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Beowulf – dritte Diskussion


raukothaur

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Willkommen im GTL zum

 

Beowulf.

 

Hier soll nach der Reclam-Ausgabe Lehnerts

Zeile 320-661 (Empfang Beowulfs, Herausforderung Beowulfs durch Unferth, Fortgang des Festes im zweiten Kapitel)

diskutiert werden.

 

Der allgemeine Besprechungsthread ist hier http://www.tolkienfo...f-und-die-edda/ zu finden.
 

Grundsätzlich haben wir uns auf die Übertragung von Lehnert aus dem Jahr 1986 (Reclams Universal-Bibliothek Nr. 18303) geeinigt. Solltet Ihr eine andere Übertragung verwenden, wäre es hilfreich, wenn Ihr hierauf jeweils hinweisen würdet, weil Abweichungen in der Wortwahl bestehen können. Manche Übertragungen geben der wortgetreuen Übersetzung den Vorrang, manche scheinen mehr erläuternd dem Sinn oder der flüssigen Lesbarkeit den Vorrang zu geben.

 

Und wieder einmal auf ein schönes Diskutieren und Austauschen. :-)

 

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Gast Joran aus den Schatten

Dies ist nach der Anzahl der Verse unser längster Abschnitt, wenn ich das richtig sehe. Dennoch hat niemand etwas zu sagen? ... Damit sich hier nicht ausschließlich Leere ausbreitet, gebe ich mal ein Lebenszeichen von mir und zeige, dass ich weiter mitgelesen habe.

 

 

Interessant an unserem aktuellen Leseabschnitt fand ich vor allem die "Herausforderung" Beowulfs durch Unferð.

 

Der Name Unferð wird von Lehnert (1986) in der Einleitung der Verse 499-606 mit "Unfriede" übersetzt, wodurch der Dichter dieser Person ja schon unterschwellig einen gewissen Charakterzug beimessen würde. Diese Deutung des Namens entspricht der traditionellen Übertragung. Allerdings ist diese offenbar unsicher, worauf Standop (nach Lehnert 1939) in der Fußnote zu Vers 499 hinweist.

 

Unferð sitzt zu Füßen des Hrōthgar (V. 500) und wird in Vers 1165 (allerdings in der von beadoleoma bezeichneten Fundstelle http://www8.georgetown.edu/departments/medieval/labyrinth/library/oe/texts/a4.1.html dann in der Schreibweise Unferþ) als "þyle" bezeichnet. Aus beiden Umständen (der Sitzposition und dem Wort "þyle") leitet Standop (nach Lehnert 1939) ab, dass es sich bei Unferð wahrscheinlich um den "Regierungssprecher" am Hofe des Hrōthgar handelte. Eine einleuchtende Übertragung für das Wort "þyle" als Bezeichnung für eine Person habe ich allerdings noch nicht gefunden. Aus den Hinweisen bei Bothworth-Toller bin ich nicht wirklich schlau geworden.

 

Es wird daher auch angenommen, bei der "Herausforderung" könne es sich auch um ein typisch germanisches "fliting" handeln, einen sportlich zu wertenden Wettstreit mit Worten, der aus dem altnordischen bekannt sei.

 

Für diese Deutung spricht aus meiner Sicht der ansonsten erstaunliche Umstand, dass der Streit trotz der sehr drastischen Worte, die hier gewählt werden, ohne jede Folgen bleibt. Beowulf setzt ja nicht nur Unferð herab, sondern in den Versen 595 bis 601a sehr deutlich auch den gesamten Stamm der Schildinger bzw. Gerdänen, seine Gastgeber. Und Hrōthgar ist hierüber erstaunlicherweise auch noch voller Freude (Vers 607). In der Halle ertönt Lachen und Lärmen. Es herrscht beste Feierstimmung.

 

Später stellt Unferð dem Beowulf sogar noch sein Schwert Hrunting zur Verfügung, mit dem Beowulf gegen die Mutter Grendels in den Kampf zieht (Verse 1455 ff.; vgl. Standop nach Lehnert 1939, Fußnote zu Vers 499).

 

Beim ersten lesen erschien mir das völlig absurd. Man hätte nach einer solchen Rede doch erwartet, dass den Worten nun auch Taten folgen, oder? Zumal ja ordentlich gezecht wurde.

Bearbeitet von Joran aus den Schatten
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Für diese Deutung spricht aus meiner Sicht der ansonsten erstaunliche Umstand, dass der Streit trotz der sehr drastischen Worte, die hier gewählt werden, ohne jede Folgen bleibt. Beowulf setzt ja nicht nur Unferð herab, sondern in den Versen 595 bis 601a sehr deutlich auch den gesamten Stamm der Schildinger bzw. Gerdänen, seine Gastgeber. Und Hrōthgar ist hierüber erstaunlicherweise auch noch voller Freude (Vers 607). In der Halle ertönt Lachen und Lärmen. Es herrscht beste Feierstimmung.

Ich verstehe das auch nicht so recht. Da ich nicht weiß, ob Du mit dem Beowulf durch bist, Joran, oder sonst auch für andere, setze ich folgendes in Spoiler.

Habe fast damit gerechnet, dass sich Unferth im Verlauf der Handlung noch irgendwie an Beowulf rächen wird. Das hat er aber nicht getan. Was mich auch verwundert. Gibt es jmdn., der das erklären kann? Ist die Szene, wie Joran schon schrieb, nur ein "fliting"?

*

Außerdem komisch finde ich die sehr überzogene Darstellung des Schwimmwettbewerbs, in dem Beowulf einfach mal so 7 Tage lang schwimmt (vgl. Vers 517) und noch zusätzlich 9 Wasserungeheuer (vgl. Vers 575) tötet. Wie ist das wiederum zu verstehen? Hat der Beowulf nicht den Anspruch, da auch nur halbwegs realistisch zu sein?

 

Auch im Film "Die Legende von Beowulf" wird das Schwimmen sehr überzogen dargestellt, besonders der Kampf mit den Wasserungeheuern (obwohl es dort - sofern mein Gedächtnis mit nicht trügt - 'nur' 3 sind). Der Unterschied zur Vorlage besteht aber darin, dass ich den Film nicht weiterempfehlen kann. Habe ihn bei z.B. moviepilot mit 3/10 Punkten bewertet, was eig. schon zu gnädig ist.

 

Einer der vier Graubärte (die in Hoch-Hrothgar wohnen) in Skyrim heißt Wulfgar. Von ihm erhält man als Dovahkiin das letzte Wort des Schreis "Unerbittliche Macht", nämlich "Dah". Dies ist der populärste Schrei (komplett: "Fus Ro Dah") und hat im Internet bzw. vor allem auf youtube eine Art Kultcharakter erreicht. Einen Bezug zum Amtmann Wulfgar im Beowulf kann ich aber nicht erkennen. Wahrsch. sollte im Spiel durch den Namen eine nordisch-germanische Atmosphäre aufgebaut werden, da es z.B. eine 'Rasse' mit dem Namen Nord gibt, oder auch Draugr in Draugr-Gräbern, die eindeutig aus der nordischen Mythologie stammen.

 

 

* Kann man auch anderweitig spoilern? Gibt es eine Spoilerfunktion? -> Hat sich erledigt, danke nochmal an Cadrach.

Bearbeitet von seregthaur
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  • 2 Wochen später...
Gast Dunderklumpen
Hat der Beowulf nicht den Anspruch, da auch nur halbwegs realistisch zu sein?

 

Hat er nicht, nein.

 

Beowulf wird beschrieben als jemand, der so stark war wie 30 Kämpfer, das weist auf keinen realistischen Ansatz hin. Das kenne ich auch von anderen mythischen Figuren wie Odysseus oder Siegfried. Sie alle vermochten mehr als reale Menschen. Mich hat das nie gestört in den alten Sagen, ich bin damit groß geworden. Die Märchenfiguren meiner Kindheit konnten auch immer mehr als ich - hundert Jahre schlafen, Dukaten aus Eseln purzeln lassen -, aber mich hat das nie irritiert, in einer bestimmten Dimension war das für mich völlig stimmig.

 

Tolkien schreibt im Märchenaufsatz, dass für ihn Walhalls Regenbogenbrücke tiefere Realität besitze als die eiserne Brücke im Ort.

Woanders schreibt er, dass ihn früh eine Welt interessiert habe, in der Drachen möglich waren.

 

Und, füge ich hinzu: Wo Drachen möglich sind, sind auch menschenähnliche Wesen vorhanden, die ein Bedürfnis haben, sich den Drachen zu stellen und Kräfte besitzen, sich ihnen zu stellen.

 

Bard aus dem Hobbit hat auch die Fähigkeit, den winzig kleinen Fleck im fliegenden Drachen und bei Dämmerung zu treffen: Er hatte eine Art magischen Pfeil aus alter Vergangenheit, und er verstand die alte Sprache der Vögel.

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Tolkien schreibt im Märchenaufsatz, dass für ihn Walhalls Regenbogenbrücke tiefere Realität besitze als die eiserne Brücke im Ort.

Woanders schreibt er, dass ihn früh eine Welt interessiert habe, in der Drachen möglich waren.

Wie ist das zu verstehen? Könntest Du das vllt ein wenig mehr erläutern?

Setzt er hier mit der "tieferen Realität" seine Vorstellungskraft über seine Sinne, mit denen er die örtliche Brücke betreten, anfassen, vllt sogar (wegen des Rostes) riechen also generell wahrnehmen kann?

Bearbeitet von seregthaur
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Damit ist »On Fairy-stories« gemeint, den es in der kommentierten Ausgabe leider nur noch zu horrenden Preisen zu kaufen gibt. Allerdings ist der Essay selbst auch in den Anthologien Tales from the Perilous Realm und Tree and Leaf erhältlich. Die deutsche Übersetzung ist aus meiner Sicht völlig unbrauchbar.

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Gast Dunderklumpen

Ich muss ganz einfach voraussetzen, dass Tolkienleute sich mit den Grundgedanken Tolkiens selbständig vertraut machen, auf Basis von eigener Lektüre. Wenn das nicht geht, kann ich da unmöglich einspringen. Wenn meine gegebene Erläuterung nicht ausreicht, dann kann ich das nicht ändern. Jede Bücherei wird das Buch haben oder kann es bestellen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Bitte mich nicht zu überfordern. :kratz:

Bearbeitet von Dunderklumpen
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  • 4 Wochen später...

Für diese Deutung spricht aus meiner Sicht der ansonsten erstaunliche Umstand, dass der Streit trotz der sehr drastischen Worte, die hier gewählt werden, ohne jede Folgen bleibt. Beowulf setzt ja nicht nur Unferð herab, sondern in den Versen 595 bis 601a sehr deutlich auch den gesamten Stamm der Schildinger bzw. Gerdänen, seine Gastgeber. Und Hrōthgar ist hierüber erstaunlicherweise auch noch voller Freude (Vers 607). In der Halle ertönt Lachen und Lärmen. Es herrscht beste Feierstimmung.

Ich sehe auch kaum eine andere Moeglichkeit als diesen Abschnitt als traditionelles Wortgefecht zu sehen. Und natuerlich ist es auch ein literarischer Kniff - so kann Beowulf noch einmal ausfuehrlich von seinen Taten und Errungenschaften berichten, bevor er auf Grendel trifft.

Smits schreibt, dass Unferth und Wealtheow die Unentschlossenheit Hrothgars symbolisieren koennten - die Skepsis in der Gestalt von Unferth und die Akzeptanz/Freude in der Gestalt von Wealtheow, die Beowulf den Begruessungsbecher reicht. Mir ist das etwas weit hergeholt, aber ich sehe schon das kontrastierende Element in den vier Interaktionen (Unferth-Beowulf, Beowulf-Unferth, Wealtheow-Beowulf, Beowulf-Wealtheow).

Außerdem komisch finde ich die sehr überzogene Darstellung des Schwimmwettbewerbs, in dem Beowulf einfach mal so 7 Tage lang schwimmt (vgl. Vers 517) und noch zusätzlich 9 Wasserungeheuer (vgl. Vers 575) tötet. Wie ist das wiederum zu verstehen? Hat der Beowulf nicht den Anspruch, da auch nur halbwegs realistisch zu sein?

Wenn dir das zu ueberzogen ist, kannst du dich ja fuer die 'Ruder'-Interpretation entscheiden. ;)
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