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Kriegsverklärung in Peter Jacksons LotR-Verfilmung?


Gast Dunderklumpen

Empfohlene Beiträge

Gast Dunderklumpen

Moderatoren-Hinweis:

Vorbemerkung von Cadrach:

 

Die hierher ausgelagerte Diskussion entstand als Reaktion auf >diesen Beitrag.



 

Da fällt mir ein:
 
Théoden:    Reitet! Reitet nun zur Verwüstung und zum Ende der Welt! TOOT!
 
Soldaten:    TOOT!
 
Théoden:    TOOT!
 
Alle:            TOOOOT!!!
 
Und dann diese Musik...  :heul:

 
Danke für den Hinweis auf diese Stelle, Nolondil. Ich muss mir diese noch mal ansehen.
Sie scheint mir doch sehr parallel gebaut zu sein zu diesem Ereignis:
 
"Wollt ihr den totalen Krieg?"
"Jaaaaaa."
 


 
Auch die erschütternde Musik fehlt nicht, die die Soldaten aufpeitscht, zu morden und selber zu sterben.
 
Seit ich den "Hobbit" kenne, bin ich mir nicht mehr sicher, ob Peter Jackson nicht durchaus ein politisches Bewusstsein hat und solche Szenen als Abschreckung vor neuer begeisterter Kriegszustimmung meint. Bearbeitet von Cadrach
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Ich hatte beim Film nicht den Eindruck, dass die Szene allzu kritisch war, sondern habe sie eher heroisch (und damit positiv) inszeniert in Erinnerung. Allerdings habe ich RotK schon lange nicht mehr gesehen.

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Gast Dunderklumpen

Allerdings habe ich RotK schon lange nicht mehr gesehen.

 

Ich eben auch nicht, und genaugenommen müsste man alle drei Filme am Stück gucken, um die Positionierung solcher Einzelszenen innerhalb des Ganzen feststellen zu können.

 

Im Buch nämlich wirkt diese Einzelszene - als Einzelszene - auch ziemlich kriegsverklärend und todessüchtig. Merry schreit da auch begeistert "hurra" - von der Masse angesteckt -, aber in einer späteren Szene wird Merry ernüchtert und bekommt eine andere Haltung zu seiner Kriegsbegeisterung.

Das ist ein bisschen ähnlich wie das Buch: Remarque, Im Westen nichts Neues oder der Film Die Brücke, wo sogar Schüler an die Front müssen, sich darauf freuen und dann mit dem nackten Elend konfrontiert werden.

 

Ob der Film ein Gegengewicht bietet zu diesem grauenvollen und unerträglichem "tooot", das zur Verwüstung der Menschheit aufruft, weiß ich zur Zeit nicht. Ich habe mir kürzlich die drei Kinofilme gekauft und werd das mal hintereinander angucken. Möglicherweise ist diese "Stelle" auch nur in der Extended?

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Ob der Film ein Gegengewicht bietet zu diesem grauenvollen und unerträglichem "tooot", das zur Verwüstung der Menschheit aufruft, weiß ich zur Zeit nicht. Ich habe mir kürzlich die drei Kinofilme gekauft und werd das mal hintereinander angucken. Möglicherweise ist diese "Stelle" auch nur in der Extended?

 

 

Die Szene ist auch in der Kinofassung.

Eine kriegskritische Haltung sehe ich in der Szene allerdings auch nicht. Sie kommt schon sehr heroisch daher. Aber auch nicht so überspitzt, das ich sie anders interpretieren würde.

Was diese Szene ein bißchen abmildert, ist eine teilweise Personifizierung der Masse der Rohirrim, z.B. durch die Darstellung von Eowyn und Merry, die erst beim dritten 'Toot' mitbrüllen und dann auch mit deutlicher Verzögerung. Da wird mir als Zuschauer, mehr als deutlich, was dieser Kampf für jeden Einzelnen, der daran beteiligt ist, bedeutet: sein bzw. ihr Lebensende, ohne große Hoffnung. Mir ist das zu wenig, um die Szene als Antikriegsmoment zu deuten.

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  • 2 Wochen später...
Gast Dunderklumpen

Nur kurz noch dazu:

Ich habe mir jetzt noch mal die ganze Trilogie (Kino-Fassung) im Zusammenhang angeguckt, um diese strittigen Fragen für mich klarer zu bekommen.

 

Es beginnt eigentlich schon da, wo Gandalf Denethor brutal zusammenschlägt, weil letzterer seine Truppe zur Flucht aufruft. Gandalf übernimmt die Führung und mordet höchstpersönlich, was das Zeug hält.

 

Ich habe das anschließend in den Büchern überflogen - da wird eigentlich nur der Eindruck erweckt, dass Gandalf die Befehlsgewalt übernimmt, aber nicht selber einen nach dem anderen absticht.

 

Insofern  - da Gandalf Sympathieträger ist - ist für mich der Eindruck von vor zehn Jahren wieder lebendig geworden: die Trilogie ist Kriegsverklärung, in meinen Ohren Kriegshetze.

 

Das "Toood"-Geschrei von Theoden ist bald danach, und es verstärkt dann das Gleiche für mich: alle sollen ihr Leben opfern für eine Sache.

 

Sowohl Gandalf als auch Aragorn rufen immer wieder gerade die jungen Soldaten dazu auf, ihre Angst zu überwinden und bereit dafür zu sein, in der Schlacht zu sterben.

 

Das sind und bleiben die Durchhalteparolen, die in Selbstmordaktionen auch heute wieder zum Tragen kommen.

Hinzu kommt die Stelle, wo Gandalf Merry (oder Pippin) kurz vor dem erwarteten Zusammenbruch erklärt, dass Sterben gaaaarr nicht schlimm ist und man ja sofort in ein schönes Land kommt.

 Auf ganz ähnliche Weise werden ebenfalls heute Selbstmordattentäter geködert.

 

Lieber Torshavn, ich hoffe, Du kannst zumindest nachvollziehen, warum Fantasy für mich ideologisch ein höchst zwielichtiges Genre ist.

 

Tolkien selber zähle ich nicht zur Fantasy, obwohl auch Tolkiens Schlachtrufe viele Leser begeistern.

Aber Tolkien baut eben immer wieder ein, dass hier im Epos alte Heldenlieder verarbeitet werden - die am Ende alle ihre Bedeutung verlieren.

So ist es aber nicht im Film, nicht in der HdR-Trilogie.

 

In der "Hobbit"-Verfilmung sehe ich sehr viel mehr Substanz, sehr viel kritischere Töne. Da ist diese nackte pure Kriegsbegeisterung nicht mehr vorhanden, da gibt es immer auch gegengewichtige Äußerungen und mitverfilmte Gesichtspunkte.

 

 

@ Caddy

War das hier zu lange OT? Falls ja - könnte man diesen Disput irgendwo auslagern?

Bearbeitet von Dunderklumpen
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Ich denke zwar nicht, dass die Diskussion schon zu lange OT ist, doch halte ich das Thema für wichtig genug, um ihm einen eigenen Thread zu geben. So geht die Diskussion auch nicht so schnell unter und ist besser auffindbar.

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Lieber Torshavn, ich hoffe, Du kannst zumindest nachvollziehen, warum Fantasy für mich ideologisch ein höchst zwielichtiges Genre ist

 

Natürlich kann ich das nachvollziehen, Dunderklumpen. Ich bin mir dessen selbst sehr bewußt. Dennoch gibt es immer wieder auch einige Perlen in dem Genre.

 

Das ist überings das größte Manko in Jacksons HdR- Verfilmung, meiner Meinung nach. Er hat in weiten Strecken eine Kriegsfilm aus Tolkiens Werk gemacht, den man durchaus auch als verherrlichend bezeichnen kann.

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Kriegsverherrlichung? Von mir ein ganz klares Nein. Seine Krieger für die Schlacht zu motivieren, sie in den Tod zu schicken ist nicht kriegstreibend wenn man der Angegriffene ist. Diese Menschen kämpfen um ihr Leben, um ihre Existenz weil andere sie bedrohen und müssen dafür motiviert werden um nicht überrannt zu werden. Die haben einfach keine Wahl. Eine Parallele zum oben gepostetem Video sehe ich deshalb in keinster Weise, denn da sieht man den Angreifer, nicht den Verteidiger. Die Befehlshaber dort müssen nicht kämpfen, die wollen kämpfen.

Ich finde man kann auch einem friedliebenden Menschen nicht gewaltverherrlichend nennen, wenn er aus Notwehr seinen Angreifer zusammenschlägt.

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Gast Dunderklumpen

Caddy,

könntest Du noch ein Fragezeichen hinter den Threadtitel setzen?

Ich würde gerne möglichst viele Seiten beleuchtet sehen, und ich selber halte es für mich für unmöglich, zu einer klaren oder eindeutigen Beurteilung zu kommen. Es gibt viele Aspekte, und es wäre gut, wenn möglichst viele sichtbar würden.

 

Dazu zwei Punkte:

 

a. Ich denke, dass jede Seite, die ihre Bevölkerung dazu kriegen will, dass sogar die Kinder mit Schwertern ausgestattet werden und kämpfen sollen, immer so argumentieren werden, dass die andere Seite ja Schuld ist. Dass die angefangen hat etc. etc.

Das gehört zum Procedere dazu.

 

Es gehört zu einem seriösen Kriegsfilm eigentlich auch dazu, dass man beide Seiten argumentieren lässt. Aber Sauron will das Böse, wird behauptet, er sei der Böse, und dadurch kann natürlich der Eindruck entstehen, als müsse man schon die Kinder opfern und in die Schlacht schicken. Das allerdings ist schon sehr sauronhaft gedacht, finde ich. Keineswegs muss man Kinder mitkämpfen lassen. Keineswegs muss man wie Theoden eine Schlacht führen, von der man weiß, dass sie ein Selbstmordkommando ist.

 

b. Der Kampf geht ja nicht gegen Menschen eigentlich, sondern gegen Monster, die auch menschliches Wesen in sich haben, jedoch nicht nur. Aber trotzdem werden die Schlachten so dargestellt, als kämpfe man gegen ein menschliches Volk.

 

Das ist die Crux schon bei Tolkien, so wie ich das wahrnehme. Wenn ich den Roman als einen seriösen ansehe, dann ist der Kampf gegen durch Gene korrumpierte menschliche Wesen für uns Leser kein realistischer, sondern ein psychologischer.

 

Ich habe gelernt, Tolkien so zu lesen. Der Kampf gegen einen Ork ist der Kampf gegen unseren  inneren Schweinehund, gegen unsere Feigheit, gegen unsere Aggressivität.

 

So ein Kampf wird aber nicht mit Schwertern geführt, ich muss da nicht meinen vierzehnjährigen Sohn alleine in eine Schlacht schicken und ihm sagen: 'Es muss sein, mein Junge, ich muss dich opfern, es wird verdammte Schmerzen machen, wenn ein Ork dich trifft, aber mein innerer Schweinehund kann halt nur überwunden werden, indem ich wie in Urzeiten meine Kinder verbrenne oder schlachte.'

 

Das ist die Crux schon bei Tolkien, wie gesagt, aber ich habe auch für mich einen Weg gefunden, mir sogar das plausibel zu machen:

bei jeder - normalen menschlichen - Schlacht kämpfen immer unsere Schweinehunde mit, sie sind mit auf dem Platz, mit im Feld. Wir kämpfen also eigentlich gegen diese Orks, und die Orks gewinnen in der Regel.

 

Im Film kann ich mitunter das auch so für mich übersetzen. Die phyischen Schlachten übersetze ich in psychische.

 

Nur: diese makabren Durchhalteparolen - die man bei Tolkien nicht findet, nur in den Filmen:

die passen nicht dazu. Die sind nur in realen physischen Kriegen zu finden, und auch nur da, wo Menschen manipuliert werden sollen.

Darum mein Eindruck: Saurons Charakter ist auch in Aragorn und Gandalf eingedrungen, beide benutzen die Mittel Saurons.

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Ich habe weder das Buch noch die Verfilmung als vorrangig kriegsverherrlichend empfunden. Eher im Gegenteil. So zeigt Théodens Tod exemplarisch, dass es in Zuge von kriegerischen Aktivitäten immer Opfer gibt. Nach anfänglich euphorischer Kriegsbegeisterung zeigt sich also auch bei der Schlacht auf dem Pelennor, dass Kriegsaktivitäten stets Opfer fordern. Allerdings wirkt es wiederrum so auf mich als stürbe Théoden eine Art Heldentod, was letztlich doch ein wenig kriegsverherrlichend wäre.

 

Insbesondere möchte ich aber auch die Darstellung der Leichen/Geister in den Totensümpfen ins Gedächtnis rufen. Ich fand diese Szenen in der Verfilmung äußerst gespenstisch und habe mich irgendwie an Schilderungen aus dem 1. Weltkrieg erinnert gefühlt. Die Grimassen, die Frodo sieht als er in den Sumpf eintaucht, (ca. 46. Min. in der Extended Version der Zwei Türme) erinnerten mich an entstellte Soldaten bzw. die gräßliche Fratze des Todes. Diese Szenen in den Totensümpfen sind insgesamt sehr düstern gehalten (z.B. kalte Farben, starke Bewölkung, unfreundliche Vegetation, später tauchen zudem die unheimlichen Nazgûl auf). Somit zeigen mir die Totensumpf-Szenen eindeutig die Schrecken des Krieges auf und stellen damit auch einen Gegenpol zu evt. etwas verherrlicht dargestellten Szenen dar.

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Gast Dunderklumpen

Nur zur Klärung, mathias:

 

Für mich ist die Darstellung der Schrecken des Krieges kein Gegenpol zur Kriegsverherrlichung. Denn es wird ja gerade dazu aufgerufen, diese Schrecken als notwendig zu akzeptieren und sich selber zu opfern.

 

Eventuell ist das Wort "Verklärung" dann falsch. Aber es ist schwer, ein richtiges Wort dafür zu finden. Vielleicht finde ich mal eins.

 

Aber wenn man Soldaten erklärt, sie sollen alle diese Qualen auf sich nehmen, weil es notwendig sei - dann ist das für mich typisch für eine verlogene Manipulation von Menschen. Damit wird Krieg wieder stabilisiert und als sinnstiftend wieder eingeführt.

 

 

Die von Torshavn beschriebene Szene - wo die ganze Masse "Toooood!" schreit und Eowyn und Merry nur zögerlich einstimmen, dann aber aus vollem Hals - zeigt doch gerade, dass es die Massensuggestion ist, die diese Kriegsbegeisterung - man stürmt ja leuchtenden Auges los - in den Individuen schürt. Eowyn und Merry lassen sich von dem Rauisch der Masse mitreißen.

 

Ich frage mich, ob die Massensuggestion heute wieder erwünscht und ersehnt wird. Sie war einmal absolut pfui in Deutschland, nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches. Hat sich das geändert? Das ist für mich die große Frage.

Bearbeitet von Dunderklumpen
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Das leuchtet ein.

 

Nehmen wir mal den Afghanisten Einsatz als Beispiel. Es wurde den Soldaten und dem Volk erzählt, dass wir dort die Menschen von den Extremisten befreihen, außerdem Brücken und Schulen bauen, sowie Polizisten ausbilden. Klar, das sind auf den ersten Blick hilfreiche Maßnahmen. Und somit lässt sich ja so prima ein solcher Einsatz rechtfertigen. Irgendwann sieht die Mehrheit es dann als notwendig an, dass man generell in die verschiedensten islamischen Staaten einfach einmarschieren muss, um den dortigen Menschen zu "helfen", weil "die können sich ja nicht selbst helfen". Das Ganze errinnert so ein bisschen an Kolonialzeiten, wo die Europäer die "Wilden" "zivilisiert" haben.

 

Durch sogenannte Friedensmaßnahmen fällt es natürlich dann leichter den Soldaten (und dem Volk) zu vermitteln, dass sie die negativen Auswikrungen des Krieges hinnehmen sollten, denn es wird ja für eine gute Sache gekämpft. Für den Einzelnen mag das nicht immer klappen, aber die Mehrheit stimmt gerne zu. Schließlich ist der Krieg ohnehin weit weg und die wenigsten sind persönlich betroffen, weil sie Soldat sind, oder welche persönlich kennen.

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Was is den daran kriegsverherrlichend wenn man die letzten reste der freien Menschheit versammelt um gegen das Böse zu kämpfen ? Klar man kann sich auch zuhause verkriechen und warten bis man von Saurons Horden im eigenen Bett gemeuchelt wird aber das halte ich für wenig sinnvoll in anbertacht der Hoffung es abwenden zu können. 

Die ansprache eines Königs an seine Untertanen in den Krieg zu ziehen in der Hoffung das Böse (und nichts anderes ist Sauron und seine Orks) Aufzuhalten und damit seine Famile seine Kinder und sein Eigentum zu schützen die sonst garantiert dem Untergang geweiht sind, ist wohl nicht unbedingt nötig.

Aber in einem Film muss man manchen zuschauer wohl nochmal klar machen das die Leute Angst haben aber hoffen können mit dem preis ihres Lebens andere zu Retten und das geht nur wenn die Bösen umkommen einfach weil es keine alternative gibt.

 

Als selbstmord Kommando würde ich den Angriff der Rohirrim nicht sehen sie sind ja nicht mit der absicht nach Gondor geritten zu sterben sondern haben die Hoffnung zu überleben und Gondor zu retten.

 

Wie kann massensugestion erwünscht sein oder anders ... bei einer gut gemachten massensugestion merkt die masse ja nicht das sie beeinflusst wird, ergo wie kann die masse das wollen ? was sie nicht bemerkt und daran was ändern.

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Gast Dunderklumpen
Wie kann massensugestion erwünscht sein oder anders ... bei einer gut gemachten massensugestion merkt die masse ja nicht das sie beeinflusst wird, ergo wie kann die masse das wollen ? was sie nicht bemerkt und daran was ändern.

 

Ich meinte damit die Faszination von dieser Massensuggestion.

 

Man kann durchaus - und tut es auch - an Orte gehen, wo diese Massensuggestion betrieben wird. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges - so scheint mir - gab es noch nie so viele Orte, wo Massenrausch produziert wird und wofür man sogar noch bezahlt, um ihn zu bekommen.

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Ich glaube, diese mehr oder weniger kriegsverherrlichenden Szenen sind von Tolkien ganz bewusst so differenziert eingebaut worden, dass man sowohl ihre Stärken als auch ihre Schwächen erkennen kann. Das hat einen ganz einfachen Grund: Er sah in der hier wiedergespiegelten Einstellung den "northern heroic spirit" verwirklicht, den er unglaublich schätzte, und dessen Wert er zu kommunizieren versuchte.

 

Im Beowulf fand er die Auseinandersetzung mit einem Thema, das auch sein eigenes Werk stark prägt: "That man, each man and all men, and all their works shall die." Die überwältigenden, monströsen Mächte, denen der Mensch ausgeliefert ist, die ihn existenziell bedrohen, die um so vieles größer sind als er selbst, und die letztlich den Sieg davontragen werden - das Böse, Leid, Ungerechtigkeit, Tod etc. - werden in der mythischen und fantastischen Literatur von Ungeheuern und Monstern verkörpert. Diese Ungeheuer haben, auch das hat Tolkien betont - eine externe und eine interne Ebene, sprich: sie symbolisieren sowohl die Ungerechtigkeiten, denen der Mensch in der Welt ausgesetzt ist und denen er gegenübersteht, gleichzeitig aber auch seine eigenen inneren Schattenseiten, denn "in a sense the foe is always both within and without; the fortress must fall through treachery as well as by assault. [...] For it is true of man, maker of myths, that [the monsters], in their lust, greed, and malice, have a part in him." Die Stärke der nordischen Mythologie liegt in Tolkiens Augen darin, dass sie diesen Zusammenhang so deutlich hervorhebt und auf diesem Hintergrund den Menschen zeigt, der trotz allem nicht der Verzweiflung verfällt, sondern gegen diese Mächte rebelliert, aufbegehrt, in die Dunkelheit hinaustritt und sich ihnen im Kampf stellt. In Tolkiens Worten: Der nordische Mythos "put the monsters in the centre, gave hem victory but no honour, and found a potent but terrible solution in naked will and courage."

 

Eben diese "terrible solution" (schon diese Klassifizierung sagt einiges aus!) taucht bei Tolkien immer wieder auf. In ihrer Reinform sicher im Beorhtnoth: "Will shall be the sterner, heart the bolder, spirit the greater, as our strength lessens." Tolkien sah in diesen Worten "the finest expression of the northern heroic spirit, Norse or English; the clearest statement of the doctrine of uttermost endurance in the service of indomitable will." In Reinform, so Tolkien, könnte dieser Heldenmut einen Menschen sogar dazu führen, selbst den Tod unnachgiebig zu ertragen, "when death may help the achievement of some object of will, or when life can only be purchased by denial of what one stands for."

 

Hier wird es kritisch. Denn militärisch verstanden ist dieses Konzept mit Vorsicht zu genießen. Als Rechtfertigung für einen ideologisch motivierten Kreuzzug, einen Heiligen Krieg, ein aktiv gesuchtes Märtyrertum würde man es missbrauchen. Hitler hat dieses Konzept zur selben Zeit in Kombination mit seiner Rassentheorie für seine Eroberungsfeldzüge missbraucht, in der Tolkien dessen Wert aufzeigen wollte. Nicht ohne Grund schreibt Tolkien: "I have [...] a burning private grudge [...] against that ruddy little ignoramus Adolf Hitler [...]. Ruining, perverting, misapplying, and making forever accursed, that noble northern spirit, a supreme contribution to Europe, which I have ever loved, and tried to present in its true light." Denn es geht hier um Widerstand, um Ausharren in einer gegebenen, nicht veränderbaren, schrecklichen Situation, nicht um Macht- oder Besitzgelüste (gegen die der Widerstand ja unter anderem gerichtet ist!). EDIT: Eine ähnliche Problematik stellt sich im sogenannten "Heiligen Krieg" des Islam, dem Djihad, der ebenfalls oft militaristisch-terroristisch missbraucht wird, obwohl damit - fast Eins-zu-Eins korrespondierend zum nordischen Heldenmut - eine Widerstandshaltung gegen die dunklen Mächte außerhalb des und besonders im Menschen selbst gemeint ist, niemals jedoch ein wirklicher "Heiliger Krieg" (ein Widerspruch in sich im Islam).

 

Um ein klares Bild des in Tolkiens Augen richtigen Verständnisses dieses nordischen Heldenmutes zu bekommen lohnt sich ein Blick auf Sam im Herrn der Ringe, als ihm in der Einöde Mordors klar wird, dass die Vorräte bestenfalls bis zum Ziel, nicht aber für den Rückweg ausreichen: „[W]hen the task was done, there they would come to an end, alone, houseless, foodless in the midst of a terrible desert. There could be no return. […] But even as hope died in Sam, or seemed to die, it was turned to a new strength. Sam’s plain hobbit-face grew stern, almost grim, as the will hardened in him”. Der geistige Kampf, die innere Haltung ist entscheidend. Willensstärke, Heldenmut, nacktes Ausharren im Angesicht der dunklen Seiten des Lebens, im Angesicht des Todes, im Angesicht von Zielen und Werten, die das handelnde Subjekt höher bewertet als das eigene Leben.

 

Ich denke, in diesem Horizont ist auch das Auftauchen der Rohirrim auf dem Pelennor zu beurteilen - und zwar sowohl was die Stärken als auch die Schwächen dieses Konzeptes angeht. Natürlich kommt das Kriegsgeschrei der Rohirrim auf den ersten Blick kriegsverherrlichend rüber, natürlich sieht hier alles nach Militarismus aus. Aber was genau bedeutet denn der Schrei "Tooooood!"? Die Rohirrim sind in der Unterzahl, ihre Stärke ist wesentlich kleiner als ursprünglich beabsichtigt. Der Anblick der Übermacht und der Zerstörung auf dem Pelennor überwältigt Theoden (im Film entsprechend Eowyn und Merry) und lässt ihn um ein Haar umkehren und Minas Tirith sich selbst überlassen. Als die Rohirrim schließlich doch in die Schlacht reiten (die Explosion der Zerstörung des Stadttores hat die gleiche Wirkung wie Sams Einsicht, dass die Vorräte nicht reichen werden) , sind sie sich darüber im Klaren, dass sie keine Chance haben und in den sicheren Tod reiten - aber eben diesem Tod trotzen sie mit nacktem Willen und blankem Mut, was sich - im Flm - in ihrem gewaltigen "Tooood!"-Schrei ausdrückt. Das mag kriegsverherrlichend klingen, aber - und das kommt im Buch in Theodens Lied deutlicher herüber - es geht hier nicht um Eroberung oder Zerstörung, sondern um nackten, hoffnungslosen Widerstand gegen die dunklen Mächte der Welt, einen Widerstand gegen Mächte, denen sich der Mensch nicht unterwerfen darf oder will, und in deren Angesicht es gerade die Poesie ist, die dem Menschen Hoffnung und Kraft geben kann:

 

"Blessed are the legend-makers with their rhyme / of things not found within recorded time. / It is not they that have forgot the Night, / or bid us flee to organised delight, [...] / They have seen Death and ultimate defeat, / and yet they would not in despair retreat, / but oft to victory have turned the lyre / and kindled hearts with legendary fire, / illuminating Now and dark Hath-been / with light of suns as yet by no man seen."

Bearbeitet von Berenfox
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@Cadrach: Die Szene mit Sam ist beispielsweise auch im Film vorhanden. Sam, der unbeirrbar an eine sichere Heimkehr geglaubt hat, kommt in Mordor an den Punkt, an dem er erkennt, dass es keine Rückkehr geben wird. Seine innere Reaktion wird im Film dadurch ausgedrückt, dass er Frodo die Hand reicht und ihn trotz dieser Erkedeutlich um Weitergehen animiert.

 

Mit Theoden ist es ähnlich. Es gibt eine Szene im Film - als Aragorn den Rohirrim den Rücken kehrt um die Pfade der Toten zu beschreiten - in der Theoden ganz deutlich sagt: Wir haben keine Chance, aber wir werden uns Sauron trotzdem stellen. Später auf dem Schlachtfeld wird auch der Zweifel Theodens bzw Eowyns und Pippins deutlich im Angesicht der Übermacht, zumindest darstellerisch. Es ist ein ungleicher Kampf, ein Ritt in den sicheren Tod ohne jede Hoffnung - diese Erkenntnis lässt Eowyn und Pippin erstarren. Und doch überwinden sie die Furcht und gehen ihren Weg weiter, dem Tod lautstark trotzend. Mit dem Ergebnis, dass die Rohirrim nicht nur genau im rechten Moment erscheinen, um Schlimmeres zu verhindern (Gandalfs Begegnung mit dem Nazgûlfürsten z.B.). Selbst dem Fürst der Nazgûl selbst leisten Eowyn und Pippin schließlich Widerstand.

 

Die ganze Geschichte wird hier nur angedeutet, funktioniert aber auf der von Tolkien gelegten Grundlage. Leider kann ich gerade nicht ausführlicher schreiben, da ich unterwegs bin. Vielleicht fällt aber noch jemand anderem eine Verknüpfung auf.

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Dunderklumpen:

 

Es beginnt eigentlich schon da, wo Gandalf Denethor brutal zusammenschlägt, weil letzterer seine Truppe zur Flucht aufruft. Gandalf übernimmt die Führung und mordet höchstpersönlich, was das Zeug hält.

 

 

Mit diesen beiden Aussagen bin ich nicht einverstanden.

 

Zunächst halte ich es für eine Verklärung den Aufruf zur Flucht als gut oder wohlgemeint zu interpretieren. Ich verstehe dieses "Flieht!" als eine Art Nero-Befehl um in der nationalsozialistischen Analogie zu bleiben. Die Männer zur Flucht zu ermutigen, wenn der Feind kampfbereit vor der Stadt steht ist irrsinnig. Durch den Blick in den Palantir und aus dem Fenster wusste Denethor schon seit geraumer Zeit, was seiner Stadt bevorsteht und er hat nicht im Interesse seiner Untertanen eine Flucht oder Evakuierung koordiniert. Panisches, chaotisches Fliehen soll - nach meiner Lesart  - in dieser Situation die sinnlose, totale Vernichtung vollenden in deren totalen Überzeugung er sich dann ja auch selbst anzündet. Dieses Verhalten entspringt sicher der Verzweiflung in Anbetracht der Übermacht des Feines, ist aber keine Entscheidung im Sinne seines Volkes.

 

Darüber hinaus halte ich Gandalfs Taten nicht für Morde. Ich finde, dass die Darstellung klar Notwehr erkennen lassen. Generell kann ich bei Gandalf keine Heimtücke, niedere Motive, Habgier oder Ähnliches erkennen, was nach meiner Meinung gegeben sein müsste, um von Mord sprechen zu können.

 

Dieses Kampfgeschrei "Toood" verletzt aber auch meine Ästhetik. Ob das nun Propaganda, oder Kriegshetze ist, kann ich schwer beurteilen. Ich lehne den Nazivergleich in diesem Kontext jedoch ab, weil hier keine systematische Stilisierung eines Feinbildes betrieben wird, um Krieg führen zu können, sondern mehr oder weniger widerwillig Hilfe geleistet wird, als der Krieg bereits von der Gegenseite zu einem getragen wurde. Die Schlachten, die von Saruman den Rohirrim aufgezwungen wurden, stehen schließlich in direktem Zusammenhang mit der Schlacht von Minas Tirith. Saruman sagt selbst "Es gibt keine Zukunft für die Welt der Menschen". Er spricht ihnen damit das Recht zu leben ab und im thematischen Umfeld der Filme (Bündnis der zwei Türme) müssen wir annehmen, dass es Sauron nicht anders damit hält. Das eine Flucht der Rohirrim in Anbetracht der Übermacht Saurons Armee eine Option zu diesem "Selbstmordkommando" darstellt, halte ich daher für fraglich.

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Gast Dunderklumpen

Diese Diskussion kann notgedrungen nur auf sehr vielen Ebenen gleichzeitig geführt werden.

 

So ist eine der Ebenen: Welche Assoziationen des Films sind möglicherweise von der Regie gewollt?

 

Da ich PJ nicht (mehr) komplett a-politisch in seinen Tolkien-Verfilmungen einschätze, ist für mich die Frage, ob manche Dinge eben nicht bewusst von ihm assoziativ zu realen Geschehnissen der letzten Weltkriege hergestellt sind.

Ich behaupte hier keine Sachen, sondern denke nur über sie nach und schreibe diese Überlegungen auf.

Und eine Assoziation, die mir aufgefallen war, war eben dieses "Wollt ihr den totalen Krieg?" "Jaaaaa!"

 

Eine andere Assoziation, die ich noch nicht erwähnt hatte:

Wenn Saruman vor die Massen der von ihm geschaffenen Uruk-Hais tritt, zusammen mit Grima - dann wird Saruman von hinten gezeigt, vor ihm die grölende und jubelnde Menge: auch dies, meine ich, sei eine berühmte Szene, wo Hitler vor sein Volk tritt und wo auch er von hinten gezeigt wird. Möglich allerdings auch, dass dies auch oder nur eine berühmte Szene mit Chaplin ist, der in einem Film als "Hitler-Imitation" auftritt und da auch von hinten vor der jubelnden Menge gezeigt wird. Ich hab das leider nicht mehr so genau im Kopf. Aber die Szene im Tolkien-Film kam mir sofort bekannt vor.

 

Falls das also stimmt, spielt PJ selber mit diesen Assoziationen. Und darum war zunächst meine Vermutung - und ganz habe ich sie noch nicht ad acta gelegt -, dass PJ auf beiden Seiten ganz ähnlche Verhaltensweisen aufzeigt.

(Was übrigens auch Rowling in der Harry-Potter-Serie macht und damit sichtbar wird, dass das sog. böse Verhalten auf beiden Seiten vorhanden ist.)

 

 

Eine zweite Ebene der Diskusion ist der Vergleich mit dem Roman. Warum - z.B. - verändert PJ so heftig die Gandalf-Figur?

In den Büchern ist Gandalf ein Maia, geschickt von den Ainur oder gar Eru, mit dem klaren Auftrag, keine Gewalt anzuwenden. Er soll die Menschen davon überzeugen, im Kampf gegen Sauron einzutreten, aber er darf sie nicht dazu zwingen. Denn der Zwang ist Saurons Gebiet.

 

Nun aber sehen wir im Film Gandalf als brutalen Zusammenschläger und als aktiven Mörder. Das ist im Buch eben nicht so.

Allerdings verrät Gandalf auch im Buch ab und an seinen Auftrag: er benutzt Suggestiv-Methoden und Droh-Methoden, um sein Ziel zu erreichen. Das dürfte er als Maia ebenfalls nicht.

 

Möglicherweise wollte PJ die Tendenz des Buch-Gandalfs, seine gesetzten Grenzen zu überschreiten, im Film durch Vergröberung nur verdeutlichen?

Und dann eben ist Gandalf in seinem Verhalten durchaus dem Sauronmäßigen ähnlich geworden. "Der Zweck heiligt die Mittel" darf für ein göttliches Wesen - und ein Maia ist ein göttliches Wesen - nicht gelten.

 

Dass viele Valar korrupt sind, halt Tolkien vielfältig gezeigt. Aber Gandalf sollte eigentlich der Korruption durch seinen Besuch der Erde Widerstand leisten. Korruption ist ein Gebiet Saurons.

 

 

Ebenfalls in die zweite Ebene "Vergleich mit den Büchern" gehört die Frage nach der Flucht. Tolkien hat im Märchenaufsatz ausführlich erklärt, dass Flucht ehrenhaft ist. Aus dem Gefängnis ausbrechen sei ein existentielles Recht des Gefangenen.

Im HdR gibt Aragorn - bevor er mit Freiwilligen zum Eingangstor nach Mordor marschiert, um Saurons Aufmerksamkeit von Frodo abzulenken -, jedem ausdrücklich die Möglichkeit, zurückzukehren. Und Aragorn möchte möglichst jeden vor der Scham schützen.

 

Auch das ist im Film massiv verändert. Da darf keiner zurückkehren, er wird stattdessen psychisch "bearbeitet", um genau das nicht zu tun. Aragorns Rede ist so geartet, dass jeder als Schänder dastehen würde, falls er fliehen würde.

 

Warum, so frage ich auch hier, hat PJ das in diesem Maße geändert? Vielleicht auch hier, um zu zeigen, dass die Ehrenhaftigkait Aragorns - genau wie die Gandalfs - in kritischen Situationen an den Nagel gehängt wird, um mit ähnlichen Mittel wie Sauron zu arbeiten?

Aragorn hat ja auch göttliches Blut in sich, genauso wie elbisches und menschliches. Im Roman hat er darum die Möglichkeit, "rein" zu sein, bzw. Reinheit anzustreben.

Wollte PJ also auch ihn so zeigen, dass er dazu nicht fähig ist, dass er versagt?

 

 

@ OldNick

 

Dass Denethor aus wahnhaften Gründen handelt, sehe ich wie Du. Im Buch aber ruft er seine Truppen nicht zurück. Er hat sogar selber die Signal-Feuer entzünden lassen, er will ja mit Hilfe Rohans den Krieg führen und sich gegen Sauron wehren.

Im Film ruft übrigens auch Gandalf zum Rückzug und zur Flucht auf, ganz ähnlich, wie das Denethor schon früher gemacht hat. Hätte Gandalf das Denethor machen lassen, hätte es sehr viel weniger Tote gegeben.

 

Auch hier meine Frage:

Warum hat PJ das dermaßen parallel geschaltet? Man kann doch eigentlich nur den Schluss ziehen: um zu zeigen, dass Gandalf auch nichts anderes machen kann als Denethor: aufgeben.

 

 

Thema Mord:

Als freier Bürger mit dem zugesichterten Recht, freie Ansichten zu haben und zu äußern, betrachte ich als Mord jede Tat, die bewusst einen anderen gegen seinen Willen vom Leben in den Tod befordert.

Ob dies auf dem Schlachtfeld geschieht oder im bürgerlichen Leben, ist für mich kein Unterschied.

 

Dass Juristen bei der Beurteilung vor Gericht das Wort "Mord" nicht auf Soldaten anwenden, betrifft nicht die freie Meinung der Bürger. Ein Jurist hat nicht das Recht, mir das Recht abzusprechen; Soldaten als Mörder wahrzunehmen und zu bezeichnen. Und das weiß auch jeder Jurist.

Es wird auch nirgends verlangt, dass die Bürger die juristische Entscheidung bezüglich Angeklagter in die eigene Ethik übernehmen.

Bearbeitet von Dunderklumpen
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@Dunderklumpen: Diese Assoziationen zu realen Geschehnissen, besonders während des Dritten Reichs, kommen mir auch immer. Speziell diese Saruman-Massen-Szene hinterließ bei mir genau den gleichen Eindruck wie bei dir. Und ich glaube, Sarumans Rede vor seinen Massen hat bewusst eine Parallele in Aragorns Rede vor der letzten Schlacht.

Allerdings sehe ich hier auch ganz offensichtliche Unterschiede: Während Saruman als Eroberer auftritt, um eine neue Macht zu etablieren, und eine Hetzrede schwingt, sind Aragorns Worte ganz anders geartet: Er macht Mut, er versucht Standhaftigkeit zu wecken im Angesicht eines übermächtigen Gegners, der alles bedroht, was den Menschen heilig ist. Saruman wird als das Negativbeispiel gezeigt, während Aragorn seine Sache richtig macht.

 

Solche sich gegenüberstehenden Paare gibt es bei Tolkien – im Buch wie im Film – zuhauf. Boromir und Faramir in ihrem Umgang mit dem Ringträger zum Beispiel. Oder Denethor und Theoden im Angesicht der Übermacht Saurons. Denethor ist hier das Negativbeispiel: er verzweifelt, er verliert alle Hoffnung, weil er glaubt, den Ausgang bereits vorhersehen zu können. Seine Reaktion darauf ist Fahnenflucht und Selbstmord – womit wir bei der Flucht angekommen wären: Du sagst zwar richtig, dass Tolkien in seinem Märchenaufsatz die „Flucht aus dem Gefängnis“ für ehrenhaft erklärt hat, aber du vergisst, dass er hier deutlich differenziert: denn es gibt auch eine andere Art der Flucht, die „Desertion“, die Fahnenflucht, die er keineswegs als ehrenhaft ansieht. Diese Art Flucht, die der Fantasy ja immer wieder vorgeworfen wird, bezeichnet den Unwillen, sich mit der Realität auseinanderzusetzen, sich seinen Aufgaben zu stellen, und stattdessen wegzulaufen – und genau das tut Denethor.

Theoden hingegen stellt sich seiner Aufgabe, und gerade er ist es, dem die „Flucht aus dem Gefängnis“ gelingt, die Flucht aus dem Gefängnis des Offensichtlichen, des Vorhersehbaren: Er lässt sich nicht von der offensichtlichen Tatsache seiner Unterlegenheit einschüchtern und leistet trotzdem Widerstand, dem Tod lauthals trotzend.

Aragorn tut mit seiner Rede am Morannon dasselbe: Im Angesicht der vernichtenden Übermacht zerbricht er das Gefängnis der Angst und ruft gegen alle Vernunft zum Widerstand auf – im Bewusstsein, dass dies die einzige und letzte Chance ist, die Welt der Menschen zu schützen. Dass die Rede so geartet ist, dass jeder Flüchtige als Schänder dastehen würde, sehe ich nicht; dieser Aspekt wird im Film meines Empfindens nach ganz ausgeblendet, der Schwerpunkt liegt deutlich auf dem schon in meinem vorletzten Beitrag besprochenen Widerstand im Angesicht einer monströsen Übermacht.

Auch Gandalf, dem im Film schließlich auch nichts anders übrigbleibt als wie Denethor zur Flucht aufzurufen, unterscheidet sich zu diesem doch in einem wichtigen Punkt: Denethor ist völlig hoffnungslos und ruft dazu auf, ohne weiteren Widerstand das eigene Leben zu retten. Gandalf ruft nur zum Rückzug in den nächsten Ring der Stadt auf, leistet aber weiterhin Widerstand – zum Schutze der Stadt und ihrer Bewohner. Im Unterschied zum Buch ist die Stadt im Film nämlich noch voller Zivilisten, Frauen, Kinder, die diesen Wichtigen Unterschied zwischen Gandalf und Denethor, die Notwendigkeit des Widerstands, hervorheben.

 

Problematisch bei der ganzen Geschichte ist wohl hauptsächlich die Kategorisierung der Gegner. Die Tatsache, dass Tolkien die Gegner – Sauron, Orks, Ostlinge etc. – als zwar nicht ursprünglich böse, aber doch in ihrem ganzen Handeln und Trachten durch und durch böse darstellt, die aus der Perspektive der Verteidiger (der „Guten“) betrachtet totale Vernichtung bereithalten, mag modernen Ansprüchen nicht genügen. Sowohl Tolkien als auch Jackson differenzieren allerdings, wo sie nur können (siehe allein Gollum, oder – im Film – Faramirs Kommentar im Angesicht eines gerade getöteten Ostlings, in dem dieser einen durch Lügen verführten aber dennoch grundsätzlich guten Menschen sieht). Dennoch gibt es, angelehnt an die nordische Mythologie, eben reine Verkörperungen des Bösen, Sinnbilder für die internen und externen Schattenseiten der Menschheit, gegen die man sich zur Wehr setzen muss. Weil ansonsten nur eine Alternative gegeben ist: aufzugeben und sich überwältigen zu lassen.

 

Ob dies im Film mit einer „Der Zweck heiligt die Mittel“-Mentalität geschieht, kann ich gerade nicht beantworten, dazu müsste ich den Film noch einmal anschauen. Mir hat sich bisher jedoch nie dieser Eindruck ergeben. Gandalf beispielsweise tötet im Film einige Orks, in den meisten Fällen aber in reiner Notwehr und zum Schutz beispielsweise Pippins. Das brutale Zusammenschlagen Denethors hat bei mir auch viele Fragen aufgeworfen, diese Jacksonsche Änderung weiß ich noch nicht wirklich einzuordnen. Aber ich konnte bisher darin keine grundsätzliche Linie Gandalfs erkennen.

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Dunderklumpen

 

Dass Denethor aus wahnhaften Gründen handelt, sehe ich wie Du. Im Buch aber ruft er seine Truppen nicht zurück. Er hat sogar selber die Signal-Feuer entzünden lassen, er will ja mit Hilfe Rohans den Krieg führen und sich gegen Sauron wehren.

Im Film ruft übrigens auch Gandalf zum Rückzug und zur Flucht auf, ganz ähnlich, wie das Denethor schon früher gemacht hat. Hätte Gandalf das Denethor machen lassen, hätte es sehr viel weniger Tote gegeben

Wir diskturieren hier doch die Frage nach der Kriegsverklärung bzw. Kriegshetze in Peter Jacksons Herr der Ringe Verfilmung. Da hat Denethor dies nicht getan. Hier wird ein einheitliches Bild eines (selbst) zerstörerischen Herrschers gezeichnet, der nicht zum Wohle seines Volkes handelt.

 

Gandalf ruft die Truppen in einen höher gelegenen Ring der Stadt zurück, da die Posten überlaufen werden, das kann man mit dem chaotischen "Flieeht" von Denethor nicht vergleichen.

dunderklumpen

 

Thema Mord:

Als freier Bürger mit dem zugesichterten Recht, freie Ansichten zu haben und zu äußern, betrachte ich als Mord jede Tat, die bewusst einen anderen gegen seinen Willen vom Leben in den Tod befordert.

Ob dies auf dem Schlachtfeld geschieht oder im bürgerlichen Leben, ist für mich kein Unterschied.

 

Dass Juristen bei der Beurteilung vor Gericht das Wort "Mord" nicht auf Soldaten anwenden, betrifft nicht die freie Meinung der Bürger. Ein Jurist hat nicht das Recht, mir das Recht abzusprechen; Soldaten als Mörder wahrzunehmen und zu bezeichnen. Und das weiß auch jeder Jurist.

Es wird auch nirgends verlangt, dass die Bürger die juristische Entscheidung bezüglich Angeklagter in die eigene Ethik übernehmen.

 

Als freier Mensch steht es dir natürlich frei, grundsätzlich alles so zu definieren, wie es dir gefällt. Allerdings kann dies zu Missverständnissen führen. Ich empfinde deine Definition von Mord als undifferenziert. Dabei wollte ich nicht mal auf den Unterschied zwischen Tötungsakten im Krieg und im Zivilleben hinaus, sondern auf den bloßen Umstand, dass Gandalf in den dargestellten Szenen nur die Wahl hat zwischen dem eigenen Tod oder den Gegner zu töten. Das ist für mich definitiv kein "Rummorden".

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