Tolkiens geniale Querverbindungen

[Neniel Tindómerel]

Bei Tolkien gibt es neben der epischen Handlung viele unglaublich präzise Querverbindungen, die man nur beim zweiten Hinschauen bemerkt, aber die die Geschlossenheit der Handlung eindrucksvoll beweisen.

Zum Beispiel:

Silmarillion, Kap XXIII Von Tuor und dem Fall von Gondolin:

Schließlich führte sie [Tuor und sein Begleiter Voronwe] ihr Weg zu den Weihern von Ivrin ... doch während sie dies noch betrachteten, sahen sie einen, der eilig nach Norden ging, und er war ein großer Mensch, in Schwarz gehüllt und ein schwarzes Schwert an der Seite. Aber sie wußten nicht, wer er war ... und er ging an ihnen vorüber, ohne daß sie sich zu erkennen gaben.

Die Auflösung findet sich vorweggenommen zwei Kapitel früher, in Kapitel XXI, Von Túrin Turmbar:

Endlich, ganz erschöpft von der Eile ... kam er [Túrin], zugleich mit dem ersten Eis des Winters, zu den Weihern von Ivrin ...

Zeitpunkt und Ort stimmen überein, außerdem entspricht Túrins Kleidung und Bewaffnung (Stichwort Mormegil) der Beobachtung Tuors.

Oder

Herr der Ringe, Buch 6, Das Land der Schatten:

Hinter ihnen wurde es hell. Langsam kroch das Licht nach Norden. Da war ein Kampf hoch oben in den hohen Luftschichten. Die sich türmenden Wolken von Mordor wurden hinweggefegt, und ihre Ränder rissen in Fetzen, als ein Wind aus der lebenden Welt aufkam und Qualm und Rauch in ihr dunkles Heimatland zurücktrieb ... "Sieh dir das an, Herr Frodo", sagte Sam. ... "Der Wind hat gedreht. Irgend etwas geschicht. Es geht nicht alles so, wie er will. ..."

Es war der Morgen des 15. März, und über dem Tal des Anduin stieg die Sonne über den östlichen Schatten, und der Südwestwind drehte. Théoden lag sterbend auf den Pelennor-Feldern.

Und dieselbe plötzliche Änderung der Windrichtung findet sich in Kapitel 5, Die Schlacht auf den Pelennor-Feldern, als die vermeintlichen Korsaren von Umbar eintreffen:

Gerade, als sich der Tag so gegen Gondor zu wenden begann und die Hoffnung der Mannen ins Wanken geriet, da stieg ein neuer Schrei in der Stadt auf, am Vormittag, als ein starker Wind blies und den Regen nach Norden trieb und die Sonne schien.

...

So kam Aragorn ... von den Pfaden der Toten, und der Wind hatte ihn vom Meer zum Königreich Gondor getragen...

Es ist der Wahnsinn...

Alles kleine Dinge, die man meist nur mit dem Sil in der einen Hand, den "Nachrichten" in der anderen und tief über den Mittelerde-Atlas gebeugt bemerkt, oder eben nach dem zehnten Mal Lesen...

Kennt Ihr mehr solcher Stellen?

Bearbeitet 10. Oktober 2011 von Cadrach

[Gast Tawariel]

Ich habe leider nicht die genaue Stelle parat, aber:

Die drei Jäger sind hinter den Uruks her. Irgendwann blickt Aragorn nach Norden. U.a. sieht er fern über dem Gebirge einen großen Vogel kreisen.

Das muss Gwaihir sein, der Gandalf aufsammelt und nach Lorien trägt. :-O

[Nelkhart]

Die bekannteste Querverbindung dürfte (mal abgesehen vom Ring der Macht) die Begegnung beider Gefährten-Gruppen mit den drei Trollen Bill, Bert und Tom Huggins sein. Als ihnen Bilbo und die Zwerge in die Hände fielen, waren sie noch lebendig und einigermaßen bösartig. Den Ringgefährten boten sie wiederum als erstarrte Felsformation einen gewissen Schutz.

Noch viel interessanter als diese Querverbindungen finde ich allerdings die narrativen und mythologischen Symmetriën im Werk.
Zum Beispiel die Wiederkehr der Elementarordnung der Silmarilli (Erde/Feuer, Wasser, Luft/Himmel) in den drei Ringen oder das Schicksal der Cousins Tuor und Túrin, die man als Goldmarie und Pechmarie der Quenta bezeichnen könnte.

Hier nach weiteren Beispielen zu suchen, könnte durchaus unterhaltsam sein.