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Tolkiens unbekannte Gedichte


Berenfox

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Seit vielen Jahren bin ich nicht nur ein begeisterter Leser von Tolkiens Romanen, sondern auch wahnsinnig vernarrt in seine Gedichte. Unzählige davon finden sich im "Hobbit" und im "Herrn der Ringe". Was jedoch die wenigsten wissen: Dies ist nur die Spitze des Eisberges. Tolkien war ein geradezu unbändig produktiver Gedichteschreiber. Nur ein Bruchteil seiner Gedichte haben mit Mittelerde zu tun, und die meisten seiner Gedichte sind allgemein völlig unbekannt. Obwohl in den letzten Jahren mit der "Legende von Sigurd und Gudrún" oder dem "Fall Arthurs" zwei größere Verswerke der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, warten darüber hinaus viele seiner Werke noch immer auf eine Erstveröffentlichung (so zum Beispiel ein Gedicht über "Monoceros the Unicorn" oder - für mich persönlich mit unbändiger Neugier verbunden - über "Reginhardus the Fox").

Da die meisten von Tolkiens Gedichten nur einmalig vor Jahrzehnten meist in unbekannten Zeitschriften veröffentlicht worden sind habe ich es mir persönlich zur Aufgabe gemacht, diese poetischen Juwelen dem Vergessen zu entreißen. Aus diesem Grund starte ich ein kleines Experiment und eröffne diesen Thread, in den ich von Zeit zu Zeit ein Gedicht inklusive einer kleinen Beschreibung stellen werde. Vielleicht ergeben sich interessante Diskussionen daraus, vielleicht liest der ein oder andere aber auch einfach nur mit und erfreut sich daran.

 

 

LINKS ZU DEN EINZELNEN GEDICHTEN IN DIESEM THREAD:

 

The Dragon's Visit

Lit' and Lang'

As Two Fair Trees

Bilbo's Last Song

Imram

Feanor's Oath

The Lay of Aotrou and Itroun:     Teil 1     Teil 2     Teil 3     Teil 4     Teil 5     Teil 6

Glip

Progress in Bimble-Town

King Sheave

The Hoard

The Lay of Leithian:     Canto 1     Canto 2.1     Canto 2.2     Canto 3.1     Canto 3.2     Canto 4.1     Canto 4.2     Canto 4.3     Canto IV.1     Canto IV.2     Canto IV.3     Fingolfin and Morgoth     Felagund's Death     Lúthien's Captivity in Doriath    

The Lay of Beowulf

The Song of Ælfwine on Seeing the Uprising of Eärendil

The Sea-Bell

The Little House of Lost Play

The Voyage of Éarendel the Evening Star

Once Upon A Time

Iumbo, or ye Kinde of ye Oliphaunt

The wind so whirled a weathercock

Úþwita sceal ealdgesægenum

The Song of Eriol

The Cat and the Fiddle: A Nursery-Rhyme Undone and its Scandalous Secret Unlocked

The Horns of Ylmir

The Bidding of the Minstrel

"Asterisk-Poems"

Noel

 

 

Den Anfang macht ein Gedicht mit dem Titel "The Dragon's Visit". Geschrieben wurde es vermutlich 1928, wurde danach mehrfach überarbeitet und zuletzt 1988 im "Annotated Hobbit / Das Große Hobbit-Buch" von Douglas A. Anderson veröffentlicht (falls jemand die deutsche Ausgabe des Buches besitzt: wurde das Gedicht dort übersetzt?). Es handelt von einem Drachen, der es sich in einem Kirschbaum gemütlich gemacht hat und ein Nickerchen hält. Die Nachbarschaft ist davon allerdings nicht sonderlich begeistert: Sie versucht ihn mit Wasserschlauch, Bauch-Piekserei und Feuerwehr zu vertreiben. Sehr zum Missfallen des Drachen, der sich als unschuldiges Opfer sieht, notgedrungen das Dorf dem Erdboden gleichmacht und die beteiligten Personen entweder auffrisst oder anderweitig dem Tode zuführt. Während er schließlich über die schlechte Welt von heute lamentiert, die nicht mehr die Schönheit eines Drachen zu würdigen weiß, trifft ihn allerdings ein überraschendes Ende... aber lest selbst!

 

[Eine deutsche Übersetzung findet ihr - vielen Dank, rauko! - hier. Sie bezieht sich leider auf eine ältere Version des Gedichts, in deren Verlauf Miss Biggins stirbt, stört euch einfach nicht dran.]

 

 

 

THE DRAGON’S VISIT

 

On the cherry-trees the dragon lay

a-simmering and a-dreaming.

The blossom was white in the early day,

but green his scales were gleaming.

Over the seas he had flown by night,

for his land was dragon-haunted,

stuffed with gold and jewels bright,

but food and sport he wanted.

 

‘Excuse me, Mr. Higgins, please!

Have you seen what’s in your garden?

There’s a dragon on your cherry-trees!’

‘A what? I beg your pardon!’

Mr. Higgins fetched the garden-hose,

and the dragon woke from dreaming.

He blinked and snorted in his nose

when he felt the water streaming.

 

‘How cool!’ he said. ‘So good for scales!

I did not expect a fountain!

I’ll sit and sing here, till daylight fails

and the full moon’s mounting.’

But Higgins runs, on the doors he knocks

of Miss Biggins and old Tupper.

‘Come help me quick! Come Mr. Box,

or he’ll eat us all for supper!’

 

Miss Biggins sent for the Fire Brigade

with a long red ladder,

and a brave show their helmets made;

but the dragon’s heart grew sadder:

‘It reminds me of the wicked ways

of warriors unfeeling,

hunting us in the bad old days

and our bright gold stealing.’

 

The Captain with his hatchet came:

‘Now what d’you think you’re doing?’

The dragon laughed: ‘Cap’n What’s-your-name,

I’m sitting here and stewing.

I like to stew. So let me be!

Or your church-steeple

I’ll batter down, blast every tree,

and you, and eat these people!’

 

‘Turn on the hydrant!’ said Captain George

and down the ladder tumbled.

The dragon’s eyes like coals in a forge

glowed, and his belly rumbled.

He began to steam; he threshed his tail,

and away the blossom fluttered.

But the Brigade were not the men to quail,

although he growled and muttered.

 

With poles they jabbed him from below,

where he was rather tender:

‘Havoc!’ the dragon cried, ‘haro!’

and rose in splendour.

He smashed the town to a rubbish-heap,

and over the Bay of Bimble

sailors could see the red flames leap

from Bumpus Head to Trimble.

 

The Higgins was tough, and as for Box:

just like his name he tasted;

the dragon threw Tupper on the rocks,

and said: ‘This munching’s wasted.’

So he buried hatchet and Captain George,

and he sang a dirge for Higgins

on a cliff above the long white shores –

and he did not Miss Biggins.

 

Sadly he sang till the moon went down,

with the surf below sighing

on the grey rocks, and in Bimbletown

the red blaze dying.

He saw the peaks far over the sea

round his own land ranging;

and he mused on Men, and how strange they be,

and the old order changing.

 

‘None of them now have the wit to admire

a dragon’s song or colour,

nor the nerve with steel to meet his fire –

the world is getting duller!’

He spread his wide wings to depart;

but just as he was rising

Miss Biggins stabbed him to the heart,

and that he found surprising.

 

‘I regret this very much,’ she said.

‘You’re a very splendid creature,

and your voice is quite remarkable

for one who has had no teacher;

but wanton damage I will not have,

I really had to end it.’

The dragon sighed before he died:

‘At least she called me splendid.’

 

 

 

Bearbeitet von Berenfox
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(falls jemand die deutsche Ausgabe des Buches besitzt: wurde das Gedicht dort übersetzt?).

Ja, es wurde dort übersetzt (jedoch 'nur' in einer Prosafassung). Auf Seite 323 zu finden.

Soll ich es bei Gelegenheit auch hier reinstellen?

Bearbeitet von raukothaur
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Wär toll, wenn du die Übersetzung reinstellen würdest. Die Version in dem Buch unterscheidet sich allerdings von meiner, denn dort wurde eine frühere Version abgedruckt, und nur die letzten zwei Strophen wurden von der letzten Version am Ende noch zusätzlich angefügt, da sie den Ausgang des Gedichts verändern. Schau also, dass du es mit dem richtigen Ende abtippst.

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Eine schöne Idee dieser Thread, Berenfox. Vielen Dank dafür. :-)

Es ist eigentlich unglaublich, das es bisher keine Gesamtausgabe seiner Gedichte gibt. Woran liegt es? Sind sie nur verstreut erschienen und die Originalmanuskripte gingen verloren? Wie 'stolperst' Du denn über sie, Berenfox?

 

Das Gedicht gefällt mir sehr. Mit feinem Humor erzählt. Witzig, das der Feuerwehrmann, der den Drachen aus dem Baum holen soll, George heißt. Eine Anspielung auf den großen Drachentöter :kratz: .

Das Ende habe ich, glaube ich, nicht unbedingt verstanden. Er hat sich also in Miss Biggins verguckt, die ihn zwar bewundert und seine Gestalt preist, sich aber über die Zerstörungen beklagt, die er angerichtet hat, und daruafhin mit ihm Schluss macht. Das verkraftet der Drache wohl nicht, und stirbt. Oder liege ich da komplett falsch.

 

Ich freue mich schon auf die anderen Gedichte. Mir gefällt die Idee, das Du Einleitungen zu den Texten schreibst. Das hilft mir sehr sie einzuordnen, und gibt mir schon mal eine Vorstellung worum es geht.

Vielen Dank für die Poesie :-)

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Nein, sie ist die einzige, die er nicht getötet hat und als er denkt er hat seine Ruhe ersticht sie ihn. Dann sagt sie ihm, dass er zwar wundervoll aussieht und schön singt, dass sie aber trotzdem keine blinde Zerstörung akzeptieren kann und er stirbt und denkt "Zumindest hat sie gesagt ich bin wundervoll".

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@Torshavn: Vielen Dank, ich war mir sicher, dass zumindest eine handvoll Leute hier mitlesen würden. Denn es ist wirklich eine Schande, dass viele von Tolkiens Gedichten völlig in der Versenkung verschwunden sind. Warum es bis heute keine Gesamtausgabe gibt ist mir ein Rätsel, denn DAS wäre wirklich einmal ein lohnendes Projekt! Natürlich existieren die Originalmanuskripte noch (inklusive der Gedichte, die nie veröffentlicht worden sind). Selbst von den legendären "Songs for the Philologists" - einer von Tolkien und einigen seiner Kollegen in Leeds verfassten Sammlung nordischer Trinklieder - existiert noch das Original, obwohl bei einem Brand sämtliche gedruckten Exemplare vernichtet worden sind.

 

Ich selbst habe mich vor vielen Jahren einmal daran gemacht, alle Gedichte Tolkiens zu sammeln, die mir in die Finger kamen, erst aus dem "HdR" und dem "Hobbit", dann aus der "HoMe" und so fort; irgendwann war ich einfach an dem Punkt angelangt, an dem ich mir das Ziel gesetzt habe, ALLE seine Gedichte auszugraben. Dank Hammond / Sculls "Reader's Companion" weiß ich, welche Gedichte es gibt und wann und wo sie veröffentlicht worden sind (und auch welche Gedichte zwar existieren, jedoch nie veröffentlicht wurden). Bis auf zwei ("Doworst" und "The Clerke's Compleinte") habe ich auch schließlich mit viel Mühe und unglaublich viel Glück sämtliche Gedichte zusammenkratzen können.

 

Im Falle von "The Dragon's Visit" War es ziemlich schwierig, an die hier präsentierte Fassung zu kommen. Alle früheren Fassungen enden nicht damit, dass der Drache stirbt, sondern damit, dass er wieder heim ins Land der Drachen fliegt. Damit geht natürlich eine wichtige und ziemlich witzige Pointe verloren (ich liebe Miss Biggins typisch britische Trockenheit, als sie den armen Drachen ersticht). Leider ist eben diese Version nirgendwo aufzutreiben, nur in einem unschönen Scan, der durch und durch mit Fehlern behaftet ist. Die meisten Fehler konnte ich durch Vergleiche mit anderen Versionen beheben, aber ausgerechnet die letzte Zeile der viertletzten Strophe ("and he did not Miss Biggins"), wo der Drache Miss Biggins aus irgendeinem Grunde nicht tötet, macht keinen Sinn. Irgendetwas fehlt dort, aber es war mir unmöglich herauszufinden wie die Zeile korrekt lauten muss.

 

Mir gefällt das Gedicht auch wahnsinnig gut. Der Humor ist sehr subtil (ich kann das Gedicht nicht lesen ohne schmunzeln zu müssen) und irgendwie typisch britisch, besonders in diesen göttlichen Dialogen. Anspielungen wie die auf George, den Drachentöter, sind typisch für Tolkien. Sein breites Allgemeinwissen hat dafür gesorgt, dass es in fast jedem seiner Gedichte solche Anspielungen gibt.

 

Da ich schon einmal dabei bin und auch bereits die "Songs for the Philologists" erwähnt habe, werfe ich gleich das nächste Gedicht in die Runde: "Lit' and Lang'". Es ist eins der wenigen englischsprachigen Gedichte aus diesem Trinkliederzyklus (die meisten sind in altenglisch, gotisch, lateinisch... verfasst) und ohne Erklärung gar nicht zu verstehen. Der Titel weist auf die beiden großen Teildisziplinen in Tolkiens Fachgebiet, der englischen Sprachwissenschaft, hin: "Lit'" steht für "literature", die Literaturwissenschaft, während "Lang'" für "language", die Sprachwissenschaft oder Philologie steht. Diese beiden Teildisziplinen standen sich zu Tolkiens Zeiten ziemlich unversöhnlich gegenüber. Beide meinten, den Schlüssel zur englischen Sprache in den Händen zu halten. Tolkiens bester Freund C.S. Lewis illustriert diesen Kampf sehr eindrücklich, wenn er von seiner allerersten Begegnung mit Tolkien schreibt. Lewis selbst gehörte nämlich zu den Literaturwissenschaftlern, den "Lit'", während Tolkien Philologe, also "Lang'" war. Die Begegnung mit Tolkien habe für Lewis zwei alte Vorurteile ausgehebelt, denn als er (als Protestant in Nordirland) geboren wurde, habe man ihn gewarnt, nie einem Papisten, einem Katholiken, zu trauen; und als er an die Englische Fakultät (als Literaturwissenschaftler) kam, habe man ihn gewarnt, niemals einem Philologen zu trauen - Tolkien jedoch sei beides gewesen ("At my first coming into the world I had been (implicitly) warned never to trust a Papist, and at my first coming into the English Faculty (explicitly) never to trust a philologist. Tolkien was both"). Schon die Gleichsetzung der Zwistes zwischen "Lit'" und "Lang'" mit dem politischen Hexenkessel in Nordirland zwischen Protestanten und Katholiken macht deutlich wie ernst diese Fehde war. Wenn man auf diesem Hintergrund nun Tolkiens Gedicht "Lit' and Lang'" liest und im Hinterkopf behält, dass Tolkien ein "Lang'" war, kann man eigentlich nur lauthals loslachen angesichts der Boshaftigkeit dieser Zeilen:

 

 

LIT' AND LANG'

 

Once there were two little groups,
Called Lit’ and Lang’.
Lit’ was lazy till she died,
Of homophemes.
‘I don’t like philology,’
Poor Lit’ said.
Psychotherapeutics failed,
And now she’s dead.

Doctors cut up all the corpse,
But searched in vain;
They couldn’t find it anywhere,
They couldn’ find the brain.
Did Lang’ go into mourning-weeds?
I don’t think!
He quickly wiped a tear away
And had another drink.

 

 

Übersetzt würde es etwa so lauten:

 

 

Einst gab es zwei kleine Gruppen,
Genannt Lit' und Lang'.
Lit' war faul bis sie starb,
An Homophemen.
„Ich mag Philologie nicht“,
Sagte die arme Lit'.
Psychotherapien versagten,
Und nun ist sie tot.

Ärzte schnitten den ganzen Leichnam auf,
Suchten jedoch vergeblich.
Sie konnten es nirgendwo finden,
Sie konnten nirgendwo ein Hirn finden.
Zog Lang' deshalb Trauerkleidung an?
Ich denke nicht!
Er wischte schnell eine Träne weg
Und trank noch einen.

 

 

Bearbeitet von Berenfox
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Super Gedicht! Ich habe ja selber Lit and Lang studiert ...

 

Aber hier meintest du doch sicher Literaturwissenschaftler, oder: ;-)

 

Lewis selbst gehörte nämlich zu den Sprachwissenschaftlern, den "Lit'",

 

 

Bearbeitet von beadoleoma
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Ups, da hab ich mich tatsächlich vertippt! Werd ich gleich mal verbessern, danke!

 

Gibt es diese Konkurrenz zwischen den beiden Teildisziplinen heute auch noch?

Bearbeitet von Berenfox
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Sicher nicht mehr so wie zu Tolkiens Zeiten.

Aber natürlich denkt an einer Uni jeder sein Fach sei das allerwichtigste und die Tatsache, dass nie genug Geld für Geisteswissenschaften da ist und die Lehrstühle ihre Berechtigung ständig rechtfertigen müssen, führt natürlich auch zu einem gewissen "Was die machen ist doch nicht so wichtig/gut/richtig wie unser Fachgebiet"-Denken.

Ich selber konte mit Linguistik lange nichts anfangen, bis ich meine Nische in der Sprachgeschichte gefunden habe, die Lit und Lang irgendwie in sich vereint. Da sitzt man dann in Klein- und Kleinstgrüppchen mit anderen verschrobenen Typen und liest Chaucer. :-O

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Nein, sie ist die einzige, die er nicht getötet hat und als er denkt er hat seine Ruhe ersticht sie ihn. Dann sagt sie ihm, dass er zwar wundervoll aussieht und schön singt, dass sie aber trotzdem keine blinde Zerstörung akzeptieren kann und er stirbt und denkt "Zumindest hat sie gesagt ich bin wundervoll".

 

Oh da habe ich ja ganz schön daneben gelegen. Vielen Dank Beadoleoma für die Übersetzung :-) .Jetzt ist es noch humorvoller.

 

 

Mir gefällt das Gedicht auch wahnsinnig gut. Der Humor ist sehr subtil (ich kann das Gedicht nicht lesen ohne schmunzeln zu müssen) und irgendwie typisch britisch, besonders in diesen göttlichen Dialogen. Anspielungen wie die auf George, den Drachentöter, sind typisch für Tolkien. Sein breites Allgemeinwissen hat dafür gesorgt, dass es in fast jedem seiner Gedichte solche Anspielungen gibt.

 

 

Mir geht es ähnlich, auch wenn ich nicht immer alles richtig verstehe.

 

Da hast Du ja jede Menge Arbeit in die Gedichtsammlung gesteckt, Berenfox. Hast Du schon mal überlegt mit Klett- Cotta in Kontakt zu treten und eine Veröffentlichung vorzuschlagen?

 

'Lit und Lang' ist nett, aber nicht so meins. Ich bin kein Fan von Linguistik. Eher stehe ich auf der Seite der Literatur. :-)

Bearbeitet von Torshavn
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@Torshavn: Ich hoffe, jemand (rauko) wird auch noch die deutsche Übersetzung reinstellen.

 

Nein, an eine Veröffentlichung habe ich nie gedacht. Schon deshalb nicht, weil ich die Gedichte nur im Original, aber nicht auf Deutsch gesammelt habe...

 

Ja, das kleine Gedicht ist speziell. :-P Dieser Tage gibt es wieder "richtige" Poesie. Mal sehen was ich dann auswähle...

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Die deutsche Prosaübersetzung zum obigen Gedicht "The Dragon's Visit":

 

Der Drache auf Besuch

 

Der Drache lag auf dem Kirschbaum,

er köchelte vor sich hin und träumte,

Grün war er, und die Blüten weiß,

und gelb leuchtete die Sonne.

Er kam aus dem Lande Finis-Terre,

von der anderen Seite der Blauen Berge,

Wo Drachen leben und der Mond

über hohen weißen Fontänen scheint.

 

"Hört mal, Mister Higgins, wisst Ihr eigentlich,

was da in Eurem Garten liegt?

Ein Drachen sitzt in Eurem Kirschbaum!"

"Äh, was? Bitte noch mal?"

Mister Higgins holte den Gartenschlauch,

und der Drache schreckte aus seinen Träumen auf;

Er blinzelte und stellte die langen grünen Ohren auf,

als das Wasser sich über ihn ergoss.

 

"Wie kühl", sagte er, "wie angenehm kühl

sind die Fontänen von Mister Higgins!

Ich bleib hier und singe, bis der Mond kommt,

wie es auch hinter den Bergen Brauch ist;

Und Higgins und seine Nachbarn - Box,

Miss Higgins und der alte Tupper -

Sie werden entzückt sein von meiner Stimme

als Tischmusik zu ihrem Abendessen!"

 

Mister Higgins holte die Feuerwehr

mit ihrer langen roten Leiter

Und Männern mit goldenen Helmen.

Dem Drachen wurde schwer ums Herz:

"Das erinnert mich an die bös alte Zeit,

als erbarmungslose Krieger noch

Drachen in ihren Höhlen jagten

Und ihr glitzerndes Gold stahlen."

 

Captain George kletterte die Leiter hoch.

Der Drache sagte: "Gute Leute,

Was soll die ganze Aufregung? Verschwindet bitte!

Oder ich zertrete eure Kirchentreppen

Und reiß eure Bäume aus

Und töte und verspeise zum Abendbrot,

Dich Captain George, und Higgins, Box

und Biggins und den alten Tupper!"

 

"Dreh den Gartenschlauch auf!" sagte Captain George,

und gleich kippte die Leiter mit ihm um.

Die Augen des Drachen waren nicht mehr grün, sondern rot,

und sein Magen knurrte.

Er dampfte und rauchte, er peischte mit dem Schwanz,

und die Blüten schwebten zu Boden;

Wie Schnee lagen sie auf dem Rasen,

und der Drache grollte und brummte.

 

Sie stießen mit Stangen in seine Unterseite

(wo er sehr empfindlich war):

Einen grässlichen Schrei stieß der Drache aus

und erhob sich wie Donner.

Er legte die ganze Stadt in Trümmer,

und Matrosen zwischen Bumpus Head und Trimble

konnten den roten Feuerschein sehen

Über der Bucht von Bimble.

 

Mister Higgins war zäh, und Box,

der schmeckte genauso wie er hieß.

"So waren alle meine Mühen umsonst",

sagte der Drache und zerkaute sein Abendbrot.

Und auf einer Klippe über dem langen weißen Strand

begrub er Tupper und Captain George

und was übrig war von der alten Miss Biggins,

Und für Higgins stimmte er eine Totenklage an.

 

Das traurige Lied erklang,

über den grauen Felsen von Bimble Bay,

Während der Mond aufging und das Meer seufzte,

und die rote Feuersbrunst verlosch.

Weit überm Meer sah der Drache die Berge,

die sein eignes Land umgaben;

Und er grübelte über die Leute von Bimble Bay

und wie die alte Ordnung verschwand:

 

( [erste Fassung:]

"Sie sind zu dumm, als dass sie

das Lied eines Drachens zu schätzen wüssten,

Und es fehlt ihnen der Mut, ihn taper und schnell zu töten -

die Welt wird immer fader!"

Und der Mond schien durch seine grünen Schwingen,

Und der Nachtwind gab ihm Auftrieb,

Und er flog über das gischgetupfte Meer

zu einem Treffen der grünen Drachen.)

 

"Niemand ist mehr so klug,

Farbe und Lied eines Drachens zu schätzen,

Keiner hat den Mut, sich mit Stahl seinem Feuer zu stellen -

die Welt wird immer fader!"

Er breitete die Schwingen aus zum Abflug,

doch just als er sich erhob,

traf ihn Miss Biggins direkt ins Herz,

und das überraschte ihn doch.

 

"Ich bedauere das zutiefst", sagte sie.

"Ihr seid eine prächtige Kreatur,

Und eure Stimme ist bemerkenswert

für einen, der nie einen Lehrer hatte;

Doch sinnlose Zerstörung kann ich nicht hinnehmen,

ich musste dem ein Ende setzen."

Der Drache seufzte, bevor er verstarb:

"Immerhin hat sie mich prächtig genannt."

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Ich wurde gerade köstlich von Lit und Lang unterhalten. Der gute Mann ist so wunderbar. Muss Tolkien widersprechen, es gibt sie eindeutig immer noch, die beiden; allein schon der Fakt dass man Literatur und Linguistik als getrennte Fächer studieren kann zeigt doch dass sich da nicht geändert hat; und wenn man ne Sprache studiert braucht man zwar beides, so sind die Institute aber meist so weit wie nur möglich im Gebäude voneinander weg. Ich liebe Sprachwissenschaft über alles, egal ob vergleichende oder algemeine. Literaturwissenschaft jedoch, mir graut es davor :D

Leider muss man, wenn man ne Sprache studiert beides machen -was natürlich OK und richtig ist.

 

Da kommt mir spontan ein Haiku (wenn's einer ist):

 

Lang gehört mein Herz, Lit bereitet mir Schmerz.

 

Das Gedicht vom Drachen ist natürlich absolut fantastisch. Großes Danke Berenfox!!! Ich denk ich brauch unbedingt den Annotated Hobbit wenn da soclhe Perlen drin sind.

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Wenn ich das richtig im Gedächtnis habe, hat Tolkien als Professor für englische Sprache und Literatur persönlich dafür gesorgt, dass die Verzahnung zwischen Lit' und Lang' sinnvoller funktioniert, z.B. durch Änderungen in den Lehrplänen für beide Teildisziplinen. Kann mich aber gerade nicht an Details erinnern...

 

Der "Annotated Hobbit" glänzt allgemein durch einige Gedichte, die der Autor ausgegraben und in den Anmerkungen verarbeitet hat. In dieser Hinsicht genauso lohnenswert wie in jeder anderen.

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Heute möchte ich euch eins meiner Lieblingsgedichte von Tolkien vorstellen - und gleichzeitig eins seiner kürzesten Werke. Das Liebesgedicht "As Two Fair Trees" entstand im Januar 1915 und ist bisher in Carpenters Tolkien-Biografie und in "Tolkien and the Great War" von John Garth veröffentlicht worden; Tolkien schrieb es für seine spätere Frau Edith im Gedenken an das einjährige Jubiläum ihrer Wiedervereinigung. Es greift mit dem Baum ein typisch tolkiensches Motiv auf, und obwohl das Bild in diesem Gedicht nichts mit den Zwei Bäumen von Valinor gemein hat, die Tolkien einige Jahre später in sein Legendarium aufnehmen sollte, ist es doch ein schöner Gedanke, dass Laurelin und Telperion vielleicht in diesem Bild der Liebe zwischen Tolkien und Edith wurzeln.

 

AS TWO FAIR TREES

 

Lo! young we are and yet have stood
like planted hearts in the great Sun
of Love so long (as two fair trees
in woodland or in open dale
stand utterly entwined, and breathe
the airs, and suck the very light
together) that we have become
as one, deep-rooted in the soil
of Life, and tangled in sweet growth.

 

 

Übersetzt würde es etwa so lauten:

 

 

WIE ZWEI SCHÖNE BÄUME

 

Sieh! Jung sind wir, und haben dennoch, gepflanzten Herzen gleich, so lange schon in der großen Sonne der Liebe gestanden (wie zwei schöne Bäume, die in der Waldung oder im offenen Tal ganz und gar ineinander verschlungen dastehen und gemeinsam die Lüfte atmen und das Licht einsaugen), dass wir wie Eins geworden sind, tief verwurzelt im Erdreich des Lebens, und in süßem Wachstum ineinander verstrickt.

 

 

EDIT:

In der deutschen Übersetzung der Carpenter-Biografie übersetzt Wolfgang Krege das Gedicht wie folgt:

 

Sieh, wir sind jung und stehen doch wie eingepflanzte Herzen in der hellen Sonne der Liebe, so lange schon (wie zwei junge Bäume im Walde oder im offenen Tal verschlungen wachsen und die Lüfte und selbst das Licht zusammen atmen), daß wir wie eins geworden sind, tiefverwurzelt im Boden des Lebens, verflochten in mildem Wachstum.

 

 

Bearbeitet von Berenfox
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@raukothaur Danach hab ich auch lange gesucht, fand aber nicht viel und eigentlich nur dies:

 

"Different speech sounds that look the same on the lips/mouth such as /p/, /b/, /m/"

 

wären in dem Fall also Labiale, also wären Homopheme Laute mit gleichem Artikulationsort, ebenso würds zB auch für /k/ und /g/ zutreffen... aber keine Ahung ob es so stimmt (das Wort ist selbst im Internet kaum existent) und was  genau das im Kontext des Gedichts zu Bedeuten hat.

Bearbeitet von Makalaure
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Mehr als Makalaure hab ich dazu leider auch nicht gefunden. Scheint ein philologischer Fachausdruck zu sein. Wahrscheinlich im Kontext des Gedichts eine Art fachlicher Insiderwitz, der vielleicht auf ein Problemfeld hinweist, mit dem Literaturwissenschaftler nicht klarkommen...

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Die Gedichte sind klasse.

Es ist erstaunlich, wie sehr sich 'The Two Trees' gereimt anhört, es aber eigentlich gar nicht ist. Oder habe ich da etwas übersehen?

Es ruft in mir sofort das Bild einer verträumten, friedlichen, grasgrünen und sonnengelben Idylle hervor.

Romantisch, aber nicht kitschig. Ein starkes Gedicht. Kommt sofort auf meine Auswendiglern-Liste.

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Genau das denk ich mir auch jedesmal, Peri, wenn ich das Gedicht lese! Es fühlt sich so rhythmisch und natürlich an, dass man sich schlicht wundert wenn man plötzlich merkt, dass es ja doch nicht gereimt ist. :-D 

Das Bild, das da hervorgerufen wird, hat so eine einzigartige Spannung zwischen romantischem Naturbild und symbolischer Liebesmetaphorik, wunderschön, aber nicht kitschig.

Viel Spaß beim Auswendiglernen! Ich hab mich echt schwer damit getan, weil es so komplex aufgebaut ist...

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Ein kurzer Einschub meinerseits zu den homophemes. Der Begriff des Phems ist mir aus der Sprechakttheorie bekannt, genauer aus Austins How to do things with Words. Dort lautet die entsprechende Passage:

Wer etwas sagt, muß
[…]
(A.b) die Handlung vollziehen, gewisse Vokabeln, also Wörter, zu äußern, d. h. Geräusche von bestimmter Gestalt, die zu einem bestimmten Vokabular gehören, und zwar als Geräusche, die zu diesem Vokabular gehören; er muß sie in einer bestimmten Konstruktion äußern, die zu einer bestimmten Grammatik gehört, und zwar als Konstruktion, die zu dieser Grammatik gehört; er muß sie mit einer bestimmten Intonation äußern und so weiter. Insoweit soll die Handlung »phatischer [phatic] Akt« heißen und das, was er äußert, »Phem« [pheme] (im Unterschied zum Phemem in der Linguistik)
[…]
Freilich muß man im Kopf behalten, daß dasselbe Phem (d. h. Satz, d. h. Vorkommnisse desselben Typs) bei Gelegenheit verschiedener Äußerungen über Unterschiedliches sprechen und Unterschiedliches darüber sagen kann, also ein anderes Rhem sein kann.
 
aus: John L. Austin: Zur Theorie der Sprechakte (How to do things with Words)
 
Die Vorlesung, aus deren Mitschrift Austins Buch erstellt wurde, wurde zwar erst 1955 gehalten, aber ich vermute, dass die Begriffe bereits vorher Verwendung gefunden haben – zumindest passt Austins Phem-Definition ausgezeichnet zu Tolkiens Verwendung im Gedicht: Literaturwissenschaft betrachtet Sprache (in erster Linie) als Träger von Bedeutungen; nun sind bei ein und derselben sprachlichen Wendung verschiedene Bedeutungen möglich ( = Homopheme), es gibt also Interpretationsspielraum. »Lit’ was lazy till she died, / Of homophemes« könnte also heißen, dass die Literaturwissenschaft aufgrund dieses Spielraums zugrunde geht – sei es, weil sich die Literaturwissenschaftler zerstreiten, da jeder die einzig wahre Bedeutung gefunden zu haben meint, oder weil sie aufgeben, da sie die eine richtige Bedeutung einfach nicht finden können.
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Unter den vielen unbekannten Gedichten Tolkiens gibt es eins, das sicher jeden Leser des "Herrn der Ringe" begeistern wird: "Bilbo's Last Song". Tolkien dichtete es erst 1968, mehr als zehn Jahre nach der Veröffentlichung des "Herrn der Ringe", aber es fügt sich nahtlos in das Buch ein: Bilbo, am Ende seiner Abenteuer und seines Lebens, sagt an den Grauen Anfurten seinen Freunden Lebewohl und besteigt das Schiff gen Westen. Die Atmosphäre, die man im Buch mit dieser Szene verbindet, wird sofort wieder präsent durch die tiefe Melancholie und die Meeresbilder. Ein richtiges Kleinod, das jedem HdR-Liebhaber einen Seufzer entlocken wird.

Übrigens wurde das Gedicht als eigenes kleines Buch veröffentlicht, mit unglaublich schönen Illustrationen von Pauline Baynes. Vertont wurde es auch, von Donald Swann.

 

Auf Deutsch wurde das Gedicht ebenfalls veröffentlicht. Falls jemand die Übersetzung zur Hand hat, bitte vortreten!

 

BILBO’S LAST SONG

 

Day is ended, dim my eyes,

but journey long before me lies.

Farewell, friends! I hear the call.

The ship’s beside the stony wall.

 

Foam is white and waves are grey;

beyond the sunset leads my way.

Foam is salt, the wind is free;

I hear the rising of the Sea.

 

Farewell, friends! The sails are set,

the wind is east, the moorings fret.

Shadows long before me lie,

beneath the everbending sky.

 

But islands lie behind the sun

that I shall raise ere all is done;

lands there are to west of West,

where night is quiet and sleep is rest.

 

Guided by the Lonely Star,

beyond the utmost harbourbar,

I’ll find the Havens fair and free,

and beaches of the Starlit Sea.

 

Ship, my ship! I seek the West,

and fields and mountains ever blest.

Farewell to middle-earth at last.

I see the Star above your mast!

 

Bearbeitet von Berenfox
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