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Die Funktion der Mythologie Tolkiens


Underworld

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Liebe Leser und Mitschreiber dieses Threads,

hier ein Stück Musik zum Rüberrutschen ins Neue Jahr.

Es ist Teil eines Neujahrkonzerts der Wiener Philharmoniker, das regelmäßig viel Schwung hat.

Der Dirigent ist Georges Prêtre und für mich ein Ereignis. Zum Zeitpunkt der Aufnahme - 2010 - war er 86 Jahre alt und dirigierte immer noch alles auswendig. Und ich liebe seine Heiterkeit.

Dass er vor einem Jahr gestorben ist, macht mich traurig, ich habe es erst beim Suchen nach diesem Video erfahren.

Am morgigen Neujahrsmorgen um 11:15 überträgt das ZDF live das neue Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker.

Dirigent wird "uns Christian" Thielemann sein. Und als dritte Zugabe wird dann auch der Radetzky-Marsch losbrausen (falls lange genug geklatscht wird).

Lieber Mathias,

bitte bitte lass diesen Link stehen - falls ich ihn überhaupt hinkriege -, denn dieser Thread braucht diesen Schwung.


Radetzky-Marsch zum Aufmobeln

Über dem "o" gehören zwei Tüttelchen, sorry.

Also:

GUTEN RUTSCH!

Bearbeitet von Alsa
Tippfehler
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Lieben Dank für den Link @Alsa:-). Auch dir ein Gutes Neues Jahr.

Ich bin wahrlich kein Freund von Märschen. Beängstigent, wie der Diregent sein Publikum unter Kontrolle hat.

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vor 7 Stunden schrieb Torshavn:

Ich bin wahrlich kein Freund von Märschen. Beängstigent, wie der Diregent sein Publikum unter Kontrolle hat.

 

Der Radetzky-Marsch (komponiert von Johann Strauß Vater) wird bei den Neujahrskonzerten in Wien immer als letztes gegeben, und immer dirigiert der Dirigent dabei nicht das Orchester - das spielt von alleine -, sondern das Klatschen des Publikums. Ich nehme an, dass das Publikum sich darauf immer schon sehr freut. 

Gestern, am Neujahrsmorgen bei der Übertragung des Neujahrskonzerts mit dem Dirigenten Christian Thielemann, habe ich im Publikum den österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz sitzen sehen. 

Er, mit dessen Politik ich so überhaupt nicht übereinstimme, saß da während des Radetzky-Marsches hingebungsvoll wie ein Kind.

Klatschte selbstvergessen mit, und hielt die Hände still, wenn Thielemann abgewinkt hatte. 

Was Dich da beängstigt, kann ich erahnen. Es hat in meinen Augen sogar manches mit Tolkien zu tun. In der Ainulindale wünscht Eru die reine Harmonie und den reinen Gehorsam. Melkor wird verstoßen, weil er einen Misston hineingebracht hat und eigenmächtig forschen wollte.

Bearbeitet von Alsa
Mal wieder ein Tippfehler
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Am 28.12.2018 um 15:27 schrieb Nelkhart:

Die Mythologie schafft (vom Ringkrieg aus betrachtet) den Eindruck historischer Tiefe im Werk, wodurch Verzauberung glückt.

Mit "Mytholoige" meinst Du vermutlich die innerliterarischen Mythen.  Im "Herrn der Ringe" wird sich darauf berufen.

Das erste, was ich von Tolkien gelesen habe, war just der "Herr der Ringe". Das war kurz nach Tolkiens Tod 1973.

Da erfuhr ich zum ersten Mal von diesem Namen Tolkien. Den "Herrn der Ringe" habe ich gekauft, weil Inhaltsangaben dieses Werkes mich an Richard Wagners "Ring des Nibelungen" erinnerten.

Mich haben beim "Herrn der Ringe" diese ewigen Anspielungen auf eine - innerliterarische - mythische Vergangenheit nur genervt,

Man konnte nirgendwo nachschlagen, was diese mythischen Orte überhaupt bedeuteten. Innerhalb des Romans machten sie für mich null Sinn.

Das von Tolkiens Sohn Christopher edierte "Silmarillion" erschien ja erst 1977.

Von "Verzauberung" durch "Herr der Ringe" also keine Spur. So was ist wohl leserabhängig.

Ich fand das Werk sehr enttäuschend. Da wurde die ganze Zeit die Spannung aufgebaut, wie man das Böse ein für allemal ausrottet, und dann erfuhr man am Ende noch nicht einmal, was im Werk überhaupt als das "Urböse" thematisiert war.

Erst als ich dreißig Jahre später das "Silmarillion" las, sah ich in Tolkien literarische Qualität. Und zwar so sehr - obwohl hier gar kein fertiges Werk vorlag -, dass ich anfing, sein Gesamtwerk zu studieren. 

Die Antwort, worin das "Urböse" lag im Werk Tolkiens, fand ich im "Silmarillion".

Und diese Antwort traf so sehr meinen Nerv, dass ich das immer wieder neu zu formulieren suche. Es scheint mir eine entscheidende Antwort auf unsere kulturellen Probleme zu sein. 

Aber "verzaubert" werde ich davon auch nicht. Die Pseudomythen Tolkiens treffen in meinen Augen nur den Kern unseres abendländischen mythischen Bewusstseins.

Mit "Mythen" meine ich sowohl unsere positiven Mythen als auch unsere Ideologie (vgl. Roland Barthes). Insofern ruft das Werk nach Kritik an diesen mythischen Ideologien auf. Das ist für mich die Stärke Tolkiens. 

Wir sollen - nach meinem Verstehen - vor Eru nicht buckeln, sondern ihn in seinem Wahn erkennen. Wir sollen Melkor nicht verabscheuen, sondern sein Anliegen erfassen. 

 

Am 28.12.2018 um 15:27 schrieb Nelkhart:

Und zweitens: Die kleinbürgerlichen Hobbits spielen die Rolle der Vermittler zwischen unserer Welt und Mittelerde.

Die Hobbits und Mittelerde sind Teil einer literarischen Welt. 

Der Zusammenhang zwischen jeglicher literarischen Welt und unserer realen Welt ist grundsätzlich immer ein interessantes Thema. Bei Tolkien ist da nichts anders als bei jedem anderen literarischen Schriftsteller. 

Vermitteln zwischen beiden kann eigentlich nur der Leser. Und jeder wird es etwas anders tun. Das liegt nicht in der Hand des Autors. 

Der Autor muss nur zusehen, dass sein Werk eine Komposition hat, die ihn selber befriedigt. 

Wenn ich damals schon - 1973/1974 - angefangen hätte, diese Komposition beim "Herrn der Ringe" zu analysieren, hätte ich vielleicht schon früher darauf kommen können, dass sie eine "dialektische" Struktur enthält. 

ALLEN HIER EIN GUTES NEUES JAHR! :prost:

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Möglicher Weise lag Melkors Gehorsam genau darin, diese "Mißtöne" hervorzubringen. Eru deutet an, die Dissonanzen eingeplant zu haben. Somit wäre die Störung der Harmonie Morgoths „Funktion“ in Ilúvatars Masterplan.


Merkel trifft man nie im Berghain oder im Watergate.

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Interessant ist dabei, dass die Ainulindale aus der Perspektive der Elben geschrieben worden ist. Es ist eine Erzähltradition. Die Elben waren nicht dabei, als Eru gesprochen hat. Hier liegt also ein Gottesbild vor. 

Innerhalb der Erzähltradition ist aber anzunehmen, dass sie ursprünglich von den Valar oder einigen Valar ausgegangen ist. Die Valar haben das den Elben weitertradiert.

Nimmt man alle Varianten des Eru-Bildes, die Tolkien in die Silmarillion-Sagen eingeflochten hat, zusammen, lässt sich ein widersprüchliches Gottesbild ausmachen. Auch Melkors Aussagen darf man nicht ausklammern, auch wenn sie stets nur - innerhalb der Fiktion - von den Eru-treuen Elben notiert sind.

Ich bin plötzlich nicht mehr ganz sicher, ob innerhalb der Fiktion der Silmarillion-Sagen die Elben selber die Erzählungen aufgeschrieben haben. Blöd, habe ich im Moment vergessen.

In den "Lost Tales" jedenfalls haben die Tol-Eressea-Elben die Geschichten dem Menschen Eriol erzählt, der sie dann später aufgeschrieben hat. 

Sie sind also auch durch das Gehirn und Verständnisvermögen eines Menschen gegangen, bevor sie notiert wurden.

Bei den Silmarillion-Sagen muss ich noch nachgucken - aber im "Herrn der Ringe" jedenfalls ist es Bilbo, der schriftliche Dokumente aus der Bibliothek Elronds mit ins Auenland nimmt und sie dort übersetzt. 

Merry und Pippin - laut "Herr der Ringe" - haben nach der Abreise Bilbos und Frodos noch selber die übriggebliebenen Elben nach Erinnerungen befragt.

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Hui, das ist Meta-Gebiet. Das hieße, Tolkiens Spiel ein Stückweit mitzuspielen und anzunehmen, daß er nur der Übersetzer seiner Werke ist. Im Grunde verlassen wir damit bereits die streng werkimmanente Analyse.
Tolkiens Überlieferung folgend, liegt uns keine einzige elbische Primärquelle vor. Auch keine zwergische, entische oder orkische. Alle Texte über Mittelerde kommen über die Hobbits zu uns. Bilbo schrieb den Hobbit, Frodo den Herrn der Ringe und das Silmarillion basiert auf den „Übersetzungen aus dem Elbischen“ von Bilbo Beutlin.
Allerdings ist der Herr der Ringe, wie wir ihn kennen, höchstwahrscheinlich die Abschrift der Abschrift vom roten Buch der Westmark, die Findegil, der königliche Schreiber Eldarions im zweiten Jahrhundert des Vierten Zeitalter anfertigte. Dann hätten wir doch wieder alles aus Menschenhand.

Aber ohne Menschen können wir diesen Thread ohnehin vergessen. Götter und Elben sind Mythologie-unfähig. Für sie, die keine Banalität kennen, ist der Mythos Realität. Er ist die Form ihres poëtischen Daseins. Mythologisierend im Sinne Barthes kann nur der Blick des Menschen sein. Wer einen Mythos gebären will, muß kleiner sein als dieser.

Höchste Zeit für eine Debatte über die anthropomorphen Tücken übermenschlicher Protagonisten.

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vor 4 Stunden schrieb Nelkhart:

Hui, das ist Meta-Gebiet. Das hieße, Tolkiens Spiel ein Stückweit mitzuspielen und anzunehmen, daß er nur der Übersetzer seiner Werke ist.

Nein, das meinte ich nicht. Sorry, wenn ich unklar war.

Ich meinte die Erzählperspektive. Die Klärung der Erzählperspektive ist Teil der werkimmanenten Analyse, 

Man kann das auch auf die Frage polen: Wer ist die Erzählerfigur?

Die Erzählerfigur ist nicht identisch mit dem Autor. Das wird heute noch den Gymnasiasten der Oberstufe in Deutsch eingebläut, und das wurde mir schon in der Schule vor diversen Jahrzehnten eingebläut. 

Da gibt es den Ich-Erzähler zum Beispiel. Wenn der Autor sich dafür entscheidet, einen Erzähler zu erfinden, der nur das beschreiben und erzählen kann, was ihm als Ich bekannt geworden ist, dann tut er das aus erzähltechnischen Gründen, nehme ich an.

Neben dem Ich-Erzähler gibt es den allwissenden Erzähler. Der weiß halt alles, und man muss nicht darüber grübeln, wieso der weiß, was Figur B fühlt. In einer Ich-Erzählung kann das Ich aber nicht über das schreiben, was Figur B fühlt. Weil er es eben nicht wissen kann.

Und dann gibt es den Er/Sie-Erzähler. Die nennt man heute den personalen Erzähler. Der schlüpft in eine Figur und erzählt aus ihrer Sicht, aber nicht in Ich-Form. - Manche moderne Autoren lassen ihren personalen Erzähler von Figur zu Figur hüpfen, in die sie jeweils schlüpfen und dann wieder verlassen. 

Fast wichtiger noch als das, was ein Erzähler weiß, ist das, wie der Erzähler Dinge bewertet. - An der Art seiner Bewertung kann man am besten die Erzählperspektive erkennen. 

Ich könnte mir denken, dass es einen Autor gibt, der seinen Erzähler alles aus der Perspektive eines Mörders schildern lässt. - Da ist am deutlichsten, dass nicht der Autor ein Mörder sein muss. 

 

Zitat

Tolkiens Überlieferung folgend, liegt uns keine einzige elbische Primärquelle vor.

Tolkiens fiktive Überlieferung würde ich lieber sagen. Tolkien selber hatte ja keine Überlieferungen in seinen Bücherschränken stehen. 

 

Zitat

Alle Texte über Mittelerde kommen über die Hobbits zu uns.

Zu "uns" ja nun nicht. :-) Wir Leser wissen das aus Tolkiens literarischen Werken.

Aber die Figuren innerhalb der Erzählungen finden, wie Du sagst, alle Infos aus Texten von den Hobbits. Dann habe ich das ja fast richtig erinnert.

 

Zitat

Bilbo schrieb den Hobbit,

 Nee, den "Hobbit" hat Tolkien geschrieben. :-) Aber Bilbo hat innerliterarisch ein Tagebuch geschrieben, das er an Frodo weitergegeben hat und der daran weitergeschrieben hat. 

Dieses Spiel mit den Erzähl-Ebenen treibt Tolkien fast bis zum Exzess. 

Die Erzählerfigur des "Hobbit" - die also nicht der Autor ist - muss ein Mensch sein. Das hat irgend ein Tolkien-Spezialist durch Analyse dieses Werkes mal rausgefunden. 

 

Zitat

Frodo den Herrn der Ringe

Die Erzählerfigur des "Herrn der Ringe" ist ein Chronist, der - fiktiv - Zugang zu den Bibliotheken des Auenlands bekommen hat und aus den gesammelten Quellen den Ringkrieg rekonstruiert. 

Dieser Chronist ist ein Mensch, im Übrigen, zumindest auch. Das geht alles aus den Einleitungen und Anhängen des "Herrn der Ringe" hervor. 

Jemand aus dem uralten blauen Tolkienboard - inzwischen abgesoffen oder eingestampft - hat mal gemeint:

dieser Chronist sei eigentlich "Aelfwine".

Und der hat meines Erachtens den Nagel auf den Kopf getroffen. Da geht es mir so wie Dir anderswo, Nelkhart:

das "verzaubert" mich. Die Aelfwine-Figur, die auch in "The Notion Club Papers" vorkommt, ist eine literarische Figur, die in beiden Welten gleichzeitig lebt: in der irdischen und in der überirdischen. Und diese Figur bekommt Botschaften aus dieser überirdischen - oder von mir aus unterirdischen - Welt.

Diese Fiktion, die Tolkien in allen seinen Werken anwendet, wo es auch Menschen gibt:

die trifft einen Nerv von mir. Ich vermute nämlich, dass wir Lebewesen tatsächlich nicht nur in der Welt leben, die wir uns als "real" definiert haben. Definieren müssen wir eine Menge. Aber das ist praxisbedingt. Wirklich "real" ist das nicht. 

 

Zitat

Allerdings ist der Herr der Ringe, wie wir ihn kennen, höchstwahrscheinlich die Abschrift der Abschrift vom roten Buch der Westmark, die Findegil, der königliche Schreiber Eldarions im zweiten Jahrhundert des Vierten Zeitalter anfertigte. Dann hätten wir doch wieder alles aus Menschenhand.

Das fiktive Werk, von dem Du sprichst, heißt bei Tolkien nicht "Herr der Ringe", sondern "Der Ringkrieg" oder so ähnlich. Und letzterer ist nirgendwo in Deutschland oder sonstwo auf unserer Welt veröffentlicht worden.

 

Zitat

Aber ohne Menschen können wir diesen Thread ohnehin vergessen. Götter und Elben sind Mythologie-unfähig. 

Für sie, die keine Banalität kennen, ist der Mythos Realität. Er ist die Form ihres poëtischen Daseins. Mythologisierend im Sinne Barthes kann nur der Blick des Menschen sein.

Das sind alle unsere literarischen Figuren. Sie leben nur in der Kunstwelt, und dort bleiben sie ewig und statisch.

Da sie aber - nach meinem Verstehen - von uns geboren wurden, sind sie Teil von uns. 

Da wir Menschen aber gar nicht wirklich wissen, wer wir sind, können wir in Wahrheit - oder virtuell oder vorausahnend - möglicherweise  hauptsächlich das sein, was wir in Figuren projizieren. 

 

Bearbeitet von Alsa
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Gute Frage! Wer ist dieser geheimnisvolle Erzähler, der anachronistische „D-Zug“-Vergleiche anstellt und die Gedanken von streunenden Füchsen lesen kann? Über diesen Unbekannten wurde hier im Forum natürlich schon wild diskutiert.

Gerade an der „D-Zug“ Metapher entzündete sich hier vor Jahren eine Diskussion, aus der die Theorie vom „Lesezimmer“ hervorging:

„Schon im Prolog ist diese entwaffnende Selbstverständlichkeit der mittelirdischen Realität spürbar. Der Text klingt so nüchtern und trocken, daß ihn viele Erstleser einfach überblättern. Entscheidend aber ist die sprachliche Abstraktion dieser Prolog-Wirklichkeit. Der zurückblickende Erzähler scheint aus einer zeitlosen Zwischenwelt zu berichten, die uns vertraut und fremd zugleich vorkommt. Dieser geheimnisvolle Ton hat die Skeptiker, […] zu der verwegenen Auffassung geführt, daß die Zeitalter der Sonne in ein ahistorisches paralleles Heute geführt haben. Diese Zeitebene kennt unseren bürgerlichen Alltag zwar in Grundzügen, blendet aber Popkultur, sexuëlle Selbstbestimmung und andere triviale Modeerscheinungen des 20. Jahrhunderts völlig aus.
Tolkien schuf hier auf wenigen Seiten eine behagliche Schaukelstuhl-Gegenwart für seine Leser, die zwischen den Zeiten angesiedelt ist: ein abstrahiertes Heute.

Ich nenne diesen literarischen Raum deshalb „das Lesezimmer“. Eine Dimension, in die nur unsere Erfahrungen aus Büchern gelangen, jedoch keine tagespolitischen Ereignisse.“

Das Lesezimmer ist eine künstliche Gegenwart, eine fiktive, gezähmte Moderne, ohne Weltkriege, aber auch ohne Woodstock. Man findet ihre Atmosphäre in vielen Büchern des 20. Jahrhunderts.

Allerdings entbehrt auch die These vom Dimensionenreiter Elendil/Ælfwine als Erzähler nicht eines gewissen Reizes. Seltsam, daß Dich gerade der Lewis-Tolkien-Contest (Zeitreise vs. Weltraumreise) so anspricht. Bei mir ist es der letzte Satz aus „Concerning Hobbits“. Das ist für mich ein sicheres Portal. Klappt jedes Mal. Im Übrigen könnte ich jedes Mal wieder stundenlang darüber nachgrübeln, ob Celeborn schließlich nach Aman gegangen ist oder nicht.


Aber in Mittelerde darf sich jeder nach seiner Façon verzaubern lassen.

Bearbeitet von Nelkhart
Paternalistischer Übergriff in der Foren-Programmierung.
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„Aber die Figuren innerhalb der Erzählungen finden, wie Du sagst, alle Infos aus Texten von den Hobbits.“

Das ist eher falsch. Die Figuren aus den Erzählungen haben die Ereignisse, die in Tolkiens Werken beschrieben werden, entweder selbst erlebt oder stützen sich auf elbische Quellen (Bilbo, Merry & Pippin). Die einzige Figur in der Erzählung, von der wir wissen, daß sie sich mittels der Hobbit-Texte informierte, war wie gesagt Findegil.

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Am 2.1.2019 um 14:51 schrieb Nelkhart:

Möglicher Weise lag Melkors Gehorsam genau darin, diese "Mißtöne" hervorzubringen. Eru deutet an, die Dissonanzen eingeplant zu haben. Somit wäre die Störung der Harmonie Morgoths „Funktion“ in Ilúvatars Masterplan.

 

Die Erufigur - so wie sie (innerhalb der Fiktion) von den Valar oder Elben oder Menschen - dargestellt wird, versucht natürlich, sich als Diktator zu profilieren ->

Ich, der Allmächtige, sei intellektuell in der Lage, jedem das Selbstbewusstsein zu rauben. Widerstand sei zwecklos. Denn selbst diesen Widerstand habe er 'geplant', und damit sei der andere stets nur Mittel zum Zweck, alles diene nur der Herrlichkeit Erus.

Damit hat Tolkien eine typische Figur des abendländischen - oder überhaupt menschlichen - Denkens geschaffen:

Die Lust, sich total einem Herrscher zu unterwerfen und alles zu diskriminieren, was diesen anzweifelt. 

Auch hier wieder: Tolkien ist aktuell wie noch nie. Gerade zur Zeit hat der erwähnte Typus Hoch-Saison in der Welt. 

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Alsa und Nelkhart leisten sich eine selektive Irrationalität. Doch ihre Schwärmereiën überschneiden sich nie. Wo der eine abhebt, bleibt der andere stets nüchtern. So decken sich Vernunft und Absurdität gegenseitig.

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Ich habe gelernt, die Art der Beschäftigung mit Tolkien in zwei Gruppen einzuteilen:

die eine Gruppe konzentriert sich auf den Inhalt und tut so, als ob dieser Inhalt real ist.

Die andere sieht Tolkien als Schriftsteller und sein Werk als ein dichterisch-literarisches, wo Form und Inhalt einander bedingen.

Die erste Gruppe habe ich erst in den Tolkienforen kennengelernt. Ich wusste vorher nicht einmal, dass sie überhaupt existiert. Und sicher bin ich auch nicht, dass sie nicht erst durch das Tolkienfandom entstanden ist.

Um das auf das Eru-Thema zu führen:

Ich kann mich gut erinnern, dass die meisten Tolkienfans, die ich kennenlernte, überzeugt davon waren, dass Eru quasi der reale Gott sei, da Tolkien ja "tief religiös" gewesen sei. Das wurde jedenfalls immer behauptet. 

Für mich lief es darauf hinaus, dass man nicht anerkannte, dass Tolkien Fiktionen schrieb. Die Fans sagten, dass Melkor selbstverständlich hart von Eru bestraft werden müsse, da Eru immer recht habe, ein allwissender und allmächtiger Gott sei. Selbstverständlich sei Eru dasselbe wie Jehova (der jüdische und christliche Gott), und Jehova habe ja ebenfalls immer Recht.  Jehova bestrafe jeden, der sich ihm widersetze, und so müsse es auch sein und so sei es in Ordnung. Denn so stehe es ja auch in der Bibel. 

Und Tolkien hätte ja nie - als "tief religiöser Mensch" - etwas geschrieben, was der Bibel widerspreche.

So ein Denken ist mir zutiefst fremd. Ich wäre nie im Traum darauf verfallen, dass Tolkien im "Silmarillion" die Bibel weiterführt und über den jüdischen oder christlichen Gott Geschichten erzählt.

Da seit Jahrzehnten in den Tolkienforen kaum noch über das "Silmarillion" gesprochen wird - außer so, dass man begehrt, dass es doch verfilmt werden solle und Tolkiens Sohn Christopher doch endlich sterben möge, damit er die Verfilmung nicht mehr blockieren kann

(inzwischen ist es ja wohl auch so geregelt, dass Christopher da jetzt auch gar kein Mitspracherecht mehr hat) -

also weil man über das Sil nicht mehr viel diskutiert, weiß ich auch nicht, wie die Fans heute Eru bewerten.

Aber das, was man dann als Film zu sehen begehrt, ist auch immer wieder nur der Inhalt. Als literarisches Werk wird es nicht zur Kenntnis genommen.

Insofern ist noch jede Menge Deutungspotential in Tolkiens Geschichten; es kann also noch eine richtige Renaissance entstehen, und irgendwann wird sie vielleicht auch entstehen. Ich weiß nur nicht, ob ich das noch erleben werde.

Aber man kann ja schon mal anfangen. :prost:

 

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Ich äußere mal wieder nur ein paar Gedanken.

vor 7 Stunden schrieb Alsa:

die eine Gruppe konzentriert sich auf den Inhalt und tut so, als ob dieser Inhalt real ist.

Das kann ich mir kaum vorstellen. Ich kenne viele Leute, die als Hobby Weltenbau betreiben, und Tolkien als Grundlage benutzen. Aber die kämen nie auf die Idee den Inhalt für abgebildete Realität zu halten. Sie leben und spielen in hrer Freizeit innerhalb der fiktiven Welt Mittelerde. Aber mehr auch nicht.

vor 7 Stunden schrieb Alsa:

Ich kann mich gut erinnern, dass die meisten Tolkienfans, die ich kennenlernte, überzeugt davon waren, dass Eru quasi der reale Gott sei, da Tolkien ja "tief religiös" gewesen sei. Das wurde jedenfalls immer behauptet. ...

Das gewählte Beispiel, finde ich nicht sehr passend. Solche christlichen Tolkienexegeten sind mir auch schon öfter begegnet (sie gibt es auch bei anderen Autoren). Aber auch sie halten den Inhalt seiner Bücher nicht für real. Sie interpretieren sie auch nur in ihrem Sinne. Was ich durchaus für legitim (wenn auch nicht immer nachvollziehbar) halte.

Oder verstehe ich hier deinen 'Realitätsbegriff einfach nur falsch?

vor 7 Stunden schrieb Alsa:

Die andere sieht Tolkien als Schriftsteller und sein Werk als ein dichterisch-literarisches, wo Form und Inhalt einander bedingen. 

Wie meinst du das, das Form und Inhalt einander bedingen? Tolkien selbst hat doch die selbe Geschichte oftmals in unterschiedlichen Formen erzählt, z.B. in Reimform und als Prosa (z.B. Beren und Luthien). Die Geschichte blieb dieselbe, nur die Form änderte sich.

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Hallo Torshavn,

"so tun als ob" heißt in meiner Sprache: Ich tu jetzt mal so, als ob das alles wirklich passiert ist.

Das beinhaltet nicht, dass man sich dessen nicht bewusst ist, dass man ein Spiel spielt. 

Obwohl es tatsächlich User gab, die das Silmarillion mit Bibelzitaten gedeutet haben. 

Und es gab User, die überzeugt davon waren, dass Tolkien mit seinem Werk die Existenz von Elben behaupten wollte. Sie glaubten daran, dass die Elben in den Wäldern noch existierten.

Insofern war für nicht wenige Tolkien der Garant dafür, dass die von ihm beschriebene Welt noch real vorhanden sei.

Kann sein, dass ich meinen Realitätsbegriff nicht genau genug benutzt habe, tut mir Leid. Ich meinte in diesem Fall damit alles, was in unserer realen Welt sich abspielt: dazu gehört auch die Religion, auch wenn sie sich auf Unsichtbares bezieht.

Zu Form und Inhalt:

Da war ich wahrscheinlich auch wieder nicht klar genug.

Ich unterscheide mal:

a. Geschichte - b. Inhalt - c. Form

Wenn der Inhalt in eine neue Form gegossen wird, dann ändert sich die Geschichte.

Die Geschichte wäre das, was ich davon mit nach Hause nehmen kann. 

Wenn sich jede künstlerische Geschichte auf ihre Handlung reduzieren ließe, dann hätte man die Kunst aus unserer Welt verbannt. 

Dabei ist die Kunst mit ihrer grundsätzlichen Mehrdimensionalität ein Produkt von mehreren Jahrtausenden. 

Das dürfen wir nicht über Bord werfen. 

 

 

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Mir geht es im Grunde genau wie Melkor. Ich wurde gezwungen, auf die Welt zu kommen. Niemand hat mich vorher um meine Erlaubnis gebeten. Ein ziemlich übergriffiger Akt meiner Eltern, wie ich jetzt erkenne. Beziehungsweise meines Schöpfers.

Dasselbe gilt für Autoren und Künstler. Wieso der alte Mann und das Meer? Warum nicht die junge Frau und die Wiese? Der Name der Nelke? Homo Saber?
Schöpfertum ist Gewalt und Diktatur. Gnadenlose Festschreibung. Totale Herrschaft. Die ultimative Repression.

Das kann man so sehen, wenn man möchte, stellt uns aber vor die umgekehrte Theodizee-Frage: Woher kommt dann das Gute in der Welt?

Freundschaft, Ehrlichkeit, Aufopferung und Mitleid sind ja eigentlich ganz gute Erfindungen. Aber was ist daran eigentlich gut? Was kann gut im Werk eines omnipotenten Schurken sein?
Beim Versuch zu absoluten Kategoriën zu gelangen, wird man hier und in Eä gleichermaßen feststellen, daß man auf philosophisch wackeligem Boden steht, denn es gibt für Menschen keinen neutralen Punkt, um Kritik am Sein selbst auszuüben. Uns fehlt der Vergleich zu alternativem Sein.
Erst das Unglück macht den Retter zum Helden. Wahrscheinlich braucht Ilúvatars Eä deshalb so viel Unglück.

Allmacht ist der Fluch jeden Künstlers. Bei Eru haben wir es mit einem Künstler zu tun, der von einem Künstler erschaffen wurde, der diese Figur nach Vorbild dessen schuf, nach dessen Ebenbild er sich selbst geschaffen glaubte. Und ich ahne, daß hier dem mittleren Künstler, Tolkien, die beiden anderen zum Vorwurf gemacht werden.
Aber mächtig zu sein, ist noch kein Verbrechen. Man muß die Macht schon mindestens mißbrauchen. Und hier wird es bereits ziemlich eng: Ilúvatar handelt im Legendarium im Wesentlichen nur dreimal. Er stellt den Chor der Ainur zusammen, setzt deren Weltdesign in materiëlles Sein um (mittels des geheimen Feuërs) und entrückt am Ende des zweiten Zeitalters Aman. Und das auch nur, weil sein zartbesaiteter Hauptstatthalter jammert. Für ein Absolutum ist das im Grunde bemerkenswert zurückhaltend. Tyrannei geht anders.
 
Ich muß sagen, nach Nietzsche, Foucault und Marilyn Manson wirkt diese Eru-Dekonstruktion doch einigermaßen ermüdend. Spätestens seit Akte X, der Mutter aller Verschwörungstheoriën, hat es an Reiz verloren, gut und böse auf den Kopf zu stellen.

Man tut sich wirklich keinen Gefallen damit, Tolkiens Geschichten als gescheiterten Versuch Melkors zu lesen, die Sklaven Ilúvatars von der Tyrannei ihres Schöpfers zu befreiën. Der Perspektivwechsel nötigt einen dazu, sich viele Seiten lang mit gehirngewaschenen Kleinbürger-Helden zu beschäftigen, die in ihrer armseligen Fröhlichkeit übersehen, daß sie Gefangene ihrer gottgegebenen Rechtschaffenheit sind. Dadurch verliert die liebevolle Beschreibung der Wunder Mittelerdes – ein Großteil des Werkes also - ihren ganzen Sinn.

Die Einsicht, „unfgefragt“ auf die Welt gekommen zu sein, bringt die Menschheit seit Jahrtausenden in Erklärungsnöte. Die einen unterwerfen sich Gott, die anderen quälen sich mit ihrem Narzißmus ab.
Immerhin hat die Vorstellung, erschaffen worden zu sein, beide ziemlich weit gebracht: Erde und Mittelerde.

Bearbeitet von Nelkhart
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vor 1 Stunde schrieb Nelkhart:

Mir geht es im Grunde genau wie Melkor. Ich wurde gezwungen, auf die Welt zu kommen. Niemand hat mich vorher um meine Erlaubnis gebeten. Ein ziemlich übergriffiger Akt meiner Eltern, wie ich jetzt erkenne. Beziehungsweise meines Schöpfers.

Hallo Neikhart,

in Deinem post sind so viele interessante Sachen angesprochen, dass ich gleich loslegen muss.

Was Du oben schreibst - abgesehen vom letzten Satz - hat mich ebenfalls über einige Jahrzehnte umgetrieben. Ich empfand ebenfalls sehr stark die Übergriffigkeit, dass man mich nicht gefragt hat, ob ich überhaupt auf die Welt will.

Angesichts so grauenvoller physischer Qualen, die manche Menschen ertragen müssen und zu denen man sie verdonnert hat durch ihre Geburt, konnte ich nicht einmal verstehen, dass andere mich in diesem Punkt nicht verstanden.

Mit einem "Schöpfer" hingegen kann ich nichts anfangen. 

 

vor 1 Stunde schrieb Nelkhart:

Dasselbe gilt für Autoren und Künstler. Wieso der alte Mann und das Meer? Warum nicht die junge Frau und die Wiese? Der Name der Nelke? Homo Saber?
Schöpfertum ist Gewalt und Diktatur. Gnadenlose Festschreibung. Totale Herrschaft. Die ultimative Repression.

Hier kann ich Dir nicht folgen. Niemandem wird geschadet dadurch, dass man sich für einen bestimmten Romantitel  entscheidet. Hemingway war maskulin, darum "der alte MANN". Das Meer hat einen anderen Symbolwert als die Wiese, darum das "MEER."

Nichts und niemand wird dadurch festgeschrieben. Kunst ist doch gerade das NICHT Festschreibende. Ein Symbol ist offen, mehrschichrtig, schließt Gegensätzliches ein. 

 

vor 1 Stunde schrieb Nelkhart:

Das kann man so sehen, wenn man möchte, stellt uns aber vor die umgekehrte Theodizee-Frage: Woher kommt dann das Gute in der Welt?

Mit der Theodizee-Frage konnte ich auch noch nie was anfangen. Das ist ein künstliches Problem, das gar nicht existiert. Es ist ein Scheinproblem.

Denn: abstrakte Dinge wie "das Gute" oder "das Böse" sind rein sprachliche Abstraktionen, die in der Realität nicht vorhanden sind.

Allerdings sehe ich es in dem Fall ähnlich wie Du, als man mit Abstraktionen Macht ausüben kann. Man kann mit diesen Luftblasen Menschen zur Verzweiflung treiben, bis in den Selbstmord hinein, wie ich in nächster Freundschaft als Schülerin erleben musste.

Diese künstlichen Probleme können nur aufgelöst werden, indem man durchschauen lernt, dass sie nur aus leeren Buchstaben bestehen und sich auf nichts Reales beziehen können. 

 

vor 1 Stunde schrieb Nelkhart:

Freundschaft, Ehrlichkeit, Aufopferung und Mitleid sind ja eigentlich ganz gute Erfindungen. Aber was ist daran eigentlich gut? Was kann gut im Werk eines omnipotenten Schurken sein?

Hier liegen Bewertungen von menschlichen Verhaltensweisen vor. 

Diese Bewertungen sind zwiefach sprachlich permanent missbrauchbar:

1. Man behauptet einfach, jemand habe aus "Mitleid" oder "Freundschaft" gehandelt.

Wissen kann man es nicht, aber das reine Behaupten ist des Menschen liebstes Kind.

2. Außerdem bewertet man diese unterstellten Eigenschaften..

Mit beiden Vorgängen - neben dem Abstrahieren - kann man ebenfalls sehr sehr viel Macht ausüben. 

Man wirft einem an den Kopf, dass er nicht "ehrlich" sei, und zweitens schreibt man der Unehrlichkeit etwas Negatives zu.

Wer sprachlich unseriös ist und sie ständig missbraucht, um andere abzuklassifizieren, will Macht.

Wer keine Macht über andere will, fängt an, die Sprache und ihr Funktionieren zu untersuchen.

 

vor 1 Stunde schrieb Nelkhart:

Beim Versuch zu absoluten Kategoriën zu gelangen, wird man hier und in Eä gleichermaßen feststellen, daß man auf philosophisch wackeligem Boden steht, denn es gibt für Menschen keinen neutralen Punkt, um Kritik am Sein selbst auszuüben. Uns fehlt der Vergleich zu alternativem Sein.

So ist es.

Aber Tolkien hat das auch nie behauptet. Ganz im Gegenteil. Er perspektiviert seine Erzählungen. Sie stammen immer aus der Sicht eines Jemand.

"Sein" ist auch nur ein abstraktum, das keinen Sinn macht. 

 

vor 1 Stunde schrieb Nelkhart:

Allmacht ist der Fluch jeden Künstlers.

Nein! Ein Künstler, wenn er denn wirklich einer ist, macht sein Werk vielschichtig. 

Eru ist von Tolkien nicht als Künstler figuriert worden. 

 

vor 1 Stunde schrieb Nelkhart:

Und ich ahne, daß hier dem mittleren Künstler, Tolkien, die beiden anderen zum Vorwurf gemacht werden.

Ich verstehe die Aussage nicht. Wer macht was zum Vorwurf? Ich kenne die Quelle nicht, auf die Du Dich berufst.

 

vor 1 Stunde schrieb Nelkhart:

Man tut sich wirklich keinen Gefallen damit, Tolkiens Geschichten als gescheiterten Versuch Melkors zu lesen, die Sklaven Ilúvatars von der Tyrannei ihres Schöpfers zu befreiën.

Hier bräuchte ich auch eine Quelle. Ich habe noch nie von jemandem gehört, dass er Tolkiens Geschichten so liest wie Du es schreibst.

 

 

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„Ich habe noch nie von jemanden gehört, dass er Tolkiens Geschichten so liest wie Du es schreibst.“

Alsa tut es:
„Die Erufigur – so wie sie (innerhalb der Fiktion) von den Valar oder den Menschen – dargestellt wird, versucht natürlich, sich als Diktator zu profilieren“

Noch deutlicher hier:
„Wir sollen – nach meinem Verstehen – vor Eru nicht buckeln, sondern ihn in seinem Wahn erkennen. Wir sollen Melkor nicht verabscheuen, sondern sein Anliegen erfassen.“

Eine klassische Umwertung von gut und böse.

Sicher könnte Melkor Ilúvatar auf dessen Determinismus-Predigt entgegnen: „Wenn Du mich böse gemacht hast, dann beschwere Dich nicht, daß ich Böses tuë.“
Aber wenn man es genau betrachtet, klagt Eru seinen Finsterling niemals an. Er tritt nicht als strafender Gott auf. Die valinorische Streitmacht vernichtet Melkor – Ilúvatar schaut nur zu. Er billigt also die Gewalt beider Seiten. Denn ihm geht es nur darum, daß der Plot vorankommt.

Selbstverständlich ist Eru ein Künstler. Er vernichtet das Nichts und bringt Gestaltung hervor. Ganz offensichtlich ist er Dramaturg. Deshalb hat Eru auch persönlich nichts gegen Melkor. Ähnlich wie ein Regisseur keinen Groll gegen einen Schauspieler hegen wird, nur weil er als der Bösewicht auf der Bühne Taten vollbringt. Das ist nur die Rolle. Dem Allschöpfer geht es um die Inszenierung. Und an dieser Stelle scheint es naheliegender, Eru mit dem Autoren Tolkien zu vergleichen, anstatt mit dem Gott der Bibel.

Ich weiß, ich springe dauërnd zwischen Eä und Erde. Das macht es nicht unbedingt einfach. Man braucht immer etwas Meta-Instinkt, um meinen Texten folgen zu können. Und hier schon wieder:
Sicherlich könnte man die Frage diskutieren, ob Ilúvatar nicht eher amoralisch oder paramoralisch ist, statt „das Gute“. Aber wahnhaft? Dann sind alle Künstler wahnhaft (ich wäre hier mit einer pathologischen Begrifflichkeit vorsichtig). Ein Diktator oder Tyrann ist er auch nicht – oder alle Künstler sind Diktatoren gegenüber ihrem Werk.
Ich wiederhole es gerne nochmal: Der Künstler ist allmächtig in seiner Stoffauswahl und totalitär in der Ausführung, denn grenzenlose Macht ist dasselbe wie grenzenlose Freiheit. Alsa sieht hierdurch niemandem Schaden entstehen, weil es nur um imaginäre Figuren geht. Was aber, wenn auch wir nur imaginäre Figuren in eines Künstlers Geschichte sind?
Genau das wollte ich in meinem letzten Beitrag sagen: Wenn unser Sein die Kunstform eines Höheren ist, dann lohnt es sich für das Werk zu leiden. Dann bürgt eine Sinn-Unendlichkeit für alles, was geschieht. Auch das gilt wieder für Erde und Mittelerde.

Das Sein ist das einzige, was Eru mit Gewalt durchsetzt. Ansonsten vertraut er auf seine Komposition. Die große Ausnahme – die Akallabêth – ist für mich fast schon ein Fehlgriff Tolkiens, wahrscheinlich ein Schatten des selbstzerstörerischen Irrwegs, den Christopher Tolkien in „Myths transformed“ beschreibt.

Melkor ist also nicht Erus Gegner, sondern bloß sein Schauspieler. Seine echten Gegner heißen Chaos und Langeweile. Wenn seine Geschichte sinnlos und öde gerät, dann ist er gescheitert.

Übrigens: Die Auffassung, daß bestimmte Dinge nur eine Vorstellung sind und nicht real, ist ja auch nur eine Vorstellung. Den Bogen kann man sich also sparen und seine Vorstellungen gleich als persönliche Realität ansehen.

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Tut mir Leid, Nelkhart. Ich bin Deine Unterstellungen Leid.

Ich habe Dir schon vor einiger Zeit sinngemäß geschrieben:

Wenn Du dermaßen falsch Tolkien verstehst wie Du mich falsch verstehst, dann verstehst Du nichts von Tolkien.

Dieser Thread war in meinen Augen nicht dafür gedacht, dass Du mich andauernd in irgendwelche Schubfächer einordnest.

Ich kann mit Schubfächern sowieso nichts anfangen, sowas geht mir ganz gegen den Strich. 

Insofern breche ich die Diskussion mit Dir ab.

Ich wünsche Dir aber, dass Du hier noch Diskussionspartner findest. 

 

Bearbeitet von Alsa
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Danke, Alsa! Viel länger hätte ich diese Tour de Force auch nicht mehr durchgehalten. Selten hat mich jemand so gnadenlos vor sich her getrieben. Was für ein Schlagabtausch! Mir gingen schon langsam die Metaebenen aus. Ich bin erlöst. Jetzt kann ich hier ganz in Ruhe aufräumen und all die angerissenen Gedanken aufgreifen und die losen Enden zusammenfügen.

Morgen schlaf ich erstmal aus. Und dann hol ich den Pfarrer. Vielleicht bekommt der Thread doch noch seinen richtigen Namen.

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