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Das Jahrhundert des "Spielbergismus"


raukothaur

Empfohlene Beiträge

Im >Hobbit Teil 3 Thread stellte Forenmitglied Nelkhart die These auf, das 20. Jahrhundert werde folgenden Generationen als Epoche eines "Spielbergismus" in Erinnerung bleiben. Hier soll diese These kontrovers diskutiert werden.

Daher bitte ich, die >dort ausgeblendeten Beiträge hier einzublenden.

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Da das Forum nach Datum sortiert wären die Beträge vor dem Einleitungspost einsortiert worden. Deswegen hier als Zitate:

Die Gegenwart ist immer viel zu unübersichtlich und zu verwirrend, um klar sehen zu können. Heute ist die Welt noch nicht soweit die Zusammenhänge zu erkennen, aber zukünftige Generationen werden das späte zwanzigste Jahrhundert nicht etwa als Zeitalter des kalten Krieges, der Digitalisierung oder der Globalisierung ansehen; sondern als die Epoche des Spielbergismus.

Bereits in den frühen Achtziger Jahren gelang jungen amerikanischen Regisseuren wie Lucas, Coppola und Spielberg das, woran sich die Welt bis heute in blutigen Konflikten abarbeitet: Die Versöhnung vom mythischen Denken mit der Moderne.

Für die Hoch-Nerds spielt dieser absurd weit hergeholte Aufhänger in sofern eine Rolle, daß alle Hollywood-Adaptionen, die hier besprochen werden, auf einen einzigen Film zurückgehen: Willow von 1988.
Das Werk visualisierte nicht nur alle notwendigen Figuren der Fantasy-Welt vom Halbling, über den heldenhaften Krieger bis hin zu Drachen, Wichteln, Feen und bösen Königinnen. Es schuf darüber hinaus mit seiner amerikanischen Grundstimmung, dem humorvollen Duktus und dem actionreichen Tempo eine Definition von Fantasy-Kino, der bis heute nahezu alle Projekte dieses Genres folgen. Der Trick ist, daß sich die Figuren mehr um den Zuschauer kümmern, als um die eigentliche Geschichte. Völlig egal, wie archaïsch der Stoff angesiedelt ist, werden alle Dialoge und Situationen konsequent darauf getrimmt, daß immer noch die Alltagslogik der Industriegesellschaft durchschimmert.
Nichtsdestotrotz setzte sich der finanziëll eher mäßig erfolgreiche Film im Nachhinein gegen zeitgenössische Alternativen wie das mystisch ergreifende und bei weitem anspruchsvollere „Excalibur“ (Boorman, 1981) oder das ästhetisch verspielte „Legend“ (Ridley Scott, 1985) durch.

Auch Jacksons Trilogiën tragen gut erkennbar die Handschrift des Spielbergismus. Es wäre also äußerst naïv, anzunehmen, daß bei einer Verfilmung der Quenta Silmarillion nicht genauso versucht würde, mit Ironie und Lässigkeit zu punkten.
Man würde uns wohl kaum ersparen, erst über einen tragischen Daeron lachen zu müssen, der vergeblich versucht, Lúthiens Herz mit elbischen Mixtapes zu gewinnen, bevor uns Húrins steinharte Verbitterung im Halse stecken bliebe.

Daß ich auf einen Auftritt Saeros´ gut verzichten könnte, muß wohl nicht extra erwähnt werden.

 

 

Eine sehr gewagte These, das 20. Jahrhundert auf einen "Spielbergismus" zu reduzieren. Diese These widerspricht der "einzig wahren"* Systemtheorie, die im Verlaufe der anthropologischen, kulturwissenschaftlichen & kommunikationstheoretischen Wenden die >Welt erklärenden< Wissenschaften Anthropologie, Ethologie, Ethnologie, Soziologie etc. und natürlich auch die letzte geschaffene für die Menschheit relevante Wissenschaft, die Religionswissenschaft maßgeblich geprägt hat. Die >Welt< ist erst mal nur durch Kommunikation zu verstehen und in welchem Jahrhundert wurde bisher am meisten kommunziert, wenn nicht im 20.? Wird es nicht eher als das Zeitalter der Kommunikation in die Geschichte eingehen? Zumindest ist dies wahrscheinlicher, als von einem "Spielbergismus", also nur einem der vielen autoevolutiven Subsysteme der Kommunikation auszugehen.
 
Auch ist mir nicht ganz ersichtlich, was Du mit der "Versöhnung vom mythischen Denken mit der Moderne" meinst?
Denkst Du Nietzsches, Webers und letzten Endes Marquards Thesen zum "neuen Polytheismus" weiter, der in einer "Polymythie" ende, die der modernen Welt zugehörig sei?
 
* >vergleiche

 

 

raukothaur, köstlichster Nachtschwärmer. Was machst Du so spät noch am Rechner? Mir würden da hundert bessere Dinge einfallen.

Nietzsche dachte noch völlig linear und Marquard ahnte im Mythologiënschwarm seiner Zeit letztendlich einfach nur die Vielschichtigkeit der Postmoderne voraus. Gedanklich beziehe ich mich eher auf Benjamin, Barthes und Baudrillard, aber mit der Filmadaption des Hobbits hat das nun wirklich nicht mehr viel zu tun.

Natürlich läßt sich der Spielbergismus als Funktion eines maximal gefaßten Kommunikationsbegriffs begreifen, wenn man das will. Gleichzeitig kann man Kommunikation aber auch als eine Strategie unter vielen im großen kognitiven Synkretismus beschreiben, den ich Spielbergismus nenne. Bedauerlicher Weise führt uns aber auch dieser Gedanke keinen schritt zurück zum Thema Hobbit-Film.

Vom heutigen Standpunkt aus erscheint es nicht abwegig, Kommunikation als das hervorstechende Charakteristikum des späten zwanzigsten Jahrhunderts anzusehen. Aber Kommunikation gab es immer und es ist eher unwahrscheinlich, daß ihr Umfang jemals wieder abnehmen wird. Derartig graduëlle Entwicklungen eignen sich nicht, um in den Köpfen hängen zu bleiben. Die Geschichtswissenschaft lebt von abgeschlossenen Vorgängen, die sich von der diffusen Gegenwart abgrenzen lassen. Wahrscheinlicher ist daher, daß man die letzten Jahrzehnte des zweiten Jahrtausends von zukünftigen gesellschaftlichen Themen aus postrational deuten wird.

 

 

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