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Inhalte mit der höchsten Reputation am 06.12.2013 in allen Bereichen anzeigen

  1. Ich kann nicht richtig nachvollziehen, wieso gerade der Satzteil „...and she loved him;“ hier für so viel Wirbel sorgt. Der emotionale Aspekt des Ausdrucks hat so viel Gewicht, daß es meiner Ansicht nach nicht mal für eine Andeutung in die körperliche Richtung reicht. Dagegen wird die eigentlich delikate Stelle einfach überlesen: „...yet she slips from his arms...“ Hier haben wir tatsächlich einen ersten vagen Hinweis darauf, daß eine zärtliche Berührung zwischen Mann und Frau stattgefunden haben muß. Und ich würde diese Umarmung durchaus als körperliche Vereinigung gelten lassen. Allerdings ist unter allen Passagen, die hier zusammen getragen worden sind, immer noch keine dabei, die beweisen würde, daß die Bewohner Mittelerdes Geschlechtsorgane besitzen und damit die physische Voraussetzung erfüllen, um Geschlechtsverkehr zu praktizieren. Aber wer Sex in Mittelerde sucht, der findet ihn vermutlich auch. Berenfox hat da eine verblüffende geographische Metapher gefunden: Anstatt Lúthien zu entjungfern, hat Beren vielmehr Doriath defloriert. Das Bild läßt sich noch wunderschön erweitern, wenn man Melians Prophezeiung miteinbezieht: Thingols Gattin wußte, daß ihr gigantischer magischer Keuschheitsgürtels den Phallus des Schicksals nicht aufhalten können würde.
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  2. Ich argumentiere nicht pseudohistorisch. Würde ich das tun, würde ich Texte in meine Überlegungen miteinbeziehen, die der Geschichte von Beren und Lúthien im "Silmarillion" fremd wären, und das ist nicht der Fall. Was ich jedoch miteinbeziehe in meine Überlegungen sind QUELLEN! Sprich: Ich schaue auf die Entwicklungsgeschichte eben dieser Geschichte. Das "Lay of Leithian" ist - wie viele andere Texte in der HoMe - eine frühe Version eben jener sich immer weiter entwickelnden Geschichte, die schließlich im Silmarillion abgedruckt wurde. Anhand dieser frühen Versionen kann ich überprüfen, ob das, was Beren und Lúthien in der verkürzten Form dieser Geschichte tun, eine sexuelle Komponente besitzt oder nicht. Ganz abgesehen davon brauche ich nur den Text zu betrachten, um eine mögliche sexuelle Komponente an dieser Stelle bewerten zu können. Wenn überhaupt, dann ist die Umschreibung "...and long ago in the Hidden Kingdom she laid her hand in his" ein Hinweis auf eine sexuelle Bindung, hier kommt es überhaupt zum erstenmal zu einer Bindung zwischen den Beiden. Der Text vorher zeichnet sich dadurch aus, dass Lúthien ständig entschwindet und nicht von Beren gehalten werden kann. Zuerst heißt es von Beren, er sei unter ein "enchantment" gefallen (ein wichtiges Wort!), doch Lúthien, die ihn noch gar nicht bemerkt hat, entschwindet. Wie verrückt sucht er nach ihr und versucht sie zu fassen. Als sie ihn dann schließlich bemerkt, flieht sie vor ihm. Selbst als von ihr gesagt wird "doom fell upon her, and she loved him" verweigert sie sich einer Bindung und flieht. Der springende Punkt ist schließlich der, dass Beren gar nicht in der Lage ist, Lúthien zu fangen, sondern dass sie von sich aus zu ihm zurückkehrt und dass sie ihre Hand in die seine legt. Ob dabei nun Sex im Spiel ist (was durchaus denkbar wäre) spielt dabei eigentlich keine Rolle - es geht um "joy", die im Gegensatz steht zu all dem Leid, das Beren bis dato durchgemacht hat und das er in Zukunft noch durchmachen wird. Mit dieser Waldlichtung wird ein geschützter Raum, ein Fluchtraum, beschrieben, der im Gegensatz steht zum Leid der Außenwelt, in den Beren fast gewaltsam eindringen muss, indem er die Schwelle von Melians Gürtel überschreitet. Das Wort "enchantment" schreit fast danach, dass Tolkien hier wieder einmal jene Schwelle nach "Faerie", in die Märchenwelt, im Sinn hatte, die bei ihm so oft eine Rolle spielt. Und - auch auf die Gefahr hin, dass die Hinzunahme dieses Textes von Rauko nicht gebilligt wird - in einem Brief schreibt Tolkien entsprechend über den Wert eines solchen fantastischen Fluchtraums (wobei er explizit auf die Waldlichtung aus der Geschichte eingeht): "[T]he sufferings that we [=er und seine Frau Edith] endured [and] [...] the lapses and darknesses which at times marred our lives [...] never touched our depths nor dimmed our memories of our youthful love. For ever (especially when alone) we still met in the woodland glade, and went hand in hand many times to escape the shadow of imminent death before our last parting." (Letters, S. 421). Will sagen: Sex ist an dieser Stelle einfach nicht das Thema.
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  3. Dem kann ich nicht zustimmen. Auch die Bibel ist ein Text, der in einer literarischen, historischen, kulturellen und religiösen Tradition steht. Sie ist nicht unabhängig, sondern gerade abhängig. Jeder Leser verstand sie anders, versteht sie anders und wird sie in Zukunft anders verstehen und es ist fraglich, ob es je zwei Leser geben kann, die dasselbe aus demselben Text machen - vollkommen egal, ob es sich dabei um einen Text handelt, der für einen bestimmten Rezipientenkreis eine gewaltige Bedeutung hat, oder nur für einen Literaturwissenschaftler oder jemanden, der das Werk einfach mal lesen will - Motivationen gibt es genug. Was genau meinst du eigentlich mit der "Ebene", ab der Vergleiche mit anderer Literatur möglich sind? Wie "hoch" oder "tief" muss man dafür gehen? Was die Bibel ist, kann niemand beantworten - doch die Frage scheint mir auch gar nicht so wichtig. Ist es nicht wichtiger, zu fragen: Was kann die Bibel jemandem geben und was hat sie möglicherweise Tolkien gegeben, sodass dieser Sexualität in seinem Universum so unter den Tisch fallen lässt? A priori ist jedes Werk vergleichbar. Wenn es das nicht wäre, dürfte es gar nicht geschrieben worden sein. Da es aber als Text vorliegt, kann man es auch vergleichen. Zeige mir dies bitte durch Zitate aus dem Silmarillion im Kontext des restlichen Textes und durch Zitate aus der Bibel ebenso im Kontext des restlichen Textes. Das ist an vielen Stellen diskutiert worden, ich glaube das führt hier insgesamt zu weit. Schau mal >hier rein. Es reicht nicht. Selbst Tolkien setzt nicht das Maß der Interpretation eines seiner Werke an. Was reicht deiner Meinung nach dann? Und wer ist dieser Tolkien, dass "selbst er" die Macht hat, die Interpretation eines Lesers so stark zu beeinflussen, dass dessen eigene Leseerfahrung völlig in die Nichtigkeit gerückt werden kann? Wenn ich den Herrn der Ringe als christlich geprägtes Werk lesen möchte, kann mir da ein Herr Tolkien (noch dazu ein längst verstorbener) nicht rein reden. Die Interpretation gehört nicht dem Autor, sondern dem Rezipienten. "Der Herr der Ringe" ist ein unabhängiges literarisch-dichterisches Werk, das als Werk nichts mit anderen Werken zu tun. Ich wünschte, Dunderklumpen wäre hier. Sie könnte da besser Stellung zu beziehen. Wäre Dunderklumpen hier, würde sie dir sagen, dass kein Werk unabhängig ist. Was ich oben für die Bibel gesagt habe, gilt selbstverständlich auch für jedes Werk Tolkiens (ja sogar für jeden Schnipsel Papier, auf den er je etwas geschrieben hat). Indem du es als so einzigartig verstehst, dass du es gegen jede Interpretation, jeden Vergleich abhebst, machst du seine Wirkung gleichzeitig zunichte. Denn was soll ich mit einem Text, der mir als Leser nichts geben könnte außer dem, was in ihm ist? Das bloße Fehlen als Stilmittel zu verstehen, Nelkhart, halte ich dagegen für gewagt. Denn es gibt viele Werke, in denen nichts über die Verdauung von Charakteren gesagt wird. Ist dieses Fehlen auch ein Stilmittel? Wie sieht es mit dem Verschweigen vom Schuhe Zubinden, vom Zähneputzen aus? Sind das alles Stilmittel? Ich würde dir allerdings zustimmen, dass es ein Schweigen mit großer Wirkung hat: Denn da, wo tatsächlich Lust ins Spiel kommt, an den hier im Thread genannten Stellen, ist es gerade so bemerkenswert und hat eine so gravierende Auswirkung auf die Handlung, dass ich umgekehrt die dortige Betonung als Stil-, oder besser als Handlungsmittel verstehen würde. Das ist sicher richtig, allerdings kann man auch narratologisch argumentieren, dass Elemente einer Erzählung, die für die Handlung geradewegs irrelevant sind (und der Sex von Aragorn und Arwen, Elrond und Celebrían ist für die Handlung des HdR nun durchaus nicht treibend), ausgeblendet werden. Um mit Gérard Genette zu sprechen: Erzählzeit < erzählte Zeit, das Phänomen der Summary, das bei den meisten modernen Romanautoren zum Tragen kommt, weil es eben die Handlung am effizientesten voran treibt.
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