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"You cannot pass" - ein hochaktueller Satz?


Alsa

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Zitat

"You cannot pass!" - das zu rufen, hat heute wieder neue Notwendigkeit. 

Tolkien scheint tatsächlich wieder aktuell zu sein. 

 

 

Dies habe ich vor ein paar Tagen geschrieben, als Meriadoc die berühmte Stelle aus dem Film im Film-Unterforum veröffentlicht hat.

Torshavn fragte, was ich damit meine:

und das will ich nun hier erklären.

Wir stehen gerade in einer Zeit, in der - meiner Beobachtung nach - sich das wiederholt, was Tolkien zum Schreiben veranlasst hat:

dass etwas - ich sage das mal etwas pathetisch - "aus dunklen Tiefen" wieder hochgekrabbelt kommt.

Deutlicher will ich erst mal nicht werden.

Möchte aber hinzufügen, dass Wayne Hammond - der viele Bücher über Tolkien geschrieben hat und vor allem Tolkiens Zeichnungen und Bilder mit seinen Texten verglichen hat, einmal einen interessanten Hinweis gegeben hat:

Ich finde die Textstelle aber leider nicht wieder, weil ich nicht genau weiß, wo er das geschrieben hat und ich das Buch wahrsheinlich nicht besitze.

Darum schreibe ich aus der Erinnerung:

Er weist darauf hin, dass in "Briefe vom Weihnachtsmann" und da im Jahr 1931 erstmalig in einer Zeichnung ein "goblin" auftaucht, der da um die Ecke lugt.  Hier das Bild: https://tygertale.com/2012/12/14/december-14th-the-father-christmas-letters/wpid-photo-25-nov-2012-2133-jpg/

Dieser "goblin" ist wohl die Vorstufe zu den Orks. Aber auch in den "Briefen vom Weihnachtsmann" sind sie schon durch ihren Lug und Trug gekennzeichnet.

W. Hammond weist in anderen seiner Bücher - die ich dann allerdings besitze - darauf hin, dass in diesen Briefen ab 1932 die Zahl der Goblins wächst, sogar weiltweit, Krieg vorbereitet, bis der Krieg dann auch wirklich 1939 ausbricht.

Tolkien hat in den "Briefen vom Weihnachtsmann" - und da sind sich die Tolkienforscher einig - die gerade stattfindende reale politische Situation auf mythische Weise in die "Briefe" einfließen lassen.

Gandalf mit seinem "You cannot pass" wehrt ebenfalls das Dämonische, also einen Betrüger zurück:

"Du kommst hier nicht vorbei".

Und der Betrüger kommt tatsächlich nicht vorbei, auch wenn Gandalf selber abstürzt. 

Unter "mythisieren" verstehe ich:

reales politisches Geschehen wird in seiner Grundsubstanz in mythischen Personen bebildert.

So wie Goethe die Faustfigur als eine mythische Figur damaligen deutschen Denkens entworfen hat: wie aus verzweifelter Sinnsuche ein Machtdenken erwächst, das zum Verbrechen führt. 

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Ja, Gandalf stürzt ab und kann das Böse nur durch Opferung seines eigenen Lebens als Gandalf der Graue bezwingen. Und er kehrt wieder, mächtiger und ganz in weiß - die Reinkarnation des Guten. Und worum geht es dem Guten? Darum, das zu vernichten, was uneingeschränkte Herrschaft über die Völker Mittelerdes ermöglicht, also Machtkonzentration zu verhindern. Selbst der moralisch integere Gandalf traut sich nicht zu, den Ring an sich zu nehmen, obwohl er ihn einsetzen würde, um "Gutes zu tun" wie er sagt. Es geht nicht darum, was man damit tut, es geht um die Machtkonzentration, die immer eine Gefahr darstellt.

Aber auch Gandalf ist nicht der, dem diese Aufgabe letztendlich gelingt. Es ist ein kleiner, schwacher Hobbit, ein absoluter Durchschnittstyp, scheinbar ohne besondere Fähigkeiten und ganz sicher ohne die Art von Macht, welche die Großen in Mittelerde anstreben und um deren Willen Konflikte ausgetragen werden.

Vielleicht zeigt Tolkien - folgt man deinem Interpretationsansatz - ja auch eine Perspektive für die Überwindung des "Dämonischen" auf. Zumindest wird klar, dass die bösen Mächte in Mittelerde nicht mit ihren eigenen Mitteln bekämpft werden können, und dass das eigentlich Verderbliche gar nicht so sehr im Inhalt als vielmehr in der Art der Durchsetzung liegt. Gandalfs oder Galadriels Herrschaft über Mittelerde sähe ganz anders aus als Saurons, wäre aber nicht weniger schrecklich.

Also Fazit: Es braucht mehr Hobbits. Menschen wie du und ich, die vielleicht unscheinbar, bequem und nicht übermäßig schlau oder reflektiert sein mögen, dafür aber konsequent jede Form von Dogmatismus ablehnen.

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Danke, Ruthel, für die Antwort.

Du gibst Stichworte, an denen man weiterdenken kann.

Und gibst mir indirekt - vermutlich - Recht, dass Tolkien aus realer eigener Anschauung und Emotion die o.g. literarische Situation geschaffen hat - und dass wir heute weltweit in Gefahr sind, dem Dogmatismus neu zu huldigen.

Sodass Toikiens Werk möglicherweise heute aktueller ist als direkt nach Tolkiens Tod 1973. 

In einem Punkt sehe ich es anders:

Gandalf musste - meiner Erinnerung nach - weder im Buch noch im Film sich opfern, um den Balrog zu besiegen. 

Im Film weiß ich das genau: Gandalf ist unachtsam, freut sich zu früh über seinen Sieg. Und das nutzt der Balrog aus, um ihn, der schon besiegt ist, mit sich zu ziehen.

Im Buch werde ich das noch mal nachlesen, aber ich bin ziemlich sicher, dass es auch hier Gandalfs Nachlässigkeit ist, die ihn zu Fall bringt.

Das würde Deine Deutung sogar unterstützen, dass nicht Macht die Macht besiegen kann. - War Gandalf vielleicht eine Sekunde zu selbstgefällig?

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Ich habe jetzt im Buch nachgeguckt, warum Gandalf den Balrog zwar besiegt und den Balrog abstürzen lässt, aber im letzten Moment von der Peitsche des Balrogs mit runtergezogen wird:

es wird im Buch keine Nachlässigkeit Gandalfs beschrieben. Das scheint nur im Film so zu sein. Insofern hat mich meine Erinnerung da getäuscht.

Gesiegt hat Gandalf dennoch: ""you cannot pass" hat Recht behalten.

Mir ist auch aufgefallen, wie ruhig Gandalf diesen Satz sagt - nicht so pathetisch wie im Film. Der Buch-Gandalf stellt es nur ruhig als Fakt fest.

Angewandt auf die politischen Situationen, in denen Lug und Betrug die Welt in den Abgrund zu ziehen drohen: es gibt eine Kraft in der Menschheit, die das besiegen kann. 

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vor 44 Minuten schrieb Alsa:

Angewandt auf die politischen Situationen, in denen Lug und Betrug die Welt in den Abgrund zu ziehen drohen: es gibt eine Kraft in der Menschheit, die das besiegen kann. 

Und dafür mit dem Leben bezahlt? (wenn man den Gandalf Vergleich zu Ende denkt). Ich hoffe, das es nie wieder so weit kommt, das man bereit sein muss zu sterben, um das Böse (Lug & Trug) von der Macht fern zu halten. Das muss doch auch anders gehen.

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vor 6 Minuten schrieb Torshavn:

Und dafür mit dem Leben bezahlt? (wenn man den Gandalf Vergleich zu Ende denkt). Ich hoffe, das es nie wieder so weit kommt, das man bereit sein muss zu sterben, um das Böse (Lug & Trug) von der Macht fern zu halten. Das muss doch auch anders gehen.

 

Gandalf ist für mich eine mythische Figur. Sie ist kein Abbild eines realen Menschen. 

Gandalf lebt - wie Ruthel oben ja oben auch noch mal erwähnt - ja weiter.

Damit erinnert Gandalf an diejenigen mythischen Figuren vieler Kulturen, die sterben und wieder auferstehen.

Das heißt für mich - übersetzt in Klartext:

die Idee stirbt nicht. Oder: die Kraft - das Feuer sozusagen - kann nicht ausgelöscht werden.

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Am 18.11.2019 um 21:19 schrieb Alsa:

Und gibst mir indirekt - vermutlich - Recht, dass Tolkien aus realer eigener Anschauung und Emotion die o.g. literarische Situation geschaffen hat - und dass wir heute weltweit in Gefahr sind, dem Dogmatismus neu zu huldigen.

Ich stimme zu, dass der Herr der Ringe einen Konflikt behandelt, der als eine Kritik an damaligen und gegenwärtigen politischen Entwicklungen gedeutet werden könnte - und ich finde es immer spannend solche Zusammenhänge zu entdecken oder (in diesem Fall) darauf aufmerksam gemacht zu werden. Was Tolkiens eigene Motivation angeht, so weiß ich leider viel zu wenig über den Professor, seine sonstigen Aufzeichnungen/Briefe oder die Umstände der Entstehung des Buches und traue mir da kein Urteil zu. Schade eigentlich - das Thema interessier mich und vielleicht ist in demnächst ja ein bisschen Zeit da, um sich ein wenig zu belesen. Obwohl die Frage "Was hat sich der Autor wohl dabei gedacht?" wohl immer sehr spekulativ ist, wenn er nicht gerade selbst etwas dazu gesagt hat. Und für die Frage nach der Aktualität des Themas ist Tolkiens persönliche Motivation beim Schreiben ja vielleicht gar nicht so relevant.

Ich habe leider keines von W. Hammonds Büchern, auf die du eingangs verweist, gelesen. Allerdings besitze ich "Die Briefe vom Weihnachtsmann" und kann die These von der Verarbeitung der politischen Entwicklungen seiner Zeit bestätigen - zumindest verlaufen die immer heftiger werdenden Angriffe der Kobolde bis 1939 eindeutig parallel zur Festigung des NS-Regimes in Deutschland und dem letztendlichen Kriegsausbruch. Das Format bietet sich ja auch an, um die politischen Geschehnisse der Gegenwart zu kommentieren - jedes Jahr ein Brief aus Perspektive einer Figur, die Teil unserer realen Welt ist und dementsprechend die realen Kriegsvorbereitungen dem eigenen Kampf gegen die Plage der Kobolde gegenüberstellt (übrigens habe ich beim erneuten Überfliegen einige fast hellsichtige Passagen entdeckt - etwa wenn der Erzähler/der Weinachtsmann 1932 vermutet, die Kobolde würden nie ganz verschwinden, sondern "in einem Jahrhundert oder so" wieder auftauchen).

Im "Der Herr der Ringe" ist dieses "Mythisieren", falls vorhanden, nicht so eindeutlig feststellbar. Die Verbindung zur politischen Wirklichkeit wäre jedenfalls viel abstrakter. Könntest du vielleicht noch einmal genauer erklären, was dich dazu veranlasst hat, vom Bezug Tolkiens auf reale Ereignisse in seinen "Briefen vom Weihnachtsmann" auf eine ähnliche Motivation im "Der Herr der Ringe" zu schließen? Und würdest du diese Motivation vor allem oder ausschließlich in der Szene mit dem Balrog erkennen oder ist glaubts du, dass Tolkien mit dem gesamten Werk die politischen Ereignisse auf mythische Art verarbeitet hat?

 

 

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Am 20.11.2019 um 11:24 schrieb Alsa:

Angewandt auf die politischen Situationen, in denen Lug und Betrug die Welt in den Abgrund zu ziehen drohen: es gibt eine Kraft in der Menschheit, die das besiegen kann. 

Wäre es nicht noch spannender, wenn wir zusätzlich zu der Deutung der Figuren als Symbole bzw. Allegorien auch noch den Kontext der Figuren innerhalb der Diegese selbst mit in die Deutung einbeziehen?

Warum deuten wir den Balrog in dieser Szene als "Lug und Betrug" oder als "Fake news" aufgrund dessen, was der Balrog in dieser Szene macht und sagt? Tolkien hat ja nicht nur eine Kurzgeschichte über einen Zauberer, der einen Dämon auf einer Brücke abwehrt, sondern eine gesamte sub-creation verfasst. Wir verfügen also über mehr Informationen über die Figuren, als sie in dieser Szene vorhanden sind. 

Balrogs waren ja bekanntlich die Generäle Melkors - also starke Gehilfen und Diener des Dunklen. Eventuell sogar "nur" mächtige "Instrumente", welcher sich Melkor bedient hat. Insofern könnte ja die These stimmen, dass Dûrins Fluch für Lug und Betrug steht, denn: Wie auch immer man das "Böse" oder "Dunkle" definiert: es sorgt für Zwietracht, Chaos, Disharmonie. Um das zu erreichen, gibt es verschiedene Mittel - unter anderem auch die Lüge. Also warum nicht?

Wenn man den Balrog dann jedoch als eine mythische Figur aktuellen politischen Geschehens interpretieren wöllte, warum dann nicht noch genauer hinschauen? 

Woher kam denn der Balrog? Tauchte er einfach so aus dem Nichts auf? War er nach der Niederlage Melkors in das Nebelgebirge geflohen? Nein - "die Zwerge haben zu lang und zu tief gegraben" heißt es im Film (Textstelle im Buch habe ich auf die Schnelle nicht gefunden), sodass sie ein uralte, finstere Macht erweckt haben. 
Der Balrog wurde also durch den Ressourcenhunger der Zwerge erweckt. Zu gierig waren sie nach den Schätzen, die ihnen die natürlichen Gegebenheiten gar verführerisch in Form von riesigen Mithriladern darboten. Na, wenn das mal nicht nach klimaneutraler Propaganda schreit... 

Kurz dazu: Ich finde die These selber Quatsch. Ich es generell schwierig, aktuelle politische Themen in die Erzählung Tolkiens in Form von mythischen Figuren hineinzuinterpretieren. Vor allem, wenn die Figuren quasi losgelöst von der Diegese betrachtet werden. Dass Tolkien allerdings bestimmte Assoziationen seiner Welt und omnipräsenter Bestandteile der Menschheitsgeschichte in seine sub-creation hat einfließen lassen: keine Frage.

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vor 10 Minuten schrieb Roncalon:

Wäre es nicht noch spannender, wenn wir zusätzlich zu der Deutung der Figuren als Symbole bzw. Allegorien auch noch den Kontext der Figuren innerhalb der Diegese selbst mit in die Deutung einbeziehen?

Nur erst mal ganz kurz hierzu:

Ich hoffe, ich habe nirgends von "Symbol" oder "Allegorie" gesprochen.

Erstens ist Symbol ganz was anderes als Allegorie, und zweitens geht es mir erst einmal um Tolkien selber, wie und warum er seine Figuren entwickelt hat.

 

Zitat

Kurz dazu: Ich finde die These selber Quatsch.

Ich weiß zwar nicht, welche These Du "Quatsch" findest - aber jedenfalls beschäftige ich mich mit Tolkien seit seinem Tod, das sind 45 Jahre.

Es wäre gut, wenn ein zivilisierter Umgang mit den Ansichten anderer möglich wäre, ohne Beleidigungen. Sonst bin ich hier schnell weg.

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vor 14 Minuten schrieb Alsa:

Nur erst mal ganz kurz hierzu:

Ich hoffe, ich habe nirgends von "Symbol" oder "Allegorie" gesprochen..

Ich habe deine Definition 

Am 10.11.2019 um 14:42 schrieb Alsa:

Unter "mythisieren" verstehe ich:

reales politisches Geschehen wird in seiner Grundsubstanz in mythischen Personen bebildert.

so verstanden, dass etwas Abstraktes (aktuelles politisches Geschehen oder eben die Grundsubstanz dessen) anhand einer Figur (in diesem Falle: Balrog von Moria) dargestellt wird. Für mich eine Allegorie. 

vor 15 Minuten schrieb Alsa:

Ich weiß zwar nicht, welche These Du "Quatsch" findest - aber jedenfalls beschäftige ich mich mit Tolkien seit seinem Tod, das sind 45 Jahre.

Meine eigene, nämlich dass der Balrog, falls er tatsächlich eine mythisierte Figur sein sollte, die aktuelle politische Lage zum klimaneutralen Denken ist. 

Ich finde deinen Gedanken, dass der Balrog eine mythisierte Figur ist sehr interessant und spannend. Nur hat Tolkien den Balrog ja aber wie oben schon geschrieben nicht kontextlos in dieser Szene erscheinen lassen. Darum ging es mir vor allem in meinem Post. Die. Figur einer Diegese würde ich nie gänzlich losgelöst von eben dieser Diegese betrachten, analysieren, deuten usw. 

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vor 14 Stunden schrieb Ruthel:

Obwohl die Frage "Was hat sich der Autor wohl dabei gedacht?" wohl immer sehr spekulativ ist, wenn er nicht gerade selbst etwas dazu gesagt hat. Und für die Frage nach der Aktualität des Themas ist Tolkiens persönliche Motivation beim Schreiben ja vielleicht gar nicht so relevant.

Ja, richtig. Darum geht es mir auch überhaupt nicht.

Ich wollte nur betonen, dass man Gandalf nicht als realistischen Menschen ansehen kann. Wenn er stirbt und wieder aufersteht, dann zeigt das seine mythische Wesensart.

 

vor 14 Stunden schrieb Ruthel:

Ich habe leider keines von W. Hammonds Büchern, auf die du eingangs verweist, gelesen. Allerdings besitze ich "Die Briefe vom Weihnachtsmann" und kann die These von der Verarbeitung der politischen Entwicklungen seiner Zeit bestätigen - zumindest verlaufen die immer heftiger werdenden Angriffe der Kobolde bis 1939 eindeutig parallel zur Festigung des NS-Regimes in Deutschland und dem letztendlichen Kriegsausbruch.

Ja.

Und genau hier muss man aufpassen, dass man einen Kobold nicht mit einem Nazi z.B. gleichsetzt.

Und darum lohnt es sich, Tolkiens Verständnis von mythischen Wesen zu ergründen. 

 

vor 14 Stunden schrieb Ruthel:

Das Format bietet sich ja auch an, um die politischen Geschehnisse der Gegenwart zu kommentieren - jedes Jahr ein Brief aus Perspektive einer Figur, die Teil unserer realen Welt ist und dementsprechend die realen Kriegsvorbereitungen dem eigenen Kampf gegen die Plage der Kobolde gegenüberstellt (übrigens habe ich beim erneuten Überfliegen einige fast hellsichtige Passagen entdeckt - etwa wenn der Erzähler/der Weinachtsmann 1932 vermutet, die Kobolde würden nie ganz verschwinden, sondern "in einem Jahrhundert oder so" wieder auftauchen).

Tatsächlich. Dass die in einem Jahrhundert wieder auftauchen könnten, steht da tatsächlich. 

Das könnte belegen, dass es mythische und nicht realistische Wesen sind, die bestimmte Eigenschaften haben, die der Mensch auch hat - aber letztere eben mit vielen anderen Eigenschaften vermischt. 

Aufgefallen ist mir gerade in diesem Brief aus dem Jahr 1932, dass diese Kobolde besonders "mechanisches Spielzeug" lieben.

Tolkien hat also die "bösen" mythischen Wesen der Vergangenheit bereits modernisiert. Die Mechanisierung des Krieges - wo man Tausende mit einem Schlag ermorden kann - ist eines der Punkte Tolkiens, die er öfter erwähnt.

 

vor 14 Stunden schrieb Ruthel:

Im "Der Herr der Ringe" ist dieses "Mythisieren", falls vorhanden, nicht so eindeutlig feststellbar. Die Verbindung zur politischen Wirklichkeit wäre jedenfalls viel abstrakter. Könntest du vielleicht noch einmal genauer erklären, was dich dazu veranlasst hat, vom Bezug Tolkiens auf reale Ereignisse in seinen "Briefen vom Weihnachtsmann" auf eine ähnliche Motivation im "Der Herr der Ringe" zu schließen? Und würdest du diese Motivation vor allem oder ausschließlich in der Szene mit dem Balrog erkennen oder ist glaubts du, dass Tolkien mit dem gesamten Werk die politischen Ereignisse auf mythische Art verarbeitet hat?

Ich muss hier leider passen. Ich habe zwar mal die HoMe desbezüglich durchgeackert, und Christopher liefert da ziemlich viel Beispiele, wie mit wachsendem Zweiten Weltkrieg auch in der Niederschrift des "Herrn der Ringe" der Krieg eine ständig wachsende Bedeutung bekommt - immerhin handelt das ganze Buch ja vom "Ringkrieg" -:

aber es ist zu lange her, als dass ich hieb- und stichfest belegen könnte.

Ich habe mich jetzt erst mal auf die Frühzeit Tolkiens spezialisiert und lese dazu gerade John Garth, Tolkien und der Erste Weltkrieg - Das Tor zur Mittelerde.

John Garth hat viele Zusatzquellen an Land geschafft - bei Christopher Tolkien, anderen Tolkiens und bei den Familien der "im Krieg gebliebenen" Freunde Tolkiens -, die Aufschluss geben können über Tolkiens ursprüngliches Anliegen, mit den Mythen zu beginnen. 

Wahrscheinlich war dieses ursprüngliche Anliegen: ein Licht in die Welt zu tragen. 

Zum Balrog:

Für mich war das nur ein Aufhänger, weil mir die Filmszene mit dem "Du kannst hier nicht vorbei", die in einem anderen Thread gepostet wurde, fast wie ein Aufruf vorkam, den man sich heute auch wünscht.

Die Balrogs waren Soldaten Melkors, und sie wollten garantiert nichts Gutes. Ihnen Paroli zu bieten: das war vermutlich Tolkiens Anliegen.

 

 

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vor 6 Stunden schrieb Roncalon:

Ich habe deine Definition 

so verstanden, dass etwas Abstraktes (aktuelles politisches Geschehen oder eben die Grundsubstanz dessen) anhand einer Figur (in diesem Falle: Balrog von Moria) dargestellt wird. Für mich eine Allegorie. 

Unsere Märchenfiguren, die alten homerischen Götter, auch die altnordischen Götter - das sind alles keine Allegorien. Sie sind auch nicht abstrakt.

Abstrakt ist die Freiheitsstatue. "Freiheit" ist ein abstrakter Begriff.

Archetypen - womit auch unsere täglichen Träume im Schlaf "arbeiten" - sind überhaupt nicht abstrakt. Aus einem Albtraum kann man schreiend aufwachen - Abstraktes hingegen ist - meines Wissens - nie ambivalent. 

 

vor 6 Stunden schrieb Roncalon:

Meine eigene, nämlich dass der Balrog, falls er tatsächlich eine mythisierte Figur sein sollte, die aktuelle politische Lage zum klimaneutralen Denken ist. 

Den Satz verstehe ich jetzt nicht. Kannst Du das Gemeinte noch einmal anders schreiben?

 

vor 6 Stunden schrieb Roncalon:

Ich finde deinen Gedanken, dass der Balrog eine mythisierte Figur ist sehr interessant und spannend. Nur hat Tolkien den Balrog ja aber wie oben schon geschrieben nicht kontextlos in dieser Szene erscheinen lassen. Darum ging es mir vor allem in meinem Post. Die. Figur einer Diegese würde ich nie gänzlich losgelöst von eben dieser Diegese betrachten, analysieren, deuten usw. 

Diese Deine Aussage verstehe ich im Prinzip leider auch nicht.

Habe ich denn irgendetwas von "kontextlos" geschrieben?

Ich wollte auch gar keine Deutung versuchen, sondern war nur so überrascht, wie passend gerade wieder heute der Ruf "You cannot pass" wäre.

Ah, ich glaube, ich habe das Missverständnis jetzt erkannt, nachdem ich Deine und meine Texte noch einmal durchgelesen habe:

"Lug und Trug" habe ich nicht auf den Balrog bezogen.

Obwöhl möglicherweise der Balrog - als Soldat Melkors - die gleichen Mittel wie Melkor benutzt hat und eben wieder erweckt worden ist.

Aber mir ging es gar nicht darum, sondern um die Phänomene, die Tolkien so oft beschreibt - die Menschen mit Lügen vollstopfen -, heute wieder so heraufblubbern. 

Und damit ist für mich das Wesen von Mythos beschrieben:

gewisse Abläufe, die häufig wiederkehren, weil sie auf Grundzüge menschlicher Problematik beruhen.

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Anscheinend reden wir wirklich aneinander vorbei...

Geht es dir um den Satz "You cannot pass", als 1) Satz mit einer eigenen Struktur und einer eigenständigen Bedeutung, die du passend findest, oder geht es dir um den Satz als 2) Satz, den Tolkien verwendet hat und den du deswegen passend findest?

 

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vor 15 Minuten schrieb Roncalon:

Anscheinend reden wir wirklich aneinander vorbei...

Ja, aber macht nichts. :-) Wir haben alle Zeit der Welt.

 

vor 15 Minuten schrieb Roncalon:

Geht es dir um den Satz "You cannot pass", als 1) Satz mit einer eigenen Struktur und einer eigenständigen Bedeutung, die du passend findest, oder geht es dir um den Satz als 2) Satz, den Tolkien verwendet hat und den du deswegen passend findest?

Ich habe in meinem Eingangspost versucht zu formulieren, worum es mir geht.

Ich sage es jetzt aber noch mal ein bisschen anders:

es war nur ein Aufhänger, um in einem Thread das zu diskutieren, was mich zur Zeit umtreibt:

Wir leben heute in einer Zeit, wo einiges "Unappetitliche" - das lange geschlafen hat - wieder auftaucht. Es war nicht tot, es hat nur geschlafen.

Deinen Hinweis, dass der Balrog lange geschlafen hat, hatte ich noch nicht einmal im Kopf. Aber es passt zufällig genau. 

Bei diesem "Unappetitlichen" kann man entweder verzagen, oder man kann dagegen angehen. Zum Beispiel mit dem Satz: "Du kommst nicht vorbei."

Das heißt, man stellt sich dem Unappetitlichen in den Weg, lässt es nicht durch, sodass es die Anwesenden nicht verderben kann.

Ich kann beim "Herrn der Ringe" zwar nicht nachweisen, dass Tolkien bei der Erschaffung dieser Szene ebenfalls daran gedacht hat, dass man sich gegen Negatives und Destruktives wehren kann:

aber im Gesamtwerk Tolkiens sind wahnsinnig viele Figuren und Handlungen, die aus Mut und Entschlossenheit erwachsen sind.

Tolkien hat irgendwo geschrieben, dass er den Mut der ollen Germanen bewundert hat, der in den Sagen formuliert ist. 

Frodo ist manchmal mutlos, aber er stellt sich auch den Nazgul in den Weg.

Fazit:

Mir ging es um die Ähnlichkeit der Situation, wie man sich einem Verderben entgegenstellen kann: heute und in der genannten Tolkien-Szene. 

Darum eben meine ich, dass Tolkien heute eventuell aktueller ist als noch vor 20, vielleicht sogar 10 Jahren. 

MIr ist diese Szene "You cannot pass" noch nie so in die Glieder gefahren wie vor ein paar Tagen, als die entsprechende Filmszene  hier noch einmal gepostet wurde. und dabei habe ich diese Szene bestimmt über 100 Mal gelesen oder gehört.

Verstehst Du jetzt, was ich meine?

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vor 23 Stunden schrieb Alsa:

Verstehst Du jetzt, was ich meine?

Ich verstehe jetzt ungefähr, was du meinst. Allerdings vor allem deswegen, weil ich nebenbei Fimi, Dimitra & Honegger, Thomas (Hg.): Sub-Creating Arda. Word-Building in J.R.R. Tolkien's Work, Its Precursors, and Its Legacies, 2019, bzw. die darin enthaltenen Aufsätze von Mark J.P. Wolf, Massimiliano Izzo usw. momentan lese. 

Meine erste Antwort auf deinen Post erfolgte, nachdem ich Mark J.P. Wolfs Aufsatz Concerning the "Sub" in "Subcreation": The Act of Creating Under gelesen hatte und glaubte, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Allerdings fehlte in Wolfs Aufsatz ein wenig ein tieferes Eingehen auf Tolkien und sein Schaffen. Erst das Lesen von Izzos Worldbuilding and Mythopoeia in Tolkien and post-Tolkienian Fantasy Literature hat mir einige grundsätzliche Eckpfeiler zum Verständnis von Tolkien und seinem literarischen Schaffen geliefert. 

Der nächste Aufsatz, der an der Reihe ist, ist John Garths Ilu's Music: The Creation of Tolkien's Creation Myth. Ich bin schon sehr gespannt und freue mich drauf! Vielleicht kann ich danach auch etwas qualitativere Beiträge verfassen.

Bisher bin ich eher meinem literaturwissenschaftlichen Studium treu geblieben und habe versucht, Tolkiens Geschichten als Kreation einer eigenen Welt bzw. Diegese anzusehen und alles, was aus den Büchern stammt, deswegen vor allem nur im Kontext der Geschichte und vom Innern heraus zu betrachten. So ein klein wenig habe ich schon das Gefühl, dass mir die Augen geöffnet wurden. Ich bin gespannt, wo das noch hinführt... :O

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vor 3 Stunden schrieb Roncalon:

Bisher bin ich eher meinem literaturwissenschaftlichen Studium treu geblieben und habe versucht, Tolkiens Geschichten als Kreation einer eigenen Welt bzw. Diegese anzusehen und alles, was aus den Büchern stammt, deswegen vor allem nur im Kontext der Geschichte und vom Innern heraus zu betrachten. So ein klein wenig habe ich schon das Gefühl, dass mir die Augen geöffnet wurden. Ich bin gespannt, wo das noch hinführt... :O

Ich selber komme von der Literaturwissenschaft her.

Was bedeutet, dass ich Tolkien im Prinzip wie jeden anderen literarischen Schriftsteller untersuche.

Da gibt es natürlich auch verschiedene Methoden, und ich habe mich selber da auch entwickelt. 

Die eine Methode, die ich als Basis aber immer noch benutze, ist die werkimmanente. Sie untersucht die Struktur des Werkes.

Dann gibt es die rezeptionsästhetische Methode, die ich in meinem Beispiel vom "Du kannst hier nicht vorbei" benutzt habe.

Die Hauptaussage der Rezeptionsästhetik ist:

ein literarisch wertvolles Werk ist vielschichtig, und jede Generation entdeckt neue Schichten.

Je länger das Werk interessant bleibt und immer wieder Neues entdecken lässt, desto qualitativer sei es. 

Es gibt ein Bonmot, das ungefähr so lautet: je näher dran ein Autor an seiner politischen Situation ist und darüber schreibt, desto schneller veraltet er.

Daraus kann man als Umkehrschluss sagen:

Je vielschichtiger ein Autor von Anfang an sein Werk anlegt, desto länger kann er - auch viele Jahrhunderte lang - aktuell bleiben. Weil eben jede Generation eine andere Komponente für sich selber aktualisieren kann.

Das von Dir oben erwähnte Buch kenne ich zwar nicht, aber ich kenne einige Autoren davon und habe anderes von ihnen gelesen.  Vielleicht werde ich es mal kaufen, damit ich Bescheid weiß. :-)

Als Weltenbauer sehe ich Tolkien übrigens nicht. Jeder literarische Schriftsteller baut sich seine literarische Welt - egal, ob es eine phantastische oder schein-realistische ist. 

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