente "The Lost Road" und "Notion Club Papers" enthalten, die beide die Begegnung Menschen des Zwanzigsten Jahrhunderts mit den Numenor-Sagen schildern.

Christopher hat dazu eine Notiz Tolkiens veröffentlicht, die besagt, dass Tolkien auch diese beiden Romanfragmente mit der Eriol-Figur der "Lost Tales" zusammenschließen wollte.

Das Gesamtkonzept Tolkiens scheint also das, was manche "Mittelerde" nennen, als einen Ereignisort - Knotenpunkt oder Schnittpunkt oder Durchlaufort - zumindest zeitweise vorgesehen zu haben, eventuell es also auch so erlebt zu haben. Das wäre dann ein Ort, in dem sich alle vorhandenen Phantasien herumtummeln und wo einzelne Figuren daraus ein Ganzes zu schmieden zu suchen, ohne es doch je zu schaffen.

Auch "The Adventures of Tom Bomadil" - der Gedichtband - gehörte dann dazu, auch "Roverandom", auch "Smith of Wootton Major". Sie alle variieren ein Grundthema: die Begegnung mit diesem "Knotenpunkt". Oder noch anders ausgedrückt: das Grundthema schildert Grenzerfahrungen.

Die beiden Tolkienforscher Wayne G. Hammond und Christina Scull haben diesem "Gesamtkonzept" Tolkiens - das natürlich nur postuliert werden kann - dadurch noch eine Menge Material zugeführt, dass sie die frühen Zeichnungen und Bilder Tolkiens als eng verzahnt mit seinen Texten aufgewiesen haben. Zum einen haben sie diese Zeichnungen uns durch Veröffentlichung zugänglich gemacht, zum anderen haben sie durch chronologische Zuordnung gezeigt, dass Tolkien seine mythischen Phantasien in seiner Frühphase zunächst gezeichnet hat.

Also auch diese frühen Zeichnungen gehören in diesen Schaffensprozess hinein und wirken bis in die veröffentlichten Werke "Hobbit" und LotR hinein nach.

Fazit:

1. "Mittelerde" ist also vermutlich nichts Festes bei Tolkien, sondern ein Ort, wo sich eine bunte Vielfalt von Legenden, Sagen und seltsamen Mythen befinden, die aber offensichtlich von den Bewohnern irgendwie abgekoppelt zu sein scheinen, von einigen aber wiederentdeckt und verlebendigt werden können. Kanon wäre dann tatsächlich alles, was Tolkien je zu diesem Durchgangsort oder Grenzbereich fabuliert hat.

2. Im engen Sinne Kanon sind nur die von ihm veröffentlichten Werke, die aber - behaupte ich hier mal nur - ebenfalls einen Prozess schildern. Es handelt sich ja so gut wie immer um eine 'Quest', um Begegnungen mit Unbekanntem oder Verlorenem oder Vergessenem.

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