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Warum gab Iluvatar, Melkor so viel Macht?


Beren Ciryatan

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Hatte ich das überlesen? Warum gab Iluvatar dem Melkor eigentlich so viel Macht,wenn er es dann doch bereut hat?

Zitat

Melkor waren unter den Ainur die reichsten Gaben an Macht und Wissen verliehen...

Vermutlich war das Tolkien, der einen Gegenpol zum Guten gesucht hatte?

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Drüben im Thread „Die Funktion der Mythologie Tolkiens“ wird gerade eine Antwort auf Deine Frage diskutiert:
Eru ist ein kosmischer Regisseur und Melkor „spielt“ den Bösewicht nur für die große Aufführung der Weltgeschichte.
„And thou, Melkor, shalt see that no theme may be played that hath not ist uttermost source in me, nor can any alter the music in my despite. For he that attempeth this shall prove but mine instrument in the devising of things more wonderful, which he himself hath not imagined.“

Ilúvatar in „Die Musik der Ainur“

[…] Sicher könnte Melkor Ilúvatar auf dessen Determinismus-Predigt entgegnen: „Wenn Du mich böse gemacht hast, dann beschwere Dich nicht, daß ich Böses tuë.“
Aber wenn man es genau betrachtet, klagt Eru seinen Finsterling niemals an. Er tritt nicht als strafender Gott auf. Die valinorische Streitmacht vernichtet Melkor – Ilúvatar schaut nur zu. Er billigt also die Gewalt beider Seiten. Denn ihm geht es nur darum, daß der Plot vorankommt. […]


 

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Am 29.1.2019 um 23:15 schrieb Beren Ciryatan:

Hatte ich das überlesen? Warum gab Iluvatar dem Melkor eigentlich so viel Macht,wenn er es dann doch bereut hat?

Vermutlich war das Tolkien, der einen Gegenpol zum Guten gesucht hatte?

Ich nehme an, eher umgekehrt. 

Der junge Tolkien sah in seiner Welt Entsetzliches. Er und seine Freunde - der sogenannte Teaclub - waren auf der Suche nach dem "Licht", das die Dunkelheit wieder erhellen konnte. Das kann man in den frühen Briefen nachlesen. Tolkien wurde von seinen Freunden ermutigt, über genau dieses Licht zu schreiben.

Deine Frage halte ich für weiterführend. Das "Gottesbild", das in Mittelerde existierte - Eru -, konnte kein Licht mehr produzieren. Das reale Gottesbild, das in Mitelerde ganz praktisch kreativ (Melkor) - in Form von Destruktivität - war, hatte aber nun tatsächlich göttliche Schöpferkraft mitbekommen. 

Das Schöpferische hatte Tolkien also auf zwei literarische Figuren verteilt: auf Eru und auf Melkor.

Erst wenn beide wieder zusammenfinden könnten, könnte das Licht wieder entzündet werden.

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vor 18 Stunden schrieb Alsa:

Deine Frage halte ich für weiterführend. Das "Gottesbild", das in Mittelerde existierte - Eru -, konnte kein Licht mehr produzieren. Das reale Gottesbild, das in Mitelerde ganz praktisch kreativ (Melkor) - in Form von Destruktivität - war, hatte aber nun tatsächlich göttliche Schöpferkraft mitbekommen. 

Das Schöpferische hatte Tolkien also auf zwei literarische Figuren verteilt: auf Eru und auf Melkor.

Erst wenn beide wieder zusammenfinden könnten, könnte das Licht wieder entzündet werden.

Danke für die Antworten. Das würde ich dann als Dualität ähnlich dem Ying und Yang sehen.

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Wie wir drüben im Mythologie-Thread gesehen haben, bewegt sich Ilúvatar eher jenseits von Licht und Dunkel. Er ist Künstler und nur an der Qualität der großen Story interessiert.
Der Yin Yang Gegensatz trifft, wenn überhaupt, dann auf die Ainur-Brüder Manwë und Melkor zu.

Das Gottesbild der Eldalië verhält sich übrigens genau diametral zu dem, welches Alsa beschreibt. In der „Athrabeth Finrod ah Andreth“ diskutiert Felagund mit der Geliebten seines Bruders metaphysische Fragen. Hier wird deutlich, daß die Elben Melkor’s schöpferischen Beitrag als Verunreinigung („Arda marred“) des Meisterwerks der Aratar ansehen. Sie glauben, daß Eru irgendwann die „Undo“-Taste drücken und eine perfekte Welt („Arda unmarred“), ohne diabolische Einmischung publizieren wird, was exakt der biblischen Eschatologie entspricht.

Tolkien selbst vertrat immer die elbische Sichtweise. Aus den Briefen wissen wir, daß er Melkor und Sauron – analog zu seinem katholischen Weltbild – als Personifizierung des Bösen verstand. In seinen Augen verdanken die Menschen ihre ultimative Katastrophe, den Tod, der satanischen „Kreativität“ Melkors. „Der dunkle Herrscher“ und „Im Lande Mordor, wo die Schatten drohn“ sagt ja im Grunde schon alles.

Aus dieser Richtung ist kein „Licht“ zu erwarten.

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vor 14 Stunden schrieb Beren Ciryatan:

Danke für die Antworten. Das würde ich dann als Dualität ähnlich dem Ying und Yang sehen.

 

Das könnte man so sehen. Man könnte auch die Melkor-Figur als "Schatten" der Eru-Figur verstehen. 

Hier zum Beispiel steht viel zu der Funktion des Schattens in der Mythologie und in mythologischen Werken:

https://de.wikipedia.org/wiki/Schatten_(Mythologie)

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Tolkien hat durch Eru dem Melkor soviel Macht verliehen, damit die Geschichte interessant genug wird. Das Licht wird erst durch die Existenz von Schatten zu etwas besonderen. Gäbe es keinen Melkor/das Böse und gäbe es nur Friede-Freude-Eierkuchen, wäre Tolkiens Werk nicht bekannt geworden und dieses Forum nicht existent.

Es ist doch offensichtlich, dass Eru und Melkor die Parallele zur christlichen Mythologie mit Gottvater und Luzifer bilden. Luzifer war der mächtigste, schönste und von Gott am meisten geliebte Engel. Die Frage warum der Allerhöchste denn den unbotmäßigen Aufrührer nicht einfach vernichtet, kommentierte die Kirche mit der Selbstbestimmung des Menschen und um ihre Treue zu testen. Tatsächlich war die Geschichte aber einfach nur fiktiv. Gott und Luzifer wurden, aus machtpolitischen Gründen, erfunden. Sie waren sozusagen "Zuckerbrot und Peitsche" für die Gläubigen.

Tolkien wollte 'ne spannende Story und hat dafür Eru und Melkor erfunden.

Bearbeitet von Wilferedh
Textkorrektur
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Ich kann Wilferedhs klassisch strukturalistische Argumentation nur unterstützen. Menschen können nur in Gegensätzen denken. Ohne Dunkelheit kein Licht. Genau da setzt Ilúvatars Zitat an: Manwë allein hätte ihm das Stück verdorben. Das Publikum wäre eingeschlafen, weil nie irgendetwas passiert wäre. Offenbar hat Eru Melkors Renitenz eingeplant.

Obwohl die Parallelen zur Genesis tatsächlich unübersehbar sind, liegt in diesem Punkt ein delikater Unterschied: Melkor ist Manwës Gegenspieler und nicht Erus. Um Ilúvatar zu trotzen, hätte er das ganze System Musik verlassen müssen, um sich – keine Ahnung – vielleicht in Bildhauërei zu versuchen. Aber ein echter Ausbruch überstieg wohl Morgoths Fähigkeiten.
Das übermächtige biblische Vorbild erklärt wahrscheinlich auch, warum die Hoch-Nerds nur all zu gerne bereit sind Eru und Melkor gegenüberzustellen. Dabei steht Ilúvatar, wie nun schon bis zur Erschöpfung ausgeführt, weniger für das Gute, als für gute Unterhaltung. Und so kommen wir wieder auf die Frage: Wieviel von Tolkien selbst steckt in Ilúvatar?

Ob Gott und Luzifer Fiktion sind, können wir Menschen nicht letztgültig beantworten. Wir können die Frage agnostisch offen stehen lassen oder uns für den Atheïsmus als Gegenglauben entscheiden (was auch wieder irrational wäre). Allerdings scheinen „Zuckerbrot und Peitsche“ eine Konstante in der Menschheitsgeschichte zu sein. Himmel und Hölle heißen heute „Unberührte Natur“ und „Klimawandel“ und all unsere Handlungen werden danach beurteilt, ob sie zur Sünde führen oder klimaneutral sind.

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Am 3.2.2019 um 00:42 schrieb Wilferedh:

Tolkien hat durch Eru dem Melkor soviel Macht verliehen, damit die Geschichte interessant genug wird.

Tolkien hat - soweit seine Texte veröffentlicht sind -, "Die Musik der Ainur" - später Ainulindale genannt - erstmalig erzählt und in "The Book of Lost Tales" eingebettet. Die Erzählungen begann er so um 1916/17. Da lag er im Krankenhaus, geschädigt von den Fronterlebnissen. 

Da ging es Tolkien darum, die Geschichte eines von Unruhe getriebenen Seefahrers zu erzählen, der auf einer Insel landet, auf der Exil-Elben wohnen (sie dürfen nicht zurück nach Valinor),

Die Elben erzählen dem Seefahrer uralte Legenden, damit dieser Seefahrer sie aufschreibt und den Menschen dann zukommen lässt.

Die alten Legenden erzählen u.a. die Tragik der Menschheit: sie werden von Melkor versklavt. Auch Elben werden versklavt, und zwar in einer perfiden Weise:

sie haben dauerhaft Panikanfälle. Angst vor der Allgegenwart Melkors, auch wenn sie weit weg sind von ihm. 

Die Herkunft Melkors hat Tolkien erst nach diesen Geschichten notiert. Da hat er es nicht mehr nötig gehabt, seine Erzählungen interessant zu machen, denn sie waren auch so schon aufwühlend genug.

Tolkien kam frisch von der Front und hat dann halt von dem Leid der Menschen (in mythisierender Form) erzählt. 

Die Macht "Melkors" war in der realen Welt ja allgegenwärtig, die musste nicht erfunden werden. Tolkiens Geschichten erzählen, wie man dieser Macht begegnen kann, was man dagegen tun kann. 

 

Zitat

Es ist doch offensichtlich, dass Eru und Melkor die Parallele zur christlichen Mythologie mit Gottvater und Luzifer bilden.

Tolkien hat ein ganzes Pantheon von Göttern entwickelt, die sich an den griechischen und römischen Göttersagen orientieren. 

Ulmo ist einer der wichtigsten Götter; er scheint ziemlich der Einzige zu sein, der sich ganz real um die verzweifelte Menschheit kümmert und dafür sorgt, dass ein Earendel geboren wird, der dann später ein Stern am Himmel wird.

Da sehe ich keinen Zusammenhang mit der christlichen Mythologie. Auch Melkor passt da nicht rein.

Ich lese gerade "Tolkien und der Erste Weltkrieg. Das Tor zu Mittelerde" von John Garth. Ich werde ein andermal daraus zitieren; Garth zeigt u.a. den Unterschied zwischen dem Entwurf von Melkor und dem biblischen Entwurf Satans auf. 

 

Zitat

Tolkien wollte 'ne spannende Story und hat dafür Eru und Melkor erfunden.

Manche Fans scheinen Tolkien maßlos zu unterschätzen. [:]

Bearbeitet von Alsa
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Ich sag doch, wir müssen über den Tolkien-Anteil in der Eru-Figur sprechen. Hier werden nämlich beide vermischt: Der kosmische Dramturg Ilúvatar brauchte Melkor als Spannungselement für seine Eä-Story. Aber Eru lag meines Wissens nie in den Schützengräben an der Somme und auch nicht im Lazarett. Das chronologische Argument greift also nicht.

Und ich widerhole mich, weil ich auf liebgewonnene Vorstellungen treffe: Die Gewalt in Tolkiens Werken ist meiner Meinung nach keine Weltkriegsgewalt. Er hätte auch in Honolulu in der Hängematte über epische Schlachten geschrieben, weil ihm seine nordischen Lieblingssagas als Vorlage dienten – nicht das reale Leben.

Man kann die Valar als Götter lesen (was Tolkien ja stets als einen Irrtum der Menschheit auslegte), dann erinnern sie an den römisch-griechischen Polytheïsmus. Begreift man die Ainur als „Engels-Chöre“ (Tolkien beschrieb sie mehrfach mit dem Adjektiv „angelic“), dann führt an der Genesis natürlich kein Weg mehr vorbei.
Vereinfacht könnte man sagen, die Ainulindalë ist alttestamentarisch geprägt, die Valaquenta von klassischer Mythologie.

Die Messiasfigur Eärendil ist mit Abstand die deutlichste Verbindung zur Bibel. Durch das Silmarillion und das Alte Testament zieht sich exakt derselbe rote Faden: Mit langem Atem wird das Zustandekommen eines heilsbringenden dynastischen Abstammungs-Cocktails beschrieben, der den Vermittler zwischen Himmel und Erde legitimieren soll.

Die Reise der Vingilot wäre demnach natürlich zum Neuën Testament zu zählen.

Bearbeitet von Nelkhart
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Ich möchte hier keinen frommen Christen zu nahe treten, die in Tolkiens Silmarillion einen Kommentar zum Alten oder Neuen Testament sehen.

Ich denke, auch fromme Buddhisten oder Moslems könnten im Sil einen Kommentar ihrer Heiligen Schriften sehen. 

Und ich kenne User, die in Tolkiens Werk den Satan am Werk sehen.

Und dann kenne ich noch gut-katholische Theologen, die es wie ich strikt ablehnen, Tolkien als religiösen Schriftsteller zu werten, sondern als rein-menschlichen Schriftsteller.

Ja, und dann gibt es noch die, die mit Tolkiens Büchern auf der Straße heimatlose Jugendliche verlocken und ihnen "anbieten", in ihre Gruppe zu kommen und sie dann mit Hilfe von Tolkiens Werken christenmäßig fanatisieren.

Die von mir hier angesprochene Problematik wurde so um die Jahrtausendwende in aller Heftigkeit und Ausführlichkeit über Jahre diskutiert. 

Das werde ich nicht noch einmal tun, für mich ist die Sache durch.

Aber die Gefahr, Tolkien für Ideologien zu instrumentalisieren, scheint noch nicht ganz vom Tisch. Heute ist es noch gefährlicher als um 2000.

Ich bin leider nicht mehr ganz auf dem aktuellen Stand der Sekundärliteratur, also auf dem Stand der Wissenschaftler, die momentan über Tolkien schreiben. Das werde ich aber irgendwann nachholen.

 

Was ich noch direkt zur Machtfrage des Threadthemas sagen wollte:

"Die Musik der Ainur" ist innerhalb der Fiktion von Rumil erzählt worden. 

Eriol, ein Mensch, hat diese aufgeschrieben und zu den Großen Landen - später Mittelerde genannt - gebracht.

Dann musste es noch übersetzt werden.

Es ist also nie je aus Erus Mund gekommen. Es sind Vorstellungen über Melkor.

Bearbeitet von Alsa
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Aber na klar: Die Mandos-Buße und die anschließende Wiederverkörperung der Quendi erinnern zum Beispiel an das Karma-Konzept und die Reincarnation im Buddhismus. Andere sehen Bezüge zu Wagner, Dante oder Clannad. Tolkien ist Glasperlenspiel. Tolkien ist Pop. Alles legitim.

Ich sag’s nur ungern, aber Eriol ist wahrscheinlich unter die Räder gekommen. Die Rahmenerzählung hat Tolkien zugunsten einer schlichteren, zeitlosen Sprache verworfen. Seit der Veröffentlichung des Herrn der Ringe gilt nun Bilbo offiziëll als Verfasser bzw. Übersetzer des Silmarillions.
Aber auch wenn man die Eriol-Überlieferungskette so akzeptiert, heißt das ja nicht automatisch, daß Erus Aussagen verfälscht wurden. Wir müssen hier immer die anthropomorphe Sondersituation äußerst langlebiger Fabelwesen berücksichtigen: Für die Eldalië gibt es keine Mythologie. Rúmil oder der zuständige Pengolodh sprach möglicher Weise persönlich mit den Valar über die Tage der Ainur.
Ich sehe jedenfalls keinen Grund, die Richtigkeit der überlieferten Worte Frodos oder Gandalfs weniger anzuzweifeln, als die Ilúvatars.

Du machst es ja ganz schön spannend mit der ideologischen Instrumentalisierung Tolkiens. Du deutest da immer wieder orwellsche Abgründe an. Welche Gefahr siehst Du denn konkret?

Möglicher Weise ist hier ja jemand in der Lage, Dir Deine Besorgnis zu nehmen.

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Wie auch immer.

Ich bin Dir jedenfalls dankbar, dass Du Deine Schrift größer und klarer gemacht hast,

Meine Augen sind nämlich nicht mehr die besten. Als junger Spunt denkt man vielleicht nicht daran, dass Augen mit den Jahrzehnten nachlassen. :grummel:

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Irgendwas in dem Bild oben hat nicht gestimmt. Ich kam und kam nicht drauf, aber jetzt habe ich den Fehler gefunden:

„Die Herkunft Melkors hat Tolkien erst nach diesen Geschichten notiert.“

Auch in der Hütte des Vergessenen Spiels wußte man schon, daß Melko bei der großen Musik mitgesungen hat. Den großen Spielverderber hat es schon immer gegeben.
Meinst Du vielleicht Tû (bzw. Tûvo oder auch Tevildo), König der Dunkelelben und Vorgänger von Sauron, der tatsächlich erst später seine Aulendil-Herkunft angedichtet bekam?

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Ich meinte TOLKIEN. Tolkien hat die Herkunft Melkors erst erfunden, nachdem er die Tuor-Geschichte erfunden hat.

Ich hoffe, Christopher da richtig verstanden zu haben. Der trennt ja das, was innerhalb der Geschichten chronologisch ist und was Tolkien chronologisch entwickelt hat.

"Der Untergang von Gondolin" war die erste Geschichte, die Tolkien von den späteren "Verschollenen Geschichten" geschrieben hat. Das war 1916/17.

"Die Hütte des Vergessenen Spiels" ist auch 1916/17 geschrieben worden, aber Melkor kommt da mit keinem Wort vor, wenn ich nichts übersehen habe.

"Die Musik der Ainur" ist laut Christopher erst 1919 oder 1920 geschrieben worden, also ein paar Jahre später. Er beruft sich da auf einen Brief von Tolkien, Nr. 257.

 

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Was ich mit obigem post sagen wollte:

Niemand von den Tolkien-Forschern, die die Quellen zu der Entstehung der Melkor-Eru-Sagen studiert und ausgewertet haben, geht davon aus, dass Tolkiens "Buch der Verschollenen Geschichten" ("Book of the Lost Tales")  reine und billige Unterhaltungsliteratur werden sollte.

Wo man sich  am Schreibtisch überlegt, wie eine story am besten verkauft werden kann. Also sich nicht nur einen "Guten" ausdenkt, sondern auch einen möglichst starken Gegenspieler, damit die Leser es richtig spannend finden können.

Mit einer solchen Sicht würde Tolkien regelrecht verhöhnt werden. 

Tolkien schrieb "Der Untergang von Gondolin" im Krankenhaus, nachdem er krank von der Front wieder nach England kam.

Er ist lange nicht gesund geworden, wurde immer wieder als kriegsuntauglich eingestuft.

Seine besten Freunde sind als junge Menschen im Krieg gerade erst ermordet worden - da steht einem der Sinn nicht auf "lustig".

Der Briefwechsel mit seinen Freunden - in "Tolkien und der Erste Weltkrieg" von John Garth teilweise erstmalig zitiert - zeigt, wie sehr diese jungen Leute verzweifelt waren und sich darum bemühten, mit ihrer Kunst das "Licht", an das sie trotz aller Verzweiflung glaubten, darzustellen.

Tolkien, der von ihnen als der beste Schriftsteller ihrer Schar angesehen wurde, wurde immer wieder ermuntert, sein Dichten fortzusetzen, damit dieses Licht in der Welt "entfacht" wird.

Insofern hat Tolkien - er war zu diesem Zeitpunkt 24 Jahre - in seiner ersten Erzählung "Der Untergang von Gondolin" vor allem Melkors Taten beschrieben. Er hat da fast die Allmacht. Viele Elben werden gehirngewaschen und dadurch "melkorisiert". Man weiß praktisch nicht mehr, wer "fake news" verbreitet und wer die Wahrheit.

Die Valar von Valinor werden dort als solche beschrieben, die sich eingebunkert haben, um nicht helfen zu müssen. Kein Eru weit und breit, der eingreift. 

Aber die "Hoffnung" bekommt in dieser Erzählung dennoch ein kleines Licht, auch wenn es nur eine Zukunftshoffnung ist:

einige wenige Menschen und Valar bleiben anständig, und es wird Earendil geboren, der menschliches und elbisches Blut in sich hat.

Auch wenn ich selber eine große Ähnlichkeit zwischen Tolkiens Geschichten und unserer heutigen Zeit sehe - "fakenews" werden immer raffinierter verbreitet und haben allmählich das Zeug dazu, einen dritten Weltkrieg zu entfesseln - , werte ich Tolkiens Werk eher als futuristisch

 

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  • 4 Wochen später...

Ich war dort! Ich hatte die Bücher die ganze Zeit direkt vor der Nase. Ich hätte nur danach greifen müssen. Aber erst jetzt nach meiner Rückkehr fällt mir ein, was ich nachschlagen wollte.

Ist es denkbar, daß in der ursprünglichen Fassung ein völlig anonymer dunkler Herrscher Gondolin überfallen und zerstört hat und Christopher den Noname-Schurken aus reiner Verlegenheit mit dem späteren Stockhausen-Vala Melkor identifizierte, um die Leser der Lost Tales nicht zu verwirren? Die Chance, das zu überprüfen, habe ich letztes Wochenende leider vertan.

Aber ob göttlicher oder normalsterblicher Unhold: „Der Fall von Gondolin“ zeigt, daß das Böse als literarische Zutat, als Friedensstörer und moralischer Gegenpol zum Wahren, Schönen und Reinen bei Tolkien von Anfang an existiert. „Gondolins dauërhafte Glückseligkeit“ ist eine Geschichte, die aufzuschreiben, Tolkien offenbar nicht reizte. Ich fürchte also, die schnöde Entertainment-These ist immer noch nicht vom Tisch.

Daß der Professor Ilúvatar bei der großen Schöpfungsmusik auf ein imaginäres Publikum schielen läßt, heißt aber natürlich nicht zwangsläufig, daß sein Hauptantrieb darin lag, seine Leser lediglich gut zu unterhalten. Diese Geschichten mußten einfach um jeden Preis aufgeschrieben werden. Die Stammbäume und das phonetische Regelwerk der Anhänge hat der Professor ja auch entgegen seiner festen Überzeugung angefertigt, daß dieses Material niemanden interessieren wird.
Abwägungen zu spannenden Handlungselementen flossen da sicherlich ganz automatisch mit ins Werk ein. Möglicher Weise unbewußt. Ganz leugnen würde ich diese Überlegungen nicht, aber überschätzen sollte man ihre Bedeutung auch nicht unbedingt.

Ewig faszinierend, aber leider unbeantwortbar ist die Frage, was zuërst in Tokiens Kopf war. Wer ist der Erstgeborene in der Gedankenwelt des Professors: Eärendel, Ulmo, Eru, Tom? Gar Melko?
Eines ist sicher: Wer einen Spezialgott für Gewässer und Meere in den frühesten Schriften auftreten läßt, der hat damit im Grunde schon ein ganzes Pantheon mitgedacht, sonst wäre Ulmo ganz einfach Gott oder eine höhere Macht ohne klar zugewiesene Attribute gewesen. Ich gehe daher davon aus, daß die Ainulindalë als Gedankengerüst älter ist, als ihre Niederschrift.

Selbstverständlich ist es grundsätzlich zulässig, die brennenden Fragen unserer Zeit an Tolkiens Werk zu stellen. Man darf sich dann aber nicht wundern, wenn man keine befriedigenden Antworten erhält. Die Lüge ist eine menschliche Universalië. Wir finden sie schon bei Homer. Ich würde aber nie so weit gehen, in Melkors perfiden Intrigen eine hellsichtige Vorwegnahme der Fake-News von heute zu sehen. Da überschätzen wir Tolkien.
Abgesehen davon war die Einschüchterungs-Propaganda des dunklen Herrschers unilateral. Es gab die absolute Wahrheit der Guten und den Bösewicht, der ihr geschickt Lügen hinzufügte. Dagegen ist der War of Information unserer Tage hoffnungslos dezentral. Niemand steht mehr auf festem Grund. Keiner hat mehr wirklich die Übersicht über Wahrheit und Lüge. Stattdessen konkurrieren Narrative und Weltbilder um Dominanz.

Insgesamt erscheint mir das Motiv der Lügenfolter Melkors zu dünn und im Gesamtwerk zu marginal, um darin die zentrale Absicht hinter Tolkiens Schaffen zu sehen.
Der Autor bezeichnete einmal die Unfähigkeit, das Gute dauërhaft zu ertragen als den größten menschlichen Makel. Ich schätze, Tolkien gebrauchte den Schatten in seinen Büchern tatsächlich ganz trivial, um uns den Wert des Lichts vor Augen zu führen.

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vor 15 Stunden schrieb Nelkhart:

Ich war dort! Ich hatte die Bücher die ganze Zeit direkt vor der Nase. Ich hätte nur danach greifen müssen. Aber erst jetzt nach meiner Rückkehr fällt mir ein, was ich nachschlagen wollte.

Sprichst Du von einem Traum?

 

vor 15 Stunden schrieb Nelkhart:

Selbstverständlich ist es grundsätzlich zulässig, die brennenden Fragen unserer Zeit an Tolkiens Werk zu stellen. Man darf sich dann aber nicht wundern, wenn man keine befriedigenden Antworten erhält.

O doch! Ich bekomme jede Menge befriedigender Antworten.

 

vor 15 Stunden schrieb Nelkhart:

Die Lüge ist eine menschliche Universalië. Wir finden sie schon bei Homer. Ich würde aber nie so weit gehen, in Melkors perfiden Intrigen eine hellsichtige Vorwegnahme der Fake-News von heute zu sehen. Da überschätzen wir Tolkien.

Das literarische Konzept Tolkiens bezüglich Melkor ist ja dies:

dass Melkor in die Gehirne der Menschen die Illusion so einpflanzt, dass diese Menschen Trug von Wahrheit grundsätzlich nicht mehr unterscheiden können.

Diese Macht, Gehirne komplett umzupolen, ist als literarisches Konzept noch nicht sehr alt. Wir kennen den Begriff "Gehirnwäsche", und auch der ist noch nicht sehr alt; stammt aus der Zeit Tolkiens. 

Die heutige Gehirnforschung ermöglicht noch perfidere Umpolung der menschlichen Persönlichkeit, als es sie schon in den vierziger Jahren gab. 

Sicher gab es auch schon seit Anbeginn der Menschheit die Möglichkeit, Menschen zu manipulieren. Aber dass man Menschen am Gehirn regelrecht operieren kann, sodass sie gewünschte Meinungen haben, ist wohl erst ein Jahrzehnt alt. 

Das Grauen vor dieser Tatsache finden wir schon bei Aldous Huxley, Schöne Neue Welt (Brave New World) von 1932. Da werden schon die Säuglinge gehirngewaschen, möglicherweise sogar schon als Fötus physisch programmiert. 

Verwandt damit ist das Buch "1984" von George Orwell von 1949. Und Tolkien reiht sich da zeitlich ein. 

Da ist eine ganz neue "Qualität" der Macht über die Menschen thematisiert, die erst heute die Mittel hat, sie physisch umzusetzen.

Die Macht, die Melkor anstrebt, ist die Macht über die Gehirne. Davon reden alle drei genannten Autoren im gleichen Zeitraum: den Dreißiger und Vierziger Jahren, und alle drei schreiben darüber ihre negativen Utopien. 

Ich erinnere an Sauron im "Herrn der Ringe", wo er gegen Ende versucht, in das Gehirn Frodos einzudringen. Es gelingt ihm aber nicht in dem Fall. falls ich mich nicht irre. 

Tolkien formuliert aber auch durchgehend positive Abwehrmechanismen. Selbst unter den Orks des Dunklen Turms gelingt einmal eine Art Emanzipation von der Komplettmanipulation. 

 

vor 15 Stunden schrieb Nelkhart:

Abgesehen davon war die Einschüchterungs-Propaganda des dunklen Herrschers unilateral. Es gab die absolute Wahrheit der Guten und den Bösewicht, der ihr geschickt Lügen hinzufügte. Dagegen ist der War of Information unserer Tage hoffnungslos dezentral. Niemand steht mehr auf festem Grund. Keiner hat mehr wirklich die Übersicht über Wahrheit und Lüge. Stattdessen konkurrieren Narrative und Weltbilder um Dominanz.

Den "War of Information" hast Du toll formuliert. Eigentlich sollten wir uns verstehen.

Tolkiens Melkor aber ist eine literarische Figur, und schon gar nicht eine realistische. Er personifiziert das Geschehen. Und auch heute gehen diese Desinformationen auf der Basis von gewünschten Ansichten aus. Sie werden von unsichtbaren Machtzentren vorgegeben, und Anfällige übernehmen das sofort. 

Ich beobachte das täglich in Diskussionsforen wie zum Beispiel denen auf der Website der "Tagesschau". Die Manipulierten grölen meinungstechnisch alle unisono, fast mit demselben Text. 

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vor 26 Minuten schrieb Wilferedh:

@Alsa Es gibt einen Bericht eines früheren Tagesschau-Mitarbeiters, in dem es heißt, dass die Tagesschau zu einer reinen Propaganda-Veranstaltung geworden ist.

Ich habe diesen Bericht gerade im Internet finden können.

Ich selber meinte zwar nicht die Tagesschau selber, sondern die User wie du und ich, die in den von der Tagesschau bereitgestellten Foren über die Themen der Tagesschau diskutieren - aber Dein Beispiel passt wunderbar in unser momentanes Thema.

Denn: dieser Videobericht wird von einem "Verband Deutscher RSV" veröffentlicht. Offenbar ist damit gemeint:  "Verband Deutscher Rechtssachverständiger".

Und zu diesem "Verband" fand ich unter einer "Wiki"-Seite (nicht zu verwechseln mit Wikipedia) den einleitenden Satz:

"Der Verband Deutscher Rechtssachverständiger ist eine Gruppierung von reichsideologischen Betrügern, die gegen Zahlung[1]diverse falsche Dienstleistungen anbieten."

Ja, da haben wir melkor-mäßige Verwirrung pur. Wer sagt die Wahrheit, und wer ist der Betrüger? 

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