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Warum Ringe


MaethonOthenil

Empfohlene Beiträge

Geschrieben

Meine Tochter hat mich direkt schachmatt gemacht.

 

Ihre Frage : Warum wurden ausgerechnet Ringe der Macht geschmiedet , keine Broschen, Armbänder , Ohrringe, Gürtelschnallen etc. ?

 

Ich weiß was in RoP gesagt wurde, bezweifle aber dass es ursprünglich als originale Erklärung gedient hat.

 

Gibt es im Lore irgendwo eine Erklärung wieso es ausgerechnet Ringe für Finger sein mussten ?

 

LG und danke

Geschrieben

Das ist auf jeden Fall eine fantastische Frage!

Letztendlich gibt es dafür (Warum Tolkien einen Ring wählte) meines Erachtens zwei Erklärungsansätze, die allerdings die zugrunde liegende Frage nur ein wenig weiter in der Zeit zurückschieben und auch ein Stück weit ineinander greifen.

Der erste und auch kürzeste ist, dass Tolkien zunächst einmal den Hobbit als einzelnes Werk schrieb und die Ideen für den Herrn der Ringe erst später entstanden. Um diesen sinnvoll in seine bisherige Welt einzubetten, bzw. unmittelbar an den Hobbit anzuschließen, bedurfte es quasi eines Plot-Device, dass als Bindeglied zwischen den Geschichten fungierte. Hierüber schrieb Tolkien selbst:

"It is really given, and present in germ, from the beginning, though I had no conscious notion of what the Necromancer stood for (except ever-recurrent evil) in The Hobbit, nor of his connexion with the Ring. But if you wanted to go on from the end of The Hobbit I think the ring would be your inevitable choice as the link." (Brief 163 an W.H. Auden)

Die Idee des einen Herrscherringes war also einerseits eine erzählerische Notwendigkeit für den Autor. Andererseits geht das Motiv von mächtigen oder magischen Ringen über den Herrn der Ringe hinaus. Tolkien schrieb seine Werke unter anderem aus der Motivation einen Mythos zu erschaffen, der seiner Heimat Großbritannien in seinen Augen fehlte und bediente sich dabei massivst an Vorbildern aus europäischer Historie und Mythologie. Die Einflüsse der Edda sind bereits in den Namen seiner Charaktere unverkennbar, denn Gandalf, Frodo, Thorin, Bifur und viele weitere sind Namen von Zwergen aus der nordischen Helden- und Göttersage. In besagter Edda wird unter anderem das Andvaranaut besungen, das Geschenk des Zwergen Andvari. Ein goldener Ring, der in der Lage ist Gold zu vermehren, jedoch einen Fluch trägt, der seinem Träger den Tod bringt. Das ist zwar keine 1:1 Beschreibung des einen Rings, aber im Prinzip geht es bereits in die richtige Richtung. Auch Odin trägt einen magischen Ring: Draupnir, der sich selbst vervielfältigen kann. Es sei angemerkt, dass es sich dabei nicht nur um ein germanisches oder europäisches Konzept handelt, sondern Sagen, die von magischen Ringen handeln, auch in vielen anderen Kulturen, so auch im antiken Griechenland und Persien zu finden sind. Es gibt eine ganze Wikipedia-Seite nur zum Konzept magischer Ringe.

Nicht nur, dass ein magischer Ring also auch Teil einer seiner Vorlagen war, das Prinzip des magischen Ringes ist beinahe ein menschliches Universal also kommt fast überall vor. In meinen Augen liegt es schlicht daran, dass es kein simpleres Schmuckstück gibt. Ketten bestehen aus mehreren verflochtenen Ringen, Gürtelschnallen bestehen aus mehreren ineinander gesteckten, gebogenen Teilen und Broschen, Ohrringe, etc. bedürfen besonderer Mechanismen, um sie überhaupt am Körper zu halten. Ein Ring ist i.d.R. ein einfaches, solides Stück Metall, dass man sich ohne Weiteres anstecken kann und das dabei keine Kleidung, sondern einzig und alleine einen Finger bedarf, den wir Menschen eigentlich alle haben.

In der Lore selbst wird glaube ich kein Grund angegeben, warum es unbedingt Ringe sein müssen, aber ich schiebe hier einfach die Beweggründe Tolkiens vor und gehe davon aus, dass er es schlichtweg nicht für nötig hielt, diese Wahl innerhalb seines Universums zu rechtfertigen, da sie ihm ziemlich selbstverständlich vorgekommen sein muss.

  • Danke 1
  • weiter so 2
  • 1 Jahr später...
Geschrieben

Dieses Frage ist schon älter und von Eldacar sehr überzeugend beantwortet worden... Ich habe die Frage aber gerade zum ersten mal gelesen und sie hat mich zum Nachdenken gebracht. Ich glaube, Eldacar hat recht. Es ist bestimmt kein Zufall, dass Tolkin den Ring zu so einem zentralen Motiv gemacht hat. Bestimmt hat er da bewusst an eine literarische Tradition angeknüpft, wie du schon sagst.

Ich habe mal "Ring" in einem Lexikon literarischer Symbole nachgeschlagen. Dem Ring ist ein langer Artikel mit verschiedenen Bedeutungsdimensionen gewidmet. Die erste ist die der Bindung, Treue, Verantwortung - klassischerweise als Hochzeitsring umgesetzt. Das lässt sich in veränderter Form natürlich auf den Herrn der Ringe anwenden, schließlich gehen die Ringträger eine Bindung zum Herrn der Ringe ein. Und zwar durchaus bewusst - wenn auch nicht im vollen Bewusstsein der Konsequenzen. Eine Kette zum Beispiel (als mögliche Alternative zum Ring) steht auch für Herrschaft und Knechtschaft, allerdings gegen den Willen des Geknechteten. Und darin besteht ja die Rafinesse des Rings als Herrschaftsinstrument, dass er etwas im Gegenzug verspricht und anziehend wirkt, um dann seinen Träger zu betrügen. Selbst dann "lieben" sie den Ring aber noch. Die Bindung ist also unsichtbar und kein offensichtlicher Zwang, wie es bei einer Kette der Fall wäre (selbst wenn man von einer Kette als Schmuckstück ausgeht).

Eine weitere Bedeutungsdimension, die auch sehr weit zurückzuverfolgen ist, ist die der Identität und des Machtanspruchs, der jedoch trügen kann. Ringe fungieren offenbar oft (nicht nur in der Literatur) als Mittel, jemanden auszuweisen, z. B. als Amtsträger mit einer bestimmten Autorität - und natürlich auch, um eine falsche Identität anzunehmen. Die magischen Kräfte, die Ringe in Geschichten häufig verleihen, könnten als eine Art Explizit-Machen der Macht gelesen werden, die sie ja z. T. auch in der Realität ihren Trägern gaben. Diese Macht ist jedoch vergänglich, weil sie an den Ring gebunden ist. Dieses Schwanken zwischen Offenbaren/Täuschen bzw. Macht/Schwäche passt sehr sehr gut zu der Rolle des Herrscherrings für seine verschiedenen Träger, einschließlich dem Herrn der Ringe selbst... Er macht ihn stark und angreifbar zugleich. Er ist der Herr des Rings, u. a. weil niemand anderes (außer Tom), den Ring sichtbar am Finger tragen kann, um seine Autorität damit anderen zu beweisen. Die anderen sind nur sichtbare Ringträger, wenn sie ihn z. B. an einer Kette (?!) um den Hals tragen, also symbolisch keinen Anspruch darauf erheben. Die Unsichtbarkeit verleiht seinen verschiedenen Trägern wiederum Macht durch Täuschung. Diese ist jedoch u. a. dadurch begrenzt, dass sie sich damit dem wahren Herren des Rings offenbaren. Und so weiter...

Ehm...tja, dann ist da noch die perfekte, simple Kreisform (im Gegensatz zu anderen kreisförmigen Schmuckstücken, wie Arbändern, Halsketten etc., die ja oft einen Verschluss aufweisen, der den Kreis durchbricht), die oft mit natürlicher oder ästhetischer Vollendung assoziiert wird. Allerdings reichen die angeführten Beispiele im Lexikon nicht so weit zurück. Das hat mich jedoch an etwas erinnert. Ich war letztens in einem Kelten-Museum, wo auch ein Glasring keltischer Machart ausgestellt war. Und es hieß, dass man bis heute nicht wisse, wie es den Kelten gelungen sei, mit den damaligen Mitteln einen so perfekten Ring ohne sichtbare Naht herzustellen. Ich nehme also einfach mal an, dass der klassische Ring trotz bzw. wegen seiner schlichten Form Ausdruck besonders hohen handwerlichen Geschicks ist und war. Und andererseits ist ja die ganze Welt bei Tolkin ein handwerkliches bzw. ästhetisches Erzeugnis von Iluvatar, das aus seiner Sicht bereits vollendet ist und (im weitesten Sinne) die Form eines Rings hat. Schließlich sollen am Ende aller Tage alle Helden der alten Zeit wieder auferstehen und ein neuer Kampf gegen das Böse soll entbrennen, der sich ja auch in der Zeit selbst ständig wiederholt. Der Ring als künstliches Produkt könnte damit eine entfernte Nachahmung des heiligen Werks Illuvatars sein - und solche Nachahmungen sind bei Tolkin ja irgendwie immer Hybris und führen zu nichts Gutem. Sie sind sogar der Ursprung dessen, was in Tolkins Welt böse ist, angefangen mit Melkor, der ja eigentlich nur eigene Werke schaffen wollte. Dies wäre eine weitere Art, wie sich die symbolische Bedeutung des Ringes gut in Tolkins Werk einfügt.

Vielleicht ist das alles auch überinterpretiert oder ich vergesse irgendwas Wichtiges, was dagegen spricht. So sehr bin ich nicht mehr drin, im Mittelerde-Kosmos. Ich wollte nur meine Gedanken teilen. Ich finde die Frage sehr spannend - und unabhängig davon, was Tolkin sich vielleicht dabei gedacht hat, werde ich beim nächsten Lesen der Bücher mehr darauf achten, was der Ring für Bedeutung stiftet.

Nachtrag: Andere Schmuckstücke wie Armband, Ohrring, Brosche usw. haben keinen eigenen Eintrag im Lexikon, blicken also vielleicht auf keine so einheitliche literarische Tradition zurück. Zum Gürtel findet sich ein kürzerer Artikel, bei ihm hängt die Bedeutung aber anscheinend sehr stark vom Kontext ab (Kampfgürtel, Keuschheitsgürtel, Befestigung verschiedener Gegenstände daran,...). Ebenfalls einen eigenen Artikel hat die Hand (Finger), also der Ort, an dem der Ringe im Gegensatz zu den anderen Schmuckstücken getragen wird. Sie steht passenderweise für Macht/Herrschaft, Schutz, Bindung/Einigkeit und schöpferische Kraft.

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