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[2] Part I/Gesang I


Alatariel

Empfohlene Beiträge

Entschuldigt bitte die eintägige Verspätung - ich war leider hier im verschneiten Thüringer Wald einen Tag von der Außenwelt abgeschnitten.

Hier ist nun der zweite Teil der Besprechung von The Fall of Arthur (Übersetzung von Hans-Ulrich Möhring: König Arthurs Untergang).
Nun geht es ans "Eingemachte" (;-)) mit dem ersten Teil des eigentlichen Textes.

Allgemeine Informationen zur Aktion "Gemeinsam Tolkien Lesen" an sich finden sich hier, speziell zur Leserunde über The Fall of Arthur gibt es hier weitere Informationen.

Neue Diskussionsteilnehmer sind jederzeit willkommen!

Viel Spaß bei der Diskussion.

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Ich fange jetzt mal mit Zeile 1ff an.

Man wird voll in die Geschichte reingeworfen, hat null Ahnung, um was genau es sich handelt, falls man die story nicht schon kennt. Laut Christopher hat Tolkien aber - im Gegensatz zu seinen Vorgängern - die Vorgeschichte extra weggelassen. 

Wird diese Vorgeschichte dennoch klar - indem Tolkien so nach und nach durch die Technik des Rückblicks die Fakten dann doch erwähnt - oder will Tolkien damit von vornherein die Erzählung ein wenig ins Allgemeine heben? 

Begriffe wie "shining shores" (Z. 9) könnten ja ein wenig mythisch klingen.

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Ohja, man wird sofort in die Story hineingeworfen. Recht unüblich für Tolkien, finde ich. Selbst "Sigurd und Gudrún", vom Stil und vor allem vom Erzähltempo her sehr ähnlich, beginnt mit einem langen Prolog und einer ewig langen Vorgeschichte. Aber da es hier um den "Morte Arthure" geht, ist es wohl ein nachvollziehbarer Einstieg: der Anfang vom Ende sozusagen. Im "Lay of Leithian" hatte Tolkien Jahre zuvor immer wieder Rückblenden eingedichtet, um den Gesamtzusammenhang deutlich zu machen - vielleicht werden wir hier ähnlichem begegnen?

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vor 12 Stunden schrieb Berenfox:

Recht unüblich für Tolkien, finde ich. 

 

Das stimmt. Sonst ist man in etwa das gewöhnt:

"Es war einmal ein Hobbit. Dieser Hobbit - was ist eigentlich ein Hobbit? Also: Ein Hobbit ist jemand, der ..."

Hier erfährt man etwas über einen Arthur und einen Mordred, und wenn man jetzt nicht Lexika wälzt oder nordisch-klassisch gebildet ist, erfährt man personal über sie erst mal kaum etwas, allerdings einiges über ihre Psyche und ihre Handlungen. 

Aus dem Titel weiß man, dass Arthur ein "king" ist und dass er einen "fall" erleben wird. 

Die Überschrift über Teil I - "How Arthur and Gawain went to war and rode into the East" - klingt in meinen Ohren sehr modern, ein bisschen parabelartig.  Es wrid nur von "Krieg" gesprochen, nicht von welchem. 

Im Text selber hören wir, dass dieser Krieg von Mordred als "weise" verkauft wird und dass Arthur darauf voll abfährt. Arthur scheint tief erfüllt von dieser Aufgabe, die "shining shores" von Süd-Britannien gegen die "Heiden", die aus den "wild marches" stammen, mittels Krieg zu vernichten.

Was haben die Heiden an den "leuchtenden Stränden" gemacht? Beute gesucht. Welche? 

Der Leser erfäht also, dass dieser Krieg auf Rat von Mordred vom Zaun gebrochen wird, undurchdacht ist, möglicherweise unnötig und noch mehr möglicherweise selbstmörderisch.

 

Bearbeitet von Alsa
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Dieser direkte Einstieg in die Geschichte (und die Versform) haben mich sofort gepackt. Mir hat es sehr gefallen, so in die Geschichte gezogen zu werden.

Am 28.1.2018 um 01:01 schrieb Alsa:

Hier erfährt man etwas über einen Arthur und einen Mordred, und wenn man jetzt nicht Lexika wälzt oder nordisch-klassisch gebildet ist,

Ich weiß nicht, ob man es wirklich so weit herunterbrechen kann. Die Artus- Sage ist doch auch heute noch hinreichend bekannt. Die meisten kennen sie doch in irgendeiner Form (Buch, Film, Serie, Hörbuch, Rollenspiel, Brettspiel). Ich glaube, diese Namen kann man nicht mehr einfach hören, ohne das schon eine Vorstellung der Figuren im Kopf mitschwingt, auch wenn man nicht 'nordisch-klassisch' gebildet ist. Ich denke, es ist spannend zu sehen, in wie weit sich Tolkiens Beschreibungen mit der eigenen Vorstellung denken, bzw. wo sie das nicht tun.

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Am 28.1.2018 um 01:01 schrieb Alsa:

Der Leser erfäht also, dass dieser Krieg auf Rat von Mordred vom Zaun gebrochen wird, undurchdacht ist, möglicherweise unnötig und noch mehr möglicherweise selbstmörderisch.

Beim Lesen hatte ich nicht den Eindruck, das Mordreds Rat die Ursache für diesen Feldzug gewesen ist. Vielleicht ein Zünglein an der Waage. Arthur hat ja wohl auch einen ganz realen Grund: "das römische Reich, vor Zerrüttung zu schützen". Er sieht also eine reale Bedrohung. Der edle Gawain sieht eine ganz andere Bedrohung, für ihn aber genauso real und wichtig: "denn Schlendertum schien ihm schuld daran zu sein, das die Tafelrunde sich trennte und brach. Der Krieg wird also durchaus aus guten gewichtigen Gründen geführt.

Für mich ist irgendwie neu, das Arthur, Britannien verläßt und Krieg auf dem Kontinent führt, um die Sachsen gar nicht erst auf die Insel kommen zu lassen.

Und wieso "das römische Reich vor Zerrüttung zu schützen"? Hatten die Römer Britannien nicht längst aufgegeben? Wollte Arthur nicht ein einiges Britannien schaffen?

Am 28.1.2018 um 01:01 schrieb Alsa:

Was haben die Heiden an den "leuchtenden Stränden" gemacht? Beute gesucht. Welche? 

Das steht doch ganz klar im Text?: "dass die Heiden nicht mehr mit schrecklichen Schiffen an schimmernden Küsten und auf seichter See im Süden Britanniens bübisch (????) brandschatzend Beute suchten". Da werden Dörfer und Städte überfallen und zerstört.

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vor 7 Stunden schrieb Torshavn:

Ich weiß nicht, ob man es wirklich so weit herunterbrechen kann. Die Artus- Sage ist doch auch heute noch hinreichend bekannt. Die meisten kennen sie doch in irgendeiner Form (Buch, Film, Serie, Hörbuch, Rollenspiel, Brettspiel). Ich glaube, diese Namen kann man nicht mehr einfach hören, ohne das schon eine Vorstellung der Figuren im Kopf mitschwingt, auch wenn man nicht 'nordisch-klassisch' gebildet ist. Ich denke, es ist spannend zu sehen, in wie weit sich Tolkiens Beschreibungen mit der eigenen Vorstellung denken, bzw. wo sie das nicht tun.

Es gibt da sehr unterschiedliche Theorien. Das sind fast wie unterschiedliche Weltanschauungen. Ich lasse sie nebeneinander stehen.

Meine ist die: dass ein Autor wohl sehr bewusst Informationen entweder einsetzt oder unterlässt. Und ich suche nach dem Grund, warum er es hier unterlässt.

Auf das Vorwissen der Leser zu setzen: würde ich als Autor nie machen. Was ich mitteilen möchte, teile ich im Werk mit. Tue ich es nicht, ist es auch ohne Belang, dass der Leser es weiß. 

Vorwissen kann in bestimmten Situationen sogar schaden. Offenbar will Tolkien die Erzähltradition ja verändern, will sie eben nicht einfach noch einmal neu erzählen. Insofern tue ich komplett so, als ob ich noch nie was von Mordred und Arthur gehört habe und lasse mich ganz auf das ein, wann der Autor mir welche Informationen liefert. 

Aber wie gesagt: Das ist meine Herangehensweise, andere gehen anders an die Dinge heran. Das ist wie ein Konzert mit verschiedenen Stimmen ...

vor 7 Stunden schrieb Torshavn:

Das steht doch ganz klar im Text?: 

Für mich nicht. Ich werde dann vielleicht selber noch die Antwort finden. 

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Am 29.1.2018 um 06:39 schrieb Torshavn:

Beim Lesen hatte ich nicht den Eindruck, das Mordreds Rat die Ursache für diesen Feldzug gewesen ist. Vielleicht ein Zünglein an der Waage. Arthur hat ja wohl auch einen ganz realen Grund: "das römische Reich, vor Zerrüttung zu schützen". Er sieht also eine reale Bedrohung.

 

Ich habe die entsprechenden Zeilen jetzt noch einmal gelesen. Ich sehe noch immer, und verstärkt, dass es Mordred war, der alle angestachelt hat, Krieg zu führen:

"Zertretet ihre Tempel, vertilgt ihre Festen, verheert ihre Häfen, den Hort ihrer Inseln, die gerüsteten Rotten und römischer Herrschaft hartnäckig trotzen, zum Himmel lasst rauchen in rächenden Bänden! Rauh ist ihre Hand, das Glück ist Euch günstig - geht hin und siegt!"

Und auch Gawain lässt sich von Mordred beeinflussen:

"Mut fassten die Männer, als Mordred so sprach, nicht Arglist, nicht Untreue ahnte Gawain in Rede und Rat; ihn reizte der Kampf".

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Am 28.1.2018 um 01:01 schrieb Alsa:

Die Überschrift über Teil I - "How Arthur and Gawain went to war and rode into the East" - klingt in meinen Ohren sehr modern

So "modern" ist das gar nicht. Ganz im Gegenteil, die Überschrift, die Tolkien hier - und auch für die folgenden vier Kapitel/Gesänge - nutzt, stehen ganz in der Tradition von Sir Thomas Malory: https://www.gutenberg.org/files/1251/1251-h/1251-h.htm

Malory stellte ebenfalls jedem Kapitel eine Überschrift voran, die in ein oder zwei Hautsätzen, auch mal einem Nebensatz, den Inhalt des Kapitels zusammenfasste.

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Am 29.1.2018 um 06:39 schrieb Torshavn:

bübisch (????) brandschatzend Beute suchten

Ich verstehe, dass du hinter das Adjektiv "bübisch" die Fragezeichen gesetzt hast. Das ist möglicherweise kein glücklicher Ausdruck für unseren heutigen Sprachgebrauch, auch wenn er an dieser Stelle seine Berechtigung hat. Wenn heutzutage das Wort überhaupt noch gebraucht wird, dann im Sinne von spitzbübisch, schelmisch. Es klingt schon in erster Linie nach einem Kleinjungenstreich. Ganz abgesehen davon, dass sich im englischen Original kein entsprechendes Adjektiv findet.

Hans- Ulrich Möhring hat das Wort aber in seiner veralteten, nicht mehr gebräuchlichen Bedeutung von "niederträchtig" oder "schurkig" benutzt. Absolut legitim für einen 'altertümelnden' Text (und ich muss sicher nicht darauf hinweisen, dass Tolkien selbst in seinem Herrn der Ringe altertümliche Ausdrücke nutzte und keine Wörter einbringen wollte, die erst nach 1500 (ungefähr) entstanden sind, bzw. Eingang in die englische Sprache fanden).

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vor 1 Stunde schrieb Aelfwine:

Hans- Ulrich Möhring hat das Wort aber in seiner veralteten, nicht mehr gebräuchlichen Bedeutung von "niederträchtig" oder "schurkig" benutzt

Vielen herzlichen Dank für die Erklärung:-). Diese Bedeutungen hatte ich nicht auf dem Schirm. Ist dann aber sehr passend.

 

Am 29.1.2018 um 13:35 schrieb Alsa:

Auf das Vorwissen der Leser zu setzen: würde ich als Autor nie machen

Ich glaube nicht das Tolkien auf das Vorwissen der Leser setzt. Das wollte ich ihm gar nicht unterstellen. Ich denke nur das bei Namen wie 'Mordred' und 'Arthur' oder auch 'Gawain' in den meisten Köpfe (in meinem auf alle Fälle) jede Menge Informationen aufkommen, die beim Lesen da sind (bewußt oder unbewußt). Das hält mich aber nicht davon ab, den Text zu lesen, und wahrzunehmen, was dort geschrieben steht.

Am 29.1.2018 um 13:35 schrieb Alsa:

Es gibt da sehr unterschiedliche Theorien. Das sind fast wie unterschiedliche Weltanschauungen. Ich lasse sie nebeneinander stehen.

Meine ist die: dass ein Autor wohl sehr bewusst Informationen entweder einsetzt oder unterlässt. Und ich suche nach dem Grund, warum er es hier unterlässt.

Von verschiedenen Weltanschauungen würde ich da nicht sprechen. Deine Herangehensweise ist interessant. Aber was nimmst du als Basis für dieses Suchen nach dem 'Grund'?

Am 29.1.2018 um 13:35 schrieb Alsa:

Für mich nicht. Ich werde dann vielleicht selber noch die Antwort finden

Mir ist nicht ganz klar, wieso du nach einer eigenen Antwort suchst, wenn zumindest einer der Gründe für die Überfälle schon jetzt im Text steht. Wahrscheinlich werden wir noch ein paar konkretere Gründe bekommen. Aber der Anfang ist doch gesetzt:kratz:.

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vor 3 Stunden schrieb Alsa:

Ich habe die entsprechenden Zeilen jetzt noch einmal gelesen. Ich sehe noch immer, und verstärkt, dass es Mordred war, der alle angestachelt hat, Krieg zu führen:

"Zertretet ihre Tempel, vertilgt ihre Festen, verheert ihre Häfen, den Hort ihrer Inseln, die gerüsteten Rotten und römischer Herrschaft hartnäckig trotzen, zum Himmel lasst rauchen in rächenden Bänden! Rauh ist ihre Hand, das Glück ist Euch günstig - geht hin und siegt!"

Und auch Gawain lässt sich von Mordred beeinflussen:

"Mut fassten die Männer, als Mordred so sprach, nicht Arglist, nicht Untreue ahnte Gawain in Rede und Rat; ihn reizte der Kampf".

Wir haben ja schon festgestellt, das wir einfach in die Geschichte geworfen werden. Wir also von Tolkien nicht erzählt bekommen, wie es zu dieser Situation gekommen ist. Sicherlich ist Mordred hier ein Kriegsbefürworter und sogar ein Kriegstreiber (wie wir ja auch im ersten Gesang erfahren, aus ureigenem Interesse). Aber es gibt ja auch reale Gründe, die diesen Krieg nötig machen. Arthur spricht von der Grausamkeit der Invasoren und Gawain vom inneren Zerfall der Tafelrunde. Sie haben also gute Gründe, um in diesen Krieg zu ziehen. Und machen sich deshalb auch keine Gedanken, warum Mordred so massiv auf den Krieg drängt. Es ist nicht wichtig in dem Augenblick. Wichtig ist, das es mehr Männer in den Kampf treibt.

Am 29.1.2018 um 13:35 schrieb Alsa:

Insofern tue ich komplett so, als ob ich noch nie was von Mordred und Arthur gehört habe und lasse mich ganz auf das ein, wann der Autor mir welche Informationen liefert. 

Das finde ich bewundernswert:-). Ich kann das nicht so ohne weiteres.

 

Am 29.1.2018 um 13:35 schrieb Alsa:

Aber wie gesagt: Das ist meine Herangehensweise, andere gehen anders an die Dinge heran. Das ist wie ein Konzert mit verschiedenen Stimmen ..

Ich wollte dir diese Herangehensweise auch nicht nehmen. Im Gegenteil.:-)

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@Torshavn

Vielleicht habe ich Tomaten auf den Augen, vielleicht reden wir auch aneinander vorbei: aber in dem von Dir zitierten Text steht nicht, was für Beute sie suchten. Warum sie also brandschatzend durch Dörfer und Häuser zogen. 

Bei Tolkien scheint mir so etwas wichtig zu sein. 

Zu allem anderen ein andermal. 

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In den vorangegangenen Beiträgen ist noch einiges, auf das ich gerne noch eingehen möchte, Allerdings fehlt mir dafür gerade die Zeit. Aber auf Alsas letzten Beitrag möchte ich doch kurz reagieren.

vor einer Stunde schrieb Alsa:

@Torshavn

Vielleicht habe ich Tomaten auf den Augen, vielleicht reden wir auch aneinander vorbei: aber in dem von Dir zitierten Text steht nicht, was für Beute sie suchten. Warum sie also brandschatzend durch Dörfer und Häuser zogen. 

Bei Tolkien scheint mir so etwas wichtig zu sein. 

Den Intellekt und den Ideenreichtum des Professors in Ehren, aber ich bin mir nicht sicher, ob du ihm da nicht etwas zuviel zumutest. Möglicherweise wird sich im Laufe der Lektüre zeigen, dass du damit auf der richtigen Spur bist. Glauben kann ich es ehrlich gesagt aber nicht; was auch damit zusammenhängen mag, dass es mir - ebenso wie Torshavn - schwerfällt, vorhandenes Hintergrundwissen einfach auszublenden. Und ich bin mir auch nicht sicher, ob das der richtige Weg ist, sich dem Werk zu nähern. Aber dazu später mehr. Dennoch sei dir, Alsa, deine Herangehesweise unbenommen. Ich finde den Ansatz sogar sehr spannend (auch da bin ich offensichtlich mit Torshavn auf einer Linie ;-)).

Da es in dem Gedicht um den Untergang Arthurs geht, werden die einfallenden Sachsen voraussichtlich im weiteren Gang der Handlung keine nennenswerte Rolle mehr spielen, oder besser gesagt: ihre Beutezüge nach Britannien. Ich denke, Tolkien hat uns da schon alles was wir wissen müssen mitgeteilt:

Arthur zieht in die Länder der Sachsen um das römische Reich vor der Zerüttung zu bewahren und (das wurde hier bisher noch nicht thematisiert), quasi um zwei Fliegen mit einer Klatsche zu schlagen, den Sachsen einen solchen Schlag zu versetzen, dass sie die Beutezüge nach Britannien hinein in Zukunft unterlassen. Mehr braucht es an Hintergrundwissen nicht, da dann bereits die eigentliche Handlung einsetzt.

Es ist sicher richtig, die einzelnen Stellen zu hinterfragen, ob das dann auch zielführend ist, wird sich später weisen. Aber, wie gesagt, ich denke hier bekommen wir von Tolkien nur eine Brocken an nötiger Information zugeworfen und das war's.

vor 4 Minuten schrieb Aelfwine:

um das römische Reich vor der Zerüttung zu bewahren und (das wurde hier bisher noch nicht thematisiert), quasi um zwei Fliegen mit einer Klatsche zu schlagen, den Sachsen einen solchen Schlag zu versetzen, dass sie die Beutezüge nach Britannien hinein in Zukunft unterlassen.

:panik:Upsi, das ist so nicht richtig, wie ich gerade gesehen habe:

Am 29.1.2018 um 06:39 schrieb Torshavn:

Für mich ist irgendwie neu, das Arthur, Britannien verläßt und Krieg auf dem Kontinent führt, um die Sachsen gar nicht erst auf die Insel kommen zu lassen.

 

Bearbeitet von Aelfwine
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vor einer Stunde schrieb Aelfwine:

Und ich bin mir auch nicht sicher, ob das der richtige Weg ist, sich dem Werk zu nähern.

 

Ich bin mir sicher, dass es ein richtiger Weg ist.

Ich habe das bei "Faust II" ein oder zweimal durchexerziert, indem ich den Darstellern - Jugendlichen oder jungen Leuten - erklärte, dass "Faust II" seine Bedeutsamkeit für mich erst dadurch entfaltet, dass man völlig darauf verzichtet, die mythischen Anspielungen klären zu wollen.

Die Namen von mythischen Völkern - die Kabiren zum Beispiel - muss man nicht nachschlagen; man erfährt aus dem Text, welche Funktion sie innerhalb des Werkes haben. Insofern kann man den Text wie einen Text des Absurden lesen.

Ich habe bei dieser Methode tief erfahren, dass es keinen Dichter der Moderne gibt, der das Absurde so ausgelotet hat wie Goethe. - Obwohl das absurde Kunstwerk und die Philosophie des Absurden erst im 20. Jahrhundert entstanden ist. 

Ich bin ein Freund der literarischen Rezeptionsgeschichte. Welchselbige besagt, dass ein vielschichtiges Werk  von Generation zu Generation und von Jahrhundert zu Jahrhundert immer wieder neue Interpretationsschichten aufzeigt: einfach dadurch, dass neue Denkweisen bestimmte Schichten überhaupt erst wahrnehmen können.

Daraus folgt für mich, dass die werkimmanente Methode - die ich keineswegs ausschließlich verfolge, aber bei Tolkiens Arthur (für mich) für unbedingt notwendig halte -, hier das Konstruktionsprinzip dieses Werkes erspüren könnte.

Außerdem bin ich stark vom Strukturalismus geprägt, der synchron und nicht diachron vorgeht. Man lese dazu vielleicht eine Zusammenfassung von Ferdinand de Saussure.

Es gibt heute neben der synchronen Sprachwissenschaft  auch noch immer die diachrone Sprachgeschichte; und niemand kommt auf die Idee, die eine für den falschen Weg zu halten. 

 

Was Tolkien und sein modernes Denken betrifft:

er hat in seiner frühen Malerei ein paar Bilder gemalt, die dem Absurden oder Surrealen sehr nahe kommen, zumindest ihn stark beeinflusst haben. Zumindest an eins dieser Bilder kann ich mich konkret erinnern. 

Die Überschriften hier in Tolkiens "Arthur" erinnern mich in ihrer Eigenart mehr an Max Frisch oder Friedrich Dürrenmatt oder gar Bert Brecht als an die der klassischen Epen. Es ist wohl das Parabelhafte, das ich da wahrzunehmen meine - ist ja auch erst mal nur ein erster Einruck. 

 

 

 

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vor 1 Stunde schrieb Alsa:

Ich bin mir sicher, dass es ein richtiger Weg ist.

 

vor 1 Stunde schrieb Alsa:

und niemand kommt auf die Idee, die eine für den falschen Weg zu halten. 

Liebe Alsa,

bitte verzeih, wenn ich dir zu nahe getreten bin oder dich gar verärgert habe. Das lag mir mehr als fern! :(

Das kommt davon, wenn man einen Text schnell und unter Zeitdruck runterschreibt; da schleichen sich Formulierungen ein, die man hätte besser machen können, bzw. einer Erläuterung bedurft hätten.

Und das trifft auch auf meinen Satz zu. Ich wollte auf gar keinen Fall deinen Weg als falsch brandmarken, wie du selbst sagst ist es ein Weg. Es ist nicht mein Weg, der ist eher diachron, aber ich habe oben auch geschrieben, dass ich deinen Ansatz an das Werk heranzugehen spannend finde.

vor 3 Stunden schrieb Aelfwine:

Dennoch sei dir, Alsa, deine Herangehesweise unbenommen. Ich finde den Ansatz sogar sehr spannend

Und um es an dieser Stelle zu präzisieren: ich bin froh, dass du diesen synchronen Ansatz hast, denn so gehen wir in unterschiedlicher Art und Weise an den Arthur heran und das kann nur zum gegenseitigen Nutzen sein! Umso mehr freue ich mich auf deine zukünftigen Beiträge.

Ein Gutes hatte mein missglückter Satz aber: du hast ganz klar Position bezogen und deine Herangehensweise erläutert. Du hattest das gestern um 13:30 Uhr schon mal angedeutet, aber daraus konnte ich nicht ersehen, in welche Richtung das geht und das du, wie du jetzt sagst, vom Strukturalismus geprägt bist. Dadurch wird eine Einordnung leichter.

Wie gesagt, bitte verzeih meinen unbedachten Satz (ich werde ihn, bzw. meine Herangehensweise morgen oder übermorgen darlegen) und ich freue mich auf weitere Beiträge von dir!

Bearbeitet von Aelfwine
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vor 34 Minuten schrieb Aelfwine:

 

 

Alles gut, liebe Aelfwine. :kussi: Ich freu mich, dass Du hier schreibst.

Es ist leider wahr, ich bin zu oft zu mundfaul. Und dann versteht keiner, um was es mir geht. 

Strukturalist - mit Betonung auf "ist" - bin ich allerdings nicht. Aber ich merke immer wieder, wie viel ich vom Strukturalismus zu meinem Eigenen  gemacht habe, wenn es mich - wie hier - lockt, ein Werk wie dieses erst mal auf seine innere Struktur abzuklopfen. 

Für mich ist sowas wie eine musikalische Komposition. Selbst wenn ein Motiv bei Beethoven von Mozart geklaut ist: bei Beethoven hat es eine neue Funktion bekommen. 

Aber um überhaupt zu erkennen, dass eine neue Generation ein altes Motiv in ein neues verwandelt hat, braucht es dann eben doch die diachrone, also historische Methode.

Und Christopher fragt sich in unserem Buch ja oft genug, warum Tolkien dies oder jenes Neue dazu erfunden hat und andererseits so viel von der Tradition weggelassen hat. 

 

Mal ganz kurz was anderes:

Wenn ich mich vertippe und "Beethofen" schreibe, dann kreidet mir das Forum das mit roter Wellenlinie an.  Verbessere ich das durch "Beethoven", ist Ruhe im Karton.

Schreibe ich aber völlig korrekt "Tolkien", wird mir das auch mit roter Wellenlinie angekreidet. Wie wünscht die Forensoftware, dass ich "Tolkien" schreibe? Tolkin? Nee. Tollkien? Nee. 

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Der Einstieg in das Werk geschieht in der Tat sehr plötzlich, man ist als Leser mittendrin in der Geschichte. Allerdings schafft es Tolkien, den Einstieg so zu gestalten, dass der Leser genügend Informationen erhält und dem Lauf der Handlung sofort folgen kann und ihn sofort hineinzieht. Die Frage die sich, wie in diesem Thread bereits geschehen, stellt, ist natürlich: Warum hat Tolkien das so gemacht?

Mein erster Gedanke war, dass er den Eindruck erwecken wollte, dass hier ein Fragment eines größeren Ganzen vorliegt. In diesem Zusammenhang dürfen wir nicht vergessen, aus welcher "beruflichen Ecke" Tolkien stammt. Er war bestens mit den germanischen Sprachen und ihren literarischen Stoffen vertraut. Da passt das "Fragmentarische" oder besser das "aus dem Zusammenhang gelöste" bestens hinein, da viele Heldenepen und Romanzen nur in Teilen oder Bruchstücken erhalten sind: das Hildebrandslied, The Battle of Maldon, das Finnsburg-Fragment, der Perceval des Chrétien de Troyes usw. Ganz abgesehen davon, dass die meisten Epen und Romanzen in mehreren Handschriften, bzw. Fragmenten überliefert sind. In der Beziehung wäre Tolkien, sollte mein Verdacht zutreffen, ganz bei seinem Fachgebiet. Inwieweit hier auch schon der Gedanke an eine Mythologie für England, wie sie Tolkien in einem Brief ansprach (wenn auch in Bezug auf seine Mittelerde-Schöpfungen), kann ich beim besten Willen nicht sagen. Auch wenn ich eher geneigt bin, das Entstehen von The Fall of Arthur seinem beruflichen Interesse und der Neigung zum Stabreim zuzuschreiben. Aber: das ist ein reines Bauchgefühl.

Die, hier wohl auch nicht zu klärende Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist doch: Für wen schrieb Tolkien das? Und das wirft eine Reihe weiterer Fragen auf: Für sich selbst. als Übung in der Stabreimdichtung? Für ein breites Publikum? Oder ein Fachpublikum, wie 1953 mit The Homecoming of Beorhtnoth Beorhthelm's Son geschehen? Für sich selbst und das Fachpublikum sind weitschweifige Erläuterungen oder eine Einführung natürlich unerheblich. Falls er es zur Veröffentlichung, also für ein breites Publikum vorgesehen haben sollte, dann stellen sich die Fragen, ob er noch eine Einführung schreiben wollte, oder ob er die nötigen Informationen im weiteren Verlauf bringen wollte. Oder aber, ob er davon ausging, dass sein Publikum mit der Materie hinreichend vertraut wäre um die Zusammenhänge zu verstehen.  Wie dem auch sei, die Lösung wird vermutlich im Dunkeln bleiben.

 

Das muss zunächst genügen. Sobald ich die Zeit dazu finde, werde ich mich über die Hintergründe des Feldzugs auslassen.

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vor 14 Stunden schrieb Alsa:

Mal ganz kurz was anderes:

Wenn ich mich vertippe und "Beethofen" schreibe, dann kreidet mir das Forum das mit roter Wellenlinie an.  Verbessere ich das durch "Beethoven", ist Ruhe im Karton.

Schreibe ich aber völlig korrekt "Tolkien", wird mir das auch mit roter Wellenlinie angekreidet. Wie wünscht die Forensoftware, dass ich "Tolkien" schreibe? Tolkin? Nee. Tollkien? Nee. 

Das nächste Mal solche Fragen bitte im Support-Bereich stellen, auch wenn's nur Kleinigkeiten sind, z.B. im Sammelthread. Kurze Antwort: die Forumsoftware hat keine Rechtschreibeprüfung. Wahrscheinlich liegt's an deinem Webbrowser. Wenn's noch Fragen gibt, wie gesagt im Supportbereich weiterdiskutieren, damit wir hier nicht vom Thema abkommen.

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So, und weiter geht's...

Fangen wir mit dem erstgenannten Grund an, warum Arthur nach Osten zieht: er zieht mit Macht übers Meer - in die Marken der Sachsen, / das römische Reich - vor Zerrüttung zu schützen (I, 3f.). Hier haben wir einen interessanten Aspekt, in dem Tolkien auch schon gleich von seinen literarischen Vorlagen abweicht. So weit mir bekannt, wird in keinem zum Sagenkreis um Arthur gehörigem Werk ein Feldzug zur Rettung/Bewahrung des römischen Reichs erwähnt. Was allerdings schon bereits bei Geoffrey von Monmouth vorkommt, ist ein Feldzug vor Arthurs Untergang; und zwar gegen Rom. Hintergrund waren Tributforderungen seitens des römischen Reichs an das arthurianische Britannien. Arthur setzte in der Folge mit einem Heer nach Frankreich über und kämpfte dort gegen die Römer ehe ihn die Kunde von Mordreds Verrat erreichte. Hier haben wir eine zweite Abweichung: Arthur zieht nach Frankreich und nicht in das nördliche Germanien. Anderen Überlieferungen zufolge (u.a. bei Malory), ging Arthurs letzter Feldzug ebenfalls nach Frankreich, genauer nach Benwick, um gegen Lanzelot zu kämpfen. Aber das nur am Rande.

Als ich darüber nachdachte, kam mir kurz der Gedanke, ob Tolkien an dieser Stelle vielleicht das "römische Reich" synonym für das  Britannien der Romano-Briten unter Arthur nutzt. Sozusagen die Romano-Briten als legitime Nachfolger der römischen Besatzer (analog zum Heiligen Römischen Reich deutscher Nation). Der Sinnzusammenhang mit den Beutezügen der Sachsen könnte eine solche Deutung unterstützen. Wie gesagt, nur ein Gedanke. Schauen wir mal, was die weitere Lektüre bringt...

Mit den Beutezügen der Sachsen sind wir bei dem zweiten Grund für Arthurs Feldzug.

Am 29.1.2018 um 06:39 schrieb Torshavn:

Für mich ist irgendwie neu, das Arthur, Britannien verläßt und Krieg auf dem Kontinent führt, um die Sachsen gar nicht erst auf die Insel kommen zu lassen.

Auch für mich! In diesem Fall kenne ich keine Vorlage, die das thematisiert. Das Einzige, dass. in diese Richtung geht (in dem Sinne, dass Germanien eine Rolle spielt), ist der alliterierende Morte Arthure. Darin wird gesagt, dass Teile Deutschlands zu Arthurs Herrschaftsbereich zählen: "To Aachen in Germany, still in Arthur's Domain" (Z. 496 nach der Übersetzung von Brian Stone; da musste ich erst mal suchen, immerhin ist es über 20 Jahre her, dass ich es im Rahmen meines Studiums gelesen habe... ;-)). Später wird geschildert, wie die Römer in über den Gotthardpass in die Ländereien Arthurs einfallen: am Rhein entlang, erobert Westfalen, folgt der Donau, wo er neue Ritter ernennt und belagert dann Burgen und Festungen um Köln herum (Z. 618-623). Die Auseinandersetzung mit Arthur erfolgt dann aber ebenfalls auf französischen Boden. Soweit der Bezug zu Germanien/Deutschland; mit den Sachsenüberfällen hat das aber auch gar nichts zu tun.

Wenn Arthur die Sachsen auf eigenen Grund und Boden bekämpft, muss dass im heutigen Niedersachsen und Schleswig-Holstein stattgefunden haben. Historisch gesehen hätte der Zug ihn erst nach Osten und dann früher oder später nach Norden, bzw. Nordosten bringen müssen. Es waren ja nicht nur die Sachsen, die in Britannien auf Beutezug gingen, sondern auch Friesen, Angeln und Jüten. Möglicherweise hat es Tolkien aber dazu nicht kommen lassen, da in I, 157ff. gesagt wird, dass sich Drachenboote an Britanniens Küste zeigen und es zu Überfällen und Belagerungen kommt. Die Drachenboote könnten für die Angeln und vor allem die Jüten sprechen.

Mir fällt nur ein Grund ein, warum Tolkien diese Neuerung einführt haben könnte: der Zug der Briten gegen die Römer (die zu diesem Zeitpunkt unter der relativ ruhigen Herrschaft des Goten Theoderich d. Gr. standen) ist ganz und gar unhistorisch. Das ist der Feldzug gegen die Sachsen zwar auch, aber dieser verleiht, wenn man so sagen will, dem ganzen einen Anstrich von möglicher Historizität. Der Feldzug erscheint zumindest plausibler als ein Angriff auf das niedergegangene Weströmische Reich, das zu diesem Zeitpunkt für Britannien keine wirkliche Rolle gespielt haben dürfte.

So, dass muss vorerst wieder genügen, aber eine Sache finde ich ganz spannend, nämlich Tolkiens Einbeziehung des Mirkwood. Aber das ist auch ein Punkt, über den ich noch etwas brüten muss.

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vor 10 Stunden schrieb mathias:

 Kurze Antwort: die Forumsoftware hat keine Rechtschreibeprüfung. Wahrscheinlich liegt's an deinem Webbrowser. 

Vielen Dank, das hilft schon. 

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Wie Mittwoch bereits angedroht, will ich, nachdem ich es in in den vergangenen Tagen in meinem Hirn hin- und hergewälzt habe, als nächstes das Thema "Myrkwiðr" anschneiden. Gleich vorweg: eine endgültige Lösung habe ich natürlich nicht. Das hier sind zusammengeführte "Denkschnipsel" und bilden einen aktuellen Zwischenstand meiner Überlegungen.

Mich interessiert, warum Tolkien diesen sagenhaften Wald aus der germanischen/nordischen Heldensage (in der Mythologie kommt er nur 1x in den Götterliedern der sog. Älteren Edda vor (Lokis Spottrede/Lokasenna 42)) in seine Bearbeitung der Artussage einbringt (I, 68), mit der der Wald eigentlich nichts zu tun hat. Damit ist die Verwendung des Myrkwiðr eine weitere Neuerung Tolkiens, bzw. eine weitere Abweichung von seinen Vorlagen.

Prinzipiell nimmt es nicht Wunder, wenn man bedenkt, in welchem Zeitraum The Fall of Arthur vermutlich entstanden ist: nicht lange nach The Legend of Sigurd & Gudrún und The Hobbit, in denen der Mirkwood vorkommt, bzw. eine größere Rolle spielt.

Bei Sigurd & Gudrún liegt der Fall ganz klar, da der Myrkwiðr im zum Sagenkomplex gehörigen Atlilied/Atlakviða in grœnlenzka (3, 5, 13) vorkommt. Da Tolkien den Düsterwald für den Hobbit adaptiert hat, ist auch dieser Fall klar.

Warum also der Myrkwiðr im Fall of Arthur? Möglicherweise ist es einfach eine Reminiszenz daran, dass die Sachsen zu dieser Zeit (die Artussage wird üblicherweise im Übergang 5./6. Jh. angesiedelt) noch Heiden waren und der Myrkwiðr zu ihren kulturellen Erbe gehört. Die Christianisierung erfolgte erst nach den Sachsenkriegen Karls des Großen. Und Tolkien schreibt auch explizit von den heathen kings (I, 41). Die Verknüpfung Arthur/germanische Heldensage könnte also auch ein literarischer Kniff sein um Authentizität zu erwecken/fördern.

Dazu kommt noch eine zweite Sache, die einen intertextuellen Bezug herstellt. Und diese fällt - natürlich - in Tolkiens Fachgebiet. Aber dazu muss ich ein wenig ausholen, versuche aber, meine Ausführungen allgemein zu halten und nicht zu sehr in die Tiefe vorzustoßen. Der Myrkwiðr, der Dunkelwald/Düsterwald, wird häufig als sagenhafter Ort verstanden; wird aber auch oft mit appellativer Bedeutung benutzt. Allerdings gibt es auch zahlreiche Belege, in denen der Begriff einen konkreten Ort meint. Diese unterscheiden sich aber voneinander Dennoch ist auffällig, dass diese Orte/Lokalitäten meist in einem bestimmten Bereich liegen, sieht man einmal von dem Urwald zwischen Jütland und Holstein ab. Der Name Myrkwiðr bezieht sich u.a. auf die deutschen Mittelgebirge, was hier aber möglicherweise zu kurz greift und uns nicht wesentlich weiterbringt. In diesem Sinne bildet er eine Begrenzung nach Süden.

Auffällig ist eine Bennenung des Erzgebirges bei Thietmar von Merseburg (um das Jahr 1000), der dafür den Namen Miriquidi [!] anführt. An das Erzgebirge schließen sich die Beskiden an, auch diese werden mit dem Myrkwiðr in Verbindung gebracht. Ebenso das Gebiet zwischen den Karparten und dem Dnjepr. Mit all dem zusammenhängend wird der Myrkwiðr oft als Grenze zwischen den Goten und den Hunnen aufgefasst.

Und damit kommen wir zu einer weiteren und letzten Deutung des Myrkwiðr. Dieser wird auch mit dem Wistlawudu des altenglischen Gedichts "Widsith" gleichgesetzt, womit wir endlich wieder bei Tolkien angekommen sind, der damit bestens vertraut gewesen sein muss. Über dieses Gedicht hat auch Tolkiens Freund R.W. Chambers veröffentlicht (Widsith. A Study in Old English Heroic Legend. Cambridge 1912), aber das nur am Rande.

Wistlawudu meint nichts anderes als den Weichselwald und wird gemeinhin mit dem nördlichen Lauf der Weichsel gleichgesetzt. Noch heute liegen zwischen dem Unterlauf der Weichsel und der Oder (und besonders an dieser, vom Erzgebirge bis Swinemünde) ausgedehnte Waldgebiete, die sich westlich der Oder fortsetzen (Spreewald, Havelland etc.). Vermutlich können wir hier einen Urwald fassen, der auch schon in arthurianischer Zeit bestanden haben muss. Und damit schliesst sich der Kreis. Wirft man einen Blick auf die Karte oder ruft sich diese vor Augen, wird klar, dass wenn Arthur und sein Heer an der Mündung des Rheins (I, 43) an Land gingen, in die Länder der Sachsen einfielen und sie immer weiter und rastlos gen Osten ritten (I, 62), müssen sie zwangsläufig an diesen Rand des Myrkwid gekommen sein.

Der Myrkwiðr kann also so aufgefasst werden, dass er  die nördliche Hälfte Deutschlands im Süden und Osten begrenzt. Geographis eingegrenzt wäre es damit und wir hätten mit dem Widsith einen konkreten Hinweis auf eine genauere Lokalisation.

Was aber ist mit dem zum Rand des Mirkwids gehörigem under mountain-shadows aus Zeile I, 68 (bzw. I, 67 in der dt. Übertragung)? Schlüssig ist die Formulierung dahingehend, dass der Myrkwiðr oft auch als Waldgebirge verstanden wird. Das Problem dabei ist, dass direkt im Osten keine nennenswerte Waldgebirge zu finden sind. Ich zitiere hier mal die gesamte Passage I, 67-75:

Unter Waldgebirgsschatten / rückten sie vor - an den Rand des Myrkwid: / Heide lag hinter ihnen, - Höhen vor ihnen, / weit, unüberwunden - lag der Wald im Nebel / auf den hauslosen Hügeln, - die höher stets wurden. / Die tiefen Täler - waren trostlos und dunkel, / und wuchtig überwölbten - gewaltige Bäume / mit drückend dräuendem - Drängen die Flüsse, / die aus ewigem Eis - ins Unterland strömten.

Trifft die "Widsith-Deutung" zu und die Ortsbeschreibung ist als schriftstellerische Freiheit zu werten um die Dramatik zu steigern (besonders im Hinblick auf die sich auf den nächsten Seiten daran anschliessende eindrucksvolle Natur-/Sturmbeschreibung)?

Sind Arthur und seine Mannen eher nach Südosten geritten und am Erzgebirge angelangt? Da würde die Landschaftsbeschreibung schon besser passen.

Oder haben sie den Rand des Myrkwiðr an einem Punkt erreicht, an dem sich im Süden der Harz anschliesst?

Was hat es mit dem ewigem Eis aus Zeile /, 75 ( engl. fells of ice) auf sich. Im Prinzip ist das einfach zu erklären, "Fell" meint natürlich 'Berg' (vgl. schwed. fjäll 'Berg'); das wird auch aus dem Satzzusammenhang klar. Die Mittelgebirge - und da gehört das Erzgebirge mit seinen rund 1200 Metern dazu - sind dazu zu niedrig. Für die Gletscherbildung bräuchten wir in unseren Breiten eine Berghöhe von ca. 3000 Metern... Das schaffen auch die Karparten mit rund 2600 Metern nicht.

 

So, mit einer Frage angefangen und mit etlichen aufgehört... und keine wirkliche Antwort in Sicht. :facepalm:

 

Natürlich gilt auch hier, dass man alles zu weit treiben kann, aber spannend finde ich es schon (sonst hätte ich mir nicht die Mühe gemacht, diesen Text hier zu posten - der länger wurde als geplant :blush:). Um das Ganze nicht so offen enden zu lassen, will ich einen kleinen, vorsichtigen Schluß/Abschluß wagen.

Die Antwort oder Lösung liegt vermutlich - wie so oft - irgendwo dazwischen. Ich denke in den Abschnitten 4 und 5 von diesem Post steckt einiges an Wahrscheinlichem, was die Verknüpfung der Artussage mit dem Myrkwiðr der germanischen Heldensage (einschließlich des Versuchs Authentizität zu erwecken) und auch der Herstellung von Intertextualität zur Literatur von Tolkiens Fachgebiet angeht. Ich könnte mir diesbezülich auch vorstellen, dass der Gedanke, den Widsith als Referenz für die Grenze des Waldes heranzuziehen vielleicht nicht ganz verkehrt ist. Alles andere, die Landschaftsbeschreibung ist schmückendes Beiwerk. Vielleicht greift hier der Myrkwiðr einfach auch nur wieder als Sinnbild. Alles in allem also eher eine Mischung aus dem oben dargelegten.

Wie seht ihr das? Hat noch jemand dazu Ideen, Anregungen, Hinweise?

 

 

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Am 30.1.2018 um 18:12 schrieb Aelfwine:

Den Intellekt und den Ideenreichtum des Professors in Ehren, aber ich bin mir nicht sicher, ob du ihm da nicht etwas zuviel zumutest. [...]  dass es mir - ebenso wie Torshavn - schwerfällt, vorhandenes Hintergrundwissen einfach auszublenden.

@Aelfwine

Man muss es ja auch nicht ausblenden, sondern einfach nicht anwenden.

Tolkien hat das doch andauernd gemacht. Laut Christopher hat sein Vater die Arthur-Geschichte verändert. So wie Goethe das Puppenspiel über Dr. Faust in seinem "Faust" verändert hat. Und so wie Tolkien und Wagner die Edda-Sagen verändert und in die Moderne transportiert haben.

Und die alte Undine-Sage wurde von dem romantischen Schriftsteller Fouqué verändert, und heute finden wir auch jede Menge alter Überlieferungen, die in neuen literarischen Werken ganz anders präsentiert wurden. Brecht hat das gemacht, Heiner Müller hat das gemacht usw.

Tolkien selber hat in seinem Beowulf-Aufsatz in seinem "Turm-Beispiel" veranschaulicht, warum er die alte Beowulf-Forschung ablehnt;

die alten Beowulf-Forscher hätten nämlich das Kunstwerk "zerschlagen" und nur die einzelnen Trümmer untersucht, wo die eigentlich herkommen. Also letztlich den "Beowulf" in historische Fakten zerlegt und diese Fakten einzeln untersucht.

Aber, so Tolkien: der "Beowulf" sei eine Ganzheit. Man könne ein Detail nicht dadurch erklären, dass man seine Herkunft aus einem anderen Werk bestimme. Denn in dem "Beowulf" hätte das Detail ja eine andere Funktion bekommen. 

Wenn gewünscht, zitiere ich das aus dem Beowulf-Aufsatz, im Moment habe ich das aus der Erinnerung referiert. 

Jedenfalls habe ich damals schon gedacht, dass Tolkien da ganz wie der Strukturalismus ganzheitlich argumentiert. Ferdinand de Saussure - der Auslöser für den Strukturalismus - hat in seinem "Cours de linguistique générale" das Beispiel mit dem Schachspiel gebracht. Man könne für den Läufer z.B. auch einen roten Stein nehmen, denn der Läufer habe sein Wesen nicht aus dem Material und seinem Aussehen, sondern aus seiner Funktion innerhalb des Spiels mitsamt den Schachspielregeln. 

Der Beowulf-Aufsatz entstammt einer Vorlesung Tolkiens, die er 1936 gehalten hat. Das ist zeitlich also nicht weit weg von dem "Arthur". 

 

Zitat

Da es in dem Gedicht um den Untergang Arthurs geht

Es geht um den "fall" Arthurs, denn das Dingen ist ja auf Englisch geschrieben.  ;-) Und ob damit der äußere oder innere Fall gemeint ist, kann man vielleicht am Ende unseres Durchgangs besser wissen, aber ich zumindest lasse das noch offen. Ein Engländer würde möglicherweise beides gleichzeitig aus dem Wort heraushören. 

- 2 -

Bearbeitet von Alsa
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Am 31.1.2018 um 12:38 schrieb Aelfwine:

Der Einstieg in das Werk geschieht in der Tat sehr plötzlich, man ist als Leser mittendrin in der Geschichte. [...] Die Frage die sich, wie in diesem Thread bereits geschehen, stellt, ist natürlich: Warum hat Tolkien das so gemacht?

Mein erster Gedanke war, dass er den Eindruck erwecken wollte, dass hier ein Fragment eines größeren Ganzen vorliegt. In diesem Zusammenhang dürfen wir nicht vergessen, aus welcher "beruflichen Ecke" Tolkien stammt. Er war bestens mit den germanischen Sprachen und ihren literarischen Stoffen vertraut. Da passt das "Fragmentarische" oder besser das "aus dem Zusammenhang gelöste" bestens hinein, da viele Heldenepen und Romanzen nur in Teilen oder Bruchstücken erhalten sind:

 

 

Über das "Fragment" bei Tolkien habe ich auch schon viel rumgegrübelt. Er hat ja auch öfter ausgedrückt, dass überhaupt alles nur fragmentarisch sei: auch ganz abgerundete Werke. Sie seien nur scheinbar abgerundet. In Wahrheit sei alles "eine unendliche Geschichte".

Und es ist ja auch nicht von Ungefähr, dass Tolkien ganz unfreiwillig jede Menge Fragmente hinterlassen hat. Der "Arthur" ist ja auch unfreiwillig ein Fragment geblieben.

Ich selber erkläre mir das immer so, dass Tolkien gar nicht selber realisiert hat, dass er alles in der Welt als "Fragment" auffasst. - Hätte er es geschnallt, hätte er es vielleicht bewusster so gestalten können? Oder er hat es bewusst dann doch gestaltet, vielleicht. Der HdR zerfällt im Prinzip auch in lauter Fragmente. 

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat man in Deutschland ja auch Geschichten geschrieben, die in etwa so anfingen: "Er döste."

Dem liegt wahrscheinlich eine Sinnkrise zugrunde, wie nach großen Kriegen wohl nicht selten. 

 

Zitat

Inwieweit hier auch schon der Gedanke an eine Mythologie für England, wie sie Tolkien in einem Brief ansprach (wenn auch in Bezug auf seine Mittelerde-Schöpfungen), kann ich beim besten Willen nicht sagen.

In diesem Brief steht aber, dass Tolkien diese Hybris längst aufgegeben habe. Ich habe jetzt allerdings nicht im Kopf, wann er sie aufgegeben hat und ob er jemals einen Versuch dazu gemacht hat. 

 

Zitat

Die, hier wohl auch nicht zu klärende Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist doch: Für wen schrieb Tolkien das?

Die Frage stellt sich auch bei den Silmarillion-Sagen. An denen hat er gebastelt, gebastelt, gebastelt - vermutlich ohne zu wissen, wozu. 

Der "Arthur" wurde gleichzeitig mit diesen Sagen geschrieben. Christopher stellt sogar eine ideelle Verbindung zwischen beiden Werken her; er zeigt auf, dass Tolkien selber da möglicherweise eine enge Verbindung gesehen hat. 

Bei Tolkien kommt es mir so vor, dass er mit allem, was er schreibt - sei es Essay, Silmarillion-Welt, Edda-Welt - immer das gleiche Anliegen formuliert. 

Tolkien hat dermaßen wie ein Getriebener dies alles geschrieben, dass er vielleicht zwar nicht wusste, wofür und für wen - aber ein unbewusstes Ziel muss er gehabt haben. 

Dieses Ziel können spätere Generationen mitunter besser herausfiltern als der Autor selber - weil diese späteren Generationen das Gesamtwerk vor ihnen liegen haben und verstehen können, worum sich immer alles dreht. 

 

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