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FanFiction: Lolli und der Zauberer


Gast Schelmfried

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Gast Schelmfried

Lolli und der Zauberer

© 1997 by Olaf Trint

Er schwankte und fiel, griff vergebens nach dem Stein und glitt in den Abgrund. „Flieht, ihr Narren!", schrie er und war weg.

J.R.R. Tolkien: Der Herr der Ringe

Na ja, er war nicht wirklich weg. Er hielt sich eigentlich nur an die Gesetzmäßigkeiten der Schwerkraft und befand sich deshalb jetzt ein ganzes Stück tiefer als im Augenblick zuvor. Und jetzt noch ein Stück. Und noch eines. Und so weiter. Da er vorher noch nie in diesen Abgrund gefallen war, hatte er nicht die leiseste Ahnung, wie weit es denn da nach unten ging, bevor der Sturz ein vielleicht sehr abruptes Ende nehmen würde, aber das war nicht sein einziges Problem. Mal davon abgesehen, dass er durch dieses Missgeschick die Gefährten ohne einen Magiekundigen zurücklassen musste und erst etwa zehn Kapitel später wieder richtig ins Geschehen eingreifen konnte, hatte er auch noch immer dieses Ungetüm an den Beinen hängen. So ein Balrog war eine ernst zunehmende Angelegenheit, und der Zauberer war sich nicht wirklich sicher, ob er mit ihm so ohne weiteres fertig werden würde. Ein langer, harter und grausamer Kampf auf Leben und Tod stand vermutlich bevor, bei dem beide Kontrahenten bis an die Grenzen ihrer Möglichkeiten gehen würden, um den Sieg davon zu tragen.

„He Gandalf", rief der Balrog unter ihm plötzlich mit einer überraschend weiblich klingenden, piepsigen Stimme, „findest du nicht auch, dass wir jetzt langsam weit genug gefallen sind? Ich meine, die da oben können uns bestimmt nicht mehr sehen, und der Handlungsstrang ist auch nicht mehr in der Nähe. Ich für meinen Teil habe jedenfalls nicht die Absicht, dort unten mit voller Wucht aufzuschlagen, und da ich Flügel besitze, sogar in meiner wirklichen Gestalt, lässt sich das auch ziemlich einfach vermeiden. Allerdings habe ich keine Ahnung, wie es so um deine Flugkünste bestellt ist und wie du reagieren wirst, wenn ich mich gleich zurück verwandele. Nicht, dass du dir verarscht vorkommst und dich womöglich zu unbedachten, aggressiven Handlungen hinreißen lässt."

„Hä?", war alles, was der verblüffte Gandalf herausbrachte, bevor es aus dramaturgischen Gründen ´plop´ machte, es etwas blitzte und qualmte und aus dem riesigen, fies wirkenden Balrog ein etwa einen Fuß großes, pummeliges Etwas mit schmetterlingsartigen Flügeln und einem breiten Grinsen wurde.

„Hallo Gandalf, ich bin Lolli, die Waldfee", sagte Lolli, die Waldfee, „darf ich dir ein Plätzchen anbieten ... oder einen Fallschirm vielleicht?"

Der Zauberer wusste, dass das Böse viele Gestalten hatte, aber in einer solch seltsamen Form war es ihm bisher noch nicht begegnet. Eines musste man diesem Sauron lassen, es mangelte ihm nicht an Einfallsreichtum. Aber Gandalf hielt sich für schlau genug, um sich nicht überrumpeln zu lassen. Das Plätzchen war bestimmt vergiftet, und von einem Fallschirm hatte er zwar noch nie gehört, aber es konnte sich dabei doch nur um etwas besonders Hinterhältiges handeln. Der Zeitpunkt war gekommen, um ein bedeutungsschweres, unvergessliches Statement abzugeben und dann diesem Balrog-Lolli-Wesen zu zeigen, dass das Gute in Gandalfs Fall wirklich verdammt gut war.

„Also...äh...", setzte Gandalf an und hielt sofort wieder inne, denn er musste sich eingestehen, dass ihm just in diesem Augenblick nichts Passendes einfiel. Das ständige Herumgehänge mit Hobbits, Zwergen und Elben war der geistigen Kreativität offensichtlich nicht sehr förderlich, oder wurde er langsam alt? Früher jedenfalls waren die Phrasen und Weisheiten, wann immer er es gewollt hatte, einfach nur so aus ihm herausgesprudelt.

Platsch!

Und dann musste der Zauberer feststellen, dass die Abgründe von Moria, und dabei ganz speziell dieser hier, zwar tief aber nicht endlos tief waren. Er plumpste in dunkles, brackiges und stinkendes Wasser, dessen Frischhaltedatum schon seit geraumer Zeit abgelaufen war. Und weil er seinen Mund nicht rechtzeitig wieder geschlossen hatte, schluckte er eine ganze Menge von dem ekeligen Zeug.

„Pfui Spinne", keuchte Gandalf spuckend, als er wieder auftauchte und sah sich ängstlich nach eventuell anwesenden Chronisten um, die diesen eher wenig geistreichen Ausspruch hätten aufzeichnen können. Doch da war nur diese Lolli, die um seinen Kopf herumschwirrte.

„Möchtest du jetzt vielleicht ein Plätzchen, Gandalf", wollte sie wissen, „oder einen Rettungsring vielleicht?"

„Nein", knurrte der Zauberer, „stell dich zum Kampf, aber halt´ den Mund."

„Das ist aber nicht sehr höflich", entgegnete Lolli empört, „und außerdem macht es meinen schönen Plan kaputt. Na gut, dann eben anders."

Die Waldfee zückte ein Plätzchen, und völlig unerwartet warf sie es nach Gandalf und traf ihn ins Auge.

„Autsch! He, was soll denn das jetzt?", fragte Gandalf, doch als Antwort kam ihm nur ein Stück Kirschkuchen entgegengeflogen, gefolgt von einem Krapfen, zwei Haselnusspralinen und einem halben Dutzend ziemlich spitzer Zimtsterne. Mit einem Mal sah sich der Zauberer einem starken Backwerk-Bombardement ausgesetzt, das zwar nicht sehr gefährlich war, einem aber im wahrsten Sinne des Wortes reichlich auf den Keks ging. Aus einer Reaktion des Unmuts heraus schleuderte Gandalf einen kleinen, mickrigen Feuerball auf Lolli, gar nicht so sehr um sie zu verletzen, sondern nur um ihr zu zeigen, dass dieser ganze Quatsch jetzt mal ein Ende haben musste. Er erwischte sie voll, und zu seiner großen Überraschung ging sie in Flammen auf und war im nächsten Moment nur noch ein Häufchen Asche, das auf ihn herabrieselte.

„Verdammter Mist", fluchte Lolli und schleuderte das Control-Pad wütend in die Ecke ihres kleinen Baumhäuschens, während sich Jogi Moppelfuß vor Lachen kringelte.

„Hast du wirklich geglaubt, du könntest Gandalf mit vergifteten Plätzchen, einem explodierenden Fallschirm oder dem bleischweren Rettungsring reinlegen? So, jetzt bin ich dran."

Der Gnom drückte auf die Reset-Taste und der nun völlig perplexe Gandalf wurde aus dem Wasser gerissen, um zurück nach oben zu sausen und sich Sekunden später erneut am Rande des Abgrunds wiederzufinden, wo er sich noch einmal mit seinem Gegner duellieren musste.

Es dauerte nicht lange, da flackerte das unerfreuliche ´Game over´ ein weiteres Mal auf. Dieses Mal war es Lolli, die sich köstlich amüsierte.

„Ach Jogi", kicherte sie, „diese Holzschuh-Nummer hast du nicht wirklich ernst gemeint, oder?"

„Ich habe euch doch gleich gesagt", meinte eine tiefe Stimme hinter ihnen, „dass Gandalf eine harte Nuss ist. Ich bin immerhin die Treppen hoch bis auf den Turm gekommen."

Lolli und Jogi wirbelten herum.

„Halt´s Maul, Balrog!", riefen sie im Chor.

Bearbeitet von Schelmfried
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  • 3 Monate später...

HAHAHA...LOL! Gut!

Ziemlich gut gelungen, deine Story, aber irgendwie stellst du Gadalf als alten Trottel hin, der wegen Altersschwäche nicht mehr weiß, was er sagen soll...

Aber sonst eine gut gelungene Kurzgeschichte.

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Gast Schelmfried

Hallo Elito,

vielen Dank für Deinen netten Kommentar.

Ein bisschen habe Gandalf schon auf die Schippe genommen, aber auch hehre Lichtgestalten sollten ihre Schwächen haben, sonst finde ich sie langweilig. Legolas ist auch so einer. Am Anfang ist er ein edler Elb, und am Ende ist er ein edler Elb, der Zwerge nicht mehr ganz so sehr verachtet. Was für eine Entwicklung!

Gruß,

Schelmfried

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  • 4 Wochen später...

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